Stefan Muenz: Galerie der schlechten Web-Kommunikation

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Hallo Thomas,

Mir ist aber noch nie die Idee gekommen das das Internet irgendetwas mit Kommunikation zu tun hat. Es hat (nach meiner Meinung) mit Kommunikation zuviel zu tun wie Zeitung lesen oder Fernsehen. Unter Kommunikation verstehe ich das austauschen von Informationen zwischen zwei (oder mehreren) Personen. Dies findet im Internet zu 99% nicht statt, mal abgesehen von einigen Foren und Chats.

Derzeit ist das im WWW zumindest so. In den Newsgroups, in Mailing-Listen usw. lebt schon lange ein anderes, aktives Internet. Das WWW und HTML wurden ja auch zunaechst als reines Medium zur Informationsbereitstellung und Informationsvernetzung geschaffen. Aber bei den Anbietern von Web-Sites setzt sich allmaehlich die Erkenntnis durch, dass man mehr bieten muss, wenn man Leute an Seiten binden will. Wuerde z.B. irgendjemand von euch hier taeglich auf den Selfaktuell-Seiten vorbeisurfen, wenn es nicht das Forum gaebe? Oder wenigstens den Chat?

Wenn man sich seine Logfiles so anguckt, stellt man fest, dass viele Besucher nur relativ kurz auf Informationsseiten bleiben. Sie suchen irgendwas, und entweder finden sie es nicht, dann sind sie schnell wieder weg, oder sie finden es, dann drucken sie es aus, speichern es ab, oder ziehen sich es schnell rein, und dann wieder weg. Anders etwa bei Seiten wie so einem Forum und seinen ganzen Nachrichten. Da haelt man sich schnell mal eine halbe Stunde oder Stunde auf. Und Anbietern von Werbebannern etwa laeuft angesichts solcher Aufenthaltszeiten natuerlich der Speichel im Mund zusammen.

Deshalb versuchen viele "Profis" jetzt, ihre Web-Angebote von reinen Informationsangeboten (sofern es je welche waren <g>) zu Kommunikationsangeboten umzubauen. Egal ob Foren, oder Gewinnspiele, Rollenspiele usw. Irgendwas "Interaktives" muss jetzt her.

Insofern wird meines Erachtens auch "Kommunikationsdesign" immer wichtiger, und da wo Kommunikation angeboten wird, wird es genauso wichtig wie "Web-Design". Die "Lehre vom Kommunikationsdesign" kann helfen, Fehler dabei zu erkennen, z.B. welche Arten von Kommunikationsaufforderung ihr Ziel nicht erreichen usw.

Aber sind Internet-User wirklich genauso dumm wie Fernsehzuschauer, die glauben, sie seien "mit dabei"?
Klare Antwort - JA, denn es sind die selben Menschen.

Tja, bislang stimmte das nicht, bislang waren es weitgehend andere Menschen, solche, die eben nicht mit Mama und Papa oder Kind und Kegel die Lottoshow und Herzblatt gucken wollten. Leute, die das neue Medium Internet als Befreiung empfanden, weil man sich seine Informationen da selber besorgt, Anschluss an Gleichgesinnte finden kann, selber etwas anbieten kann usw. Aber seit die AOL-CDs in jeder Fernsehzeitschrift drin sind, werden die Internet-User nicht nur mehr in der Anzahl, sondern auch mehr und mehr so wie der gesellschaftliche Schnitt. Und der ist nun mal passiv, was Medien betrifft. Will einfach bedient werden, braucht die unerreichbaren Stars usw. Wahrscheinlich werden sich schon bald Browser durchsetzen, die die Fuelle des Internet einfach wegblenden und nur noch ein paar Channel-Abbonnements anbieten, damit alles so ein bischen aussieht wie Fernsehen.

viele Gruesse
  Stefan Muenz