Michael Schröpl: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

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Wenn ich mal so eine Zukunftsvision ueber Sprache und Internet entwickeln sollte, dann wuerde das ungefaehr so aussehen:
Jeder sitzt mit seinem Micro vor dem "Bildschirm" und redet in seiner Muttersprache mit dem (oder mehreren) Gegenueber, welcher das Ganze dann in der eigenen Muttersprache hoert und/oder auf einem "Bildschirm" sieht. Der Computer wuerde dann als der grosse Uebersetzer fungieren.

Tja, diesen Traum hatten andere auch schon.
Ich habe ihn nicht mehr. Alles, was die einzelnen nationalen Sprachen wirklich *ausmacht*, sind gerade die Eigenheiten, welche eine sinnvoller Übersetzung fast automatisch verhindern.

Nur mal als Beispiel: Die englische Sprache ist voll von mehrdeutigen Worten, die erst durch den Kontext eine konkrete, fixierbare Bedeutung erhalten (oftmals auch dann noch nicht). Das hat dazu geführt, daß Wortspiele in der Kultur englischsprachiger Nationen einen ganz anderen Stellenwert haben als in einer Sprache, welches dieses Konzept durch die klarere Trennung von Wortstämmen, Beugungsformen etc. gar nicht erst möglich macht. Ein Wortspiel zu übersetzen scheitert in vielen Fällen einfach daran, daß das Wortspiel auf einem strukturellen Defizit der Ausgangssprache beruht, welches in der Zielsprache nicht existiert.
So gesehen würde eine Übersetzung nach Esperanto viele sympathische Ecken und Kanten kosten (ein großer Teil der bekannten Literatur würde unter einer solchen Übersetzung irreparabel leiden).

Aber im Gegenzug wäre eine Sprache, welche nach den Regeln von Esperanto aufgebaut wäre, in jede andere Sprache mit denselben Regeln ziemlich gut übersetzbar - sofern beide Sprachen sich nicht aufgrund unterschiedlicher kultureller Ereignisse in unterschiedliche Richtungen weiterentwickeln.
Würde jede Sprachkultur dies einsehen und parallel alle großen Weltsprachen eine Sprachreform in dieser Richtung vornehmen (z. B. alle irregulären Verben ausmerzen), dann wäre ein großer Schritt in diese Richtung getan.

Aber schon meine Formulierung zeigt, daß das nie geschehen wird und eine Weltsprache als De-facto-Standard eine wesentlich größere Chance hat, realisiert zu werden.
Um jedoch eine solche Weltsprache zu erhalten, welche diesen Namen auch dauerhaft verdient, bräuchten wir eine Weltkultur. Welche das mit höchster Wahrscheinlichkeit sein wird, sehen wir am aktuellen Fernsehprogramm. Und es nützt nichts, diese Aussage irgendwie wertend zu betrachten ...