Hallo Calocybe
Ach? Meine Erfahrung ist voellig gegenteilig. Wer gut programmieren kann, kann sich gewoehnlich auch sprachlich sehr praezise und eloquent ausdruecken. Das erscheint mir auch recht logisch, schliesslich liegt deren Intelligenzniveau meist um einiges ueber dem Volksdurchschnitt.
Hm - meinst du nicht, dass du damit dem modernen Irrglauben unterliegst, informatisch denkende Menschen seien automatisch die geistig hoechstentwickelten Menschen? Genauso hat man es vor einem halben Jahrhundert vom "Ingenieur" gedacht. Es stimmt zwar, dass die meisten heute erfolgreichen Informatiker auch eine relativ hohe Schulbildung haben. Aber in der nachwachsenden Generation sieht das oft schon anders aus. Der "stammelnde Programmier-Crack" - das ist durchaus schon beobachtbar und wird denke ich auch weiter zunehmen. Denn Sprache hat gar nicht so arg viel mit Praezision und informatischer Akribie zu tun. Sprache ist hochgradig ambig (mehrdeutig), und sich sprachlich so auszudruecken, dass das Gemeinte moeglichst originalgetreu beim Zuhoerer oder Leser ankommt, hat weniger mit alghorithmischer Fehlerfreiheit zu tun als mit Sprachgefuehl. Womit ich aber nicht behaupten will, das sei angeboren und nicht erlangbar. Ist es durchaus, aber natuerlich nur, wenn Interesse besteht. Und das Interesse ist bei den meisten Leuten nicht gerade hoch.
Meckerei einer Maschine als Anreiz zur Perfektion? Vielleicht solltest Du jemanden fragen, der sich damit auskennt, wenn Du schon nicht aus eigener Erfahrung berichten kannst.
Selbstverstaendlich meine ich das so - und mangelnde Erfahrung lasse ich mir da eigentlich nicht unterstellen, nur weil ich hoechstens mal nebenbei was programmiere, aber nicht den halben Tag und die ganze Nacht. Glaubst du vielleicht, irgendwer hier wuerde sich lange mit dem ganzen JavaScript-Zeugs rumschlagen, wenn da einfach gleich alles so wie gewuenscht funktionieren wuerde? Der eigentliche Reiz geht doch vom Widerstand aus, auch wenn das natuerlich ungern zugegeben wird. Das Groesste ist doch fuer die meisten das Gefuehl, den Interpreter oder Compiler "ueberlistet" zu haben. Sonst haetten sie doch gar kein Interesse daran. Ueber HTML wird ja auch nur deshalb so gerne die ueberhebliche Nase geruempft, das sei Pipikram, _weil_ es einfach ist und funktioniert. Dass man damit wunderschoene Hypertexte stricken kann, interessiert doch keinen. Das Interesse richtet sich viel lieber auf die Sachen, die "nicht gehen" und darauf, ob es nicht doch eine Moeglichkeit gibt, wie sie gehen koennten. Das kannst du hier im Forum jeden Tag miterleben.
Hausmacherpsychologie hat auch seinen Reiz, aber man sollte sie schon ein bisschen beherrschen, bevor man mit seinen Thesen in die Oeffentlichkeit tritt. :-(
Totschlagantworten sind aber auch nicht besser ;-(
Was hat Verstaendlichkeit mit Offenheit zu tun?
Ich versuche es mal zu erklaeren. Ich bleibe mal bei geschriebenem Text - fuer gesprochene Verstaendlichkeit gilt das aber eigentlich genauso. Ein verstaendlicher Text offenbart viel von dem, aus dessen Feder er kommt. Vor allem offenbart er ziemlich genau, wie viel der Urheber selbst von dem verstanden hat, worueber er redet. Denn eben wegen der Nachvollziehbarkeit ist es viel einfacher zu sehen, wo es anfaengt verschwommen zu werden. Genau da naemlich kann man die Grenze dessen ausmachen, was der Erklaerende selber von der Materie verstanden hat. Bei jemandem, der von vorneherein nicht sonderlich verstaendlich erklaert, ist es dagegen viel schwerer, diese Grenzen zu erkennen. Man weiss vielleicht, dass er eine Menge von dem, worueber er redet, weiss, aber da man eigentlich bei allem was er sagt ein paar Fragezeichen hat, hat man keine Moeglichkeit zu unterscheiden, wo er noch klar und deutlich ist, und wo er selber anfaengt zu schwimmen. Insofern gehoert finde ich Mut dazu, verstaendlich zu sein. Denn niemand laesst sich gerne in die Karten gucken, wie viel er selber versteht und wie viel nicht. Wer verstaendlich ist, tut aber genau das: sich diesbezueglich in die Karten gucken zu lassen.
viele Gruesse
Stefan Muenz