Stefan Muenz: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

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yHallo Karin,

Eine Ex-Kollegin von mir hat z.B. gerade ein Lokalisierungsprojekt mit 18 (in Worten achtzehn) Sprachen in der Mache. Ich tippe eher darauf, daß die Möglichkeiten der Informationstechnologie genutzt werden, daß jeder in seiner Muttersprache kommunizieren kann, und die anderen verstehen ihn trotzdem.

Ich haber derzeit beruflich gerade die Ehre, eine HTML-basierte Software-Hilfe, die ich urspruenglich erstellt habe, in so Sprachen wie Finnisch, Schwedisch oder Portugiesisch "glattzuziehen", sprich, die Frontpage- uns sonstwas-Suenden aus den uebersetzten Files wieder auszubuegeln, so dass ich mein CGI-Script starten kann, das eine javascript-basierte Volltextsuche ueber die Einzelfiles ermoeglicht. Bei solchen Dingen lernt man die Grenzen der Informationstechnologie sehr schnell kennen.

Vergiß doch bitte nicht, daß auch Deutsch durchaus zu seiner Zeit den Charakter einer Weltsprache hatte.

Mag sein. Hat es aber nicht mehr. Ich selber rede und schreibe sehr gern deutsch, weil ich es gut kenne und es als eine sehr ausgereifte Sprache schaetze. Aber aus heutiger Sicht kann ich in dieser Sprache trotzdem nicht mehr als eine geographische Nischensprache erblicken.

Aber gerade in den osteuropäischen Ländern, die m.E. in den nächsten Jahren an Bedeutung für uns gewinnen werden, kommst Du z.Zt. oft besser mit Deutsch als mit Englisch durch.

Das ist zweifellos, aber orientiert sich meines Erachtens nur an den geographischen Gegebenheiten. Gib den Polen die Flatrate, und sie werden Englisch lernen statt Deutsch!

Ich hab' da mal einen interessanten Artikel gelesen, daß das Englische Gefahr läuft, eben durch diese Internationalisierung als Wissenschafts- und  Berufssprache (wobei es nach diesem Artikel im Übrigen nach dem Krieg das Deutsche verdrängt haben soll) an Vielfalt und Ausdrucksmmitteln zu verlieren.

Ich bin ziemlich sicher, dass das der Fall ist. Aber eben diese Verwaesserung zeigt andererseits, dass Englisch tatsaechlich auf dem Weg ist, zu einer "planetaren" Sprache zu werden. Sicher wird es nicht das Oxford-English sein, und auch nicht das der amerikanischen Mittelschicht. Eher ein Pigeon-English, ein Konglomerat aus den Realitaeten der verschiedenen Kulturkreise, die gezwungen sind, sich dieser "Allgemeinsprache" zu bedienen.

Das glaube ich in dieser Vollständigkeit auf keinen Fall. Die europäischen Sprachen konnten ja auch in Afrika oder Asien nicht die einheimischen Sprachen verdrängen. Nachdem die gemeinsame Sprache die Einheimischen dazu befähigten, die Kolonialherren aus dem Land zu werfen, wurden durchaus die alten Stammessprachen, und oft damit auch -fehden, reaktiviert.

Stimmt einerseits. Aber frag die Betroffenen, frag sie, ob sie glauben, mit einer Sprache auszukommen. Die Hardliner werden das sicher immer bejahen. Aber jeder der realistisch denkt, erkennt, dass er auch jene Sprache beherrschen sollte, die in solchen Laendern eh schon meistens offizielle Amtssprache sind.

Gerade in einer Zeit, in der sich Menschen auf ihre lokale Identität besinnen (Wales, Schottland, oder auch der alte Witz: Ist nun Ober- oder Niederbayern das einzig legitime Bayern?) wird wohl eher auf Übersetzungsressourcen zurückgegriffen als auf die lokale Sprache verzichtet.

Dieser ganze Lokalpatriotismus ist so ungefaehr das Verquerteste, was es in unserer Zeit gibt. Fuer mich fast schlimmer als der religioese Fanatismus. Denn letzterer ist zumindest (meistens) supranational, aber die Ziele einer ETA oder vergleichbarer Kampforganisationen sind fuer mich so ungefaehr das Kontraproduktivste, was ich mir derzeit vorstellen kann.

viele Gruesse
  Stefan Muenz