Stefan Muenz: Die Welt kann mich nicht mehr verstehen

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Hallo Connie

tja, und ich wundere mich immer wieder, wie Leute, die mir stundenlang geduldig die kleinsten Fehler nachweisen können in irgendwelchen RegExs, die jedes Hochkomma bei C++ / Delphi / PERL / und Konsorten liebevoll streichen und dessen Existenzberechtigung auf das Glühendste verteidigen, nicht in der Lage sind, im "geschriebenen Leben" die gleiche Sorgfalt anzuwenden.

Das habe ich auch schon beobachtet. Es handelt sich offensichtlich um ziemlich verschiedene Arten der "Denksorgfalt". Natuerliche Sprache wird von vielen Leuten einfach als so selbstverstaendlich empfunden, dass sie keinen weiteren Gedanken darauf verschwenden und es ihnen genuegt, dass es ja "irgendwie" funktioniert mit der Kommunikation. Sie merken auch gar nicht, dass sie viel mehr von der Kommunikation haetten, wenn sie mehr Sorgfalt auf das Sich-Verstaendlichmachen legen wuerden. Es entwickelt sich also auch kein entsprechender Ehrgeiz. Die Intoleranz von Interpretern und Compilern stchelt sie dagegen an. Fuer die vergleichsweise unglaubliche Dummheit dieser Dinger, zu erkennen was der Programmierer eigentlich erreichen will, wird alles nur Erdenkliche getan, um ihr entgegenzukommen. Klar, weil sonst eben nichts funktioniert im Script oder Programm. Vielleicht erzeugt die offensichtliche Dummheit der Interpreter und Compiler auch eine Art elterliches Ueberlegenheitsgefuehl, nach dem Motto "du dummer Jung, na dann versuch ichs halt nochmal, es dir zu erklaeren".

Ist das Verstandenwerden / Gelesenwerden weniger bedeutungsvoll fürs Ego als das Funktionieren einer Programm-Zeile?

Offensichtlich. Aber trotzdem steht Verstaendlichkeit hoch im Kurs. Sieht man ja hier. "Die Energie des Verstehens" wollen alle tanken. Das geht aber nur, wenn das, was da vermittelt wird, sich durch ein hohes Mass an Verstaendlichkeit auszeichnet. Nur: selber verstaendlich sein wird - vermute ich - als Schwaeche empfunden. Denn damit legt man ja offen die Karten auf den Tisch, wie viel man selber versteht und was man nicht mehr oder noch nicht versteht. Und diese Offenheit scheuen viele Leute.

Für mich ist die Genauigkeit, mit der jemand in der Lage ist, seine Gedanken zu äußern und festzuhalten ein Gradmesser für die Bedeutung, die er seiner eigenen Äußerung zumißt.

Das ist sehr schoen gesagt. Man kann nur hoffen, dass diese Botschaft viele "Gewissen" erreicht ;-)

viele Gruesse
  Stefan Muenz