Stefan Muenz: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

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Hallo Patrick

Ich weiss nicht mehr, ob ich nach all den Jahren noch in der Lage bin, es korrekt ausdruecken, aber ich kann mich am Physikunterricht erinnern, wo erklaert wird, das jeder Druck Gegendruck mit sich zieht. Im Zeichen eines Globalisierungs*drucks*, wie wir ihn heute erleben, ist der Gegen*druck* der von Dir sogenannten Lokalpatrioten staerker geworden und wird sich weiter verstaerken.

Das mit Druck und Gegendruck leuchtet mir ein ;-)
Die Globalisierung bringt genuegend Aengste fuer den Einzelnen mit sich. Und die Reaktion darauf ist nicht selten "reaktionaer": zurueck zu Heimat, Brauchtum und Nation. Zu einer Massenbewegung reicht das meines Erachtens aber trotzdem nicht mehr. Zu viele Menschen sind laengst ohne es zu spueren wurzellos geworden, haben sich daran gewoehnt, ihr Leben zwischen Betrieb, Kaufhaus und Familie einzurichten, ohne viel Bezug zu dem Land, in dem sie leben, der Sprache, die sie sprechen, und den Feiertagen, an denen sie frei haben. Und in der sogenannten dritten Welt ist es das Zerrissensein zwischen einer alten, agrarisch gepraegten Welt, den Kulturresten der Kolonialisierung und der modernen Technik. Sichtbar ist das an der Art, wie wir die Welt besiedeln. Keine Siedlungen mehr, sondern allgemeines Zersiedeln.

Bretonen zum Beispiel, sozusagen Sprachbrueder der Einwohner von Wales, versuchen diesseits des Aermelkanals ebenso ihre Sprache zu retten wie jenseits dessselben. Die baskische Bevoelkerung - ein Volk raetselhaften Ursprungs - genauso. Dass man als "Normalfranzose, Normaldeutscher, Normalenglaender" damit seine Schwierigkeiten hat, tut der Sache keinen Abbruch.

Alle Bretonen? Alle Basken? Eher eine kleine, nicht selten militante oder zumindest lautstarke Minderheit tut das in der Regel. Wenn du durch Brest oder Bilbao laeufst, wird dir sicher nicht allzuviel davon auffallen. Auch dort dominiert das normale, moderne, technisierte Kleinfamilienleben. Klar, ihre Sprache sprechen sie untereinander, das tun ja auch etwa die Ostfriesen - die koennen richtig "umschalten" zwischen Ostfriesisch und Hochdeutsch. Aber die Vermischung schreitet voran. Immer mehr dort lebender Menschen ziehen im Laufe ihres Lebens in andere Gegenden, und immer mehr Menschen kommen aus anderen Gegenden dorthin. Immer seltener werden dadurch die Gelegenheiten, die lokale Sprache zu sprechen. Irgendwann muss man dann Vereine gruenden, die sich der Pflege annehmen. Das beste Zeichen dafuer, dass etwas vom Aussterben bedroht ist.

Daher wird es IMHO vermutlich nie zu einer Weltherrschaft der englischen Sprache kommen - allenfalls so, wie in diesem Thread mehrmals erwaehnt, wird English zu einer allgemeinen Verstaendigungssprache in bestimmten Bereichen (Kommerz, Medien, usw...) werden.

Ich vermute auch, dass es auf Zwei- und Mehrsprachigkeit hinauslaeuft. Dass die Menschen der absehbaren Zukunft eigentlich alle mehr oder weniger Englisch lernen, so viel zumindest, wie man im Beruf und im Internet braucht. Und dass sie daneben zumindest die Nationalsprachen noch eine ganze Weile weiter sprechen. Aber fuer die fernere Zukunft kann ich mir vorstellen, dass auch letztere irgendwann zu musealen Wesen werden, die von Vereinen gepflegt werden muessen. Denn das Nationenmodell ist auch nicht gottgegeben, es hat nicht immer Nationalstaaten gegeben, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass Nationalstaaten keine geeignete Form mehr sind, um die wirklich wichtigen Probleme der Erde in den Griff zu bekommen. Welche sprachlichen Folgen das haben wird, hm -

viele Gruesse
  Stefan Muenz