Tag
Ich hoffe, das reicht jetzt, um die Leserschaft vom allzu voreiligem Benutzen der immer wieder gern eingesetzten Faschismuskeule abzuhalten, denn CurtB wurde IMHO schon unterstellt, primär gegen die Sperrung von Nazi-Seiten einzutreten, was IMHO gar nicht der Fall war.
Stimmt. Das ist mir auch schon aufgefallen. Man kann in diesem Land nicht mehr sagen "Ich bin gegen diese Maßnahme zur 'Bekämpfung' des Rechtsradikalismus weil ...". Meist kommt man gar nicht mehr weiter als weil und bekommt sofort den "Du-Nazi-Knüppel" drübergezogen.
<präventivrechtfertigung>
- Ich in kein extrem Rechtsgerichteter, und auch kein Linker, ich würde mich als "etwas rechts von der Mitte" (<CSU und >FDP wenn's zur Anschaulichkeit hilft) bezeichnen (hm hab ich mich jetzt schon geoutet ?)
- Ich bin nicht gegen die Rassismusbekämpfung, so lange der Leidtragende der gewählten Maßnahmen nicht wie so oft der brave Bürger ist, wohingegen die Rassisten mehr oder weniger unbetroffen bleiben
- Ich bin Demokrat und für die freie Marktwirtschaft </präventivrechtfertigung>
Überhaupt kann man hier kaum mehr sagen "Ich bin stolz auf mein Land" ohne sofort den Nazi-Stempel auf die Stirn gedrückt zu bekommen. Woanders ist das ganz normal, geradezu alltäglich.
<präventivrechtfertigung> Ja ich weiß, woanders hatten sie nicht diese Vorgeschichte (das "diese" ist unterstrichen, weil sie woanders durchaus auch jede Menge Dreck am Stecken haben - bloß da kräht kein Hahn danach). </präventivrechtfertigung>
Jetzt ist es aber so, daß es aber auch 50 Jahre später in diesem Land noch Leute gibt, die nicht überrissen haben, was da vor 50 Jahren wirklich los war, und die das evtl. nocht toll finden, was damals los war. Diese Leute mißbrauchen Wörter wie "Stolz" oder "Vaterland" für Ihre Zwecke und machen es für den "normalen" Bürger praktisch unmöglich, diese Wörter zu gebrauchen, ohne mit ihnen in eine Reihe gestellt zu werden.
In der Schule bekommt man über drei oder vier Jahre zu hören, wie schlecht der Nationalsozialismus ist und es wird einem mehr oder weniger eingetrichtert, daß man zwar nix dafür kann, zufällig in Deutschland geboren zu sein, sich aber bitte trotzdem mitschuldig fühlen soll an dem was damals passiert ist, und daß alle anderen mit vollem Recht auf uns rumhacken dürfen und wir immer fleißig zahlen sollen. Fördert das eigentlich nicht gerade den Rechtsradikalismus ? Wenn man dauernd besagt bekommt "die anderen sind besser (im Sinne von "mehr Gut (brav)") weil irgendjemand weit vor Eurer Zeit sich für besser (im Sinne von überlegen) gehalten hat und damit Unrecht hatte ?
Vielleicht sollte man mal ganz klar betonen: Meine Generation hat mit der von "damals" nichts mehr zu tun (Ok, vielleicht waren meine Großeltern dabei - aber was hat das mit mir zu tun ??? Bin ich deswegen grundsätzlich erstmal "Nazi-gefährdet" ?). Wir sind demokratisch erzogen. Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß da draußen immer ein paar Spinner rumlaufen, die es nicht kapieren (daß auch ein paar von "uns" dabei sind, läßt sich nicht vermeiden) (Wie kann ich es mir erlauben für so viele Leute zu sprechen ?) Wir sehen die Bilder im Fernsehen, lesen Zeitung und lesen im Internet und werden immer wieder auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die da draußen lauert. Es ist vollkommen klar, daß der Rechtsradikalismus nie untergehn wird, egal wie viel man ihn bekämpft.
<präventivrechtfertigung> Das soll nicht heißen, daß man ihn nicht bekämpfen soll, weil es eh nichts brächte </präventivrechtfertigung>
Wie aber sollen wir uns der Gefahr bewußt werden, wenn Sie wegzensiert wird ? Frei nach dem Motto: "Der Rechtsradikalismus ist böse, und wenn wir sowas zeigen (Internet/Fernsehen etc.) dann kommen die Leute auf die Idee daß er vielleicht doch toll sei, und deswegen zeigen wir einfach nix mehr, dann kommen sie auch net auf die Idee." Von wegen. Dann erst, wenn man sich der Gefahr nicht bewußt ist, ist die Gefahr doch erst richtig gefährlich.
Wie soll man als Journalist oder Reporter denn noch vernünftig recherchieren, wenn einem der Zugang zu den entsprechenden Seiten versperrt ist ?
- Zugang zu solchen Seiten nur noch mit BSNRJ-Schein (Braver-Sicher-Nicht-Rechter-Journalist, kann dann für €10.000 beim Bund in einem 2 monatigen Training (Gehirnwäsche?) erworben werden ?
- Die gesperrten Informationen werden vom Staat nur noch auf Anfrage mit dreiseitiger Begründung herausgegeben (enstpr. nachbearbeitet, versteht sich), alle Anfragen werden gespeichert und wer ein bestimmtes "Anfragelimit" überschreitet wird als "Gefährdet" eingestuft und gleich mal vorsichtshalber einer 10-stündigen Gewissensprüfung unterzogen ?!
Selbstverständlich nutzen nicht nur Journalisten diese Seiten. Auch der eine oder andere unbedarfte Bürger wird mal vorbeischnein. Und selbstverständlich die Rechten. Aber seid doch froh, daß ihr wisst wo die Rechten sitzen ! Wenn man Ihre Seiten wegsperrt, dann gehn sie in den Untergrund, und dann sind sie wirklich kaum mehr zu schnappen. Und aus dem Untergrund raus sind sie doch wesentlich gefährlicher als so, wie sie jetzt sind (meine Meinung).
Die Bezirksregierung hat nordrheinwestfälische Internetprovider "gebeten", bestimmte Seiten zu sperren; hauptsächlich Nazi-Seiten, aber auch rotten.com (ziemlich ekelige Seite, zugegeben), wie folgender heise-Artikel belegt: http://www.heise.de/newsticker/data/hod-15.10.01-000/
Und genau da sehe ich die Gefahr: Wenn die Zensur erstmal anfängt, dann wird sie nur schwer zu stoppen sein. Rechtsradikalismus wird zensiert. Also gut. Aber dann müssten der Logik nach auch noch
- Linksradikalismus
- Gewalt
- religiöser Extremismus
und alles andere, was mit diesen Sachen zu tun hat, zensiert werden. Ist es da nicht nur noch eine Frage der Zeit, bis grundsätzlich alles, was dem Staat (seiner Regierung ?!) "gefährlich" werden könnte, wegzensiert wird ? (ja, ich habe "1984" gelesen. Nein, ich bin nicht paranoid. Nein, ich glaube nicht, daß es wie in "1984" werden wird). Aber ist denn Zensur nicht der Anfang vom Ende (ich erinnere mich an "damals" ...) ?
Warum rotten.com gesperrt werden soll, verstehe ich nicht; als erwachsener, angeblich mündiger Bürger sollte man sich ansehen können, was man will. Darum empfinde ich diese Massnahme der Bezirksregierung als Zensur.
Bevormundung.
Des weiteren bezweifle ich die Wirksamkeit der Massnahmen aus folgenden Gründen:
- Mittels Anonymizer-Services kann man sich diese Seiten sicher trotzdem angucken (denn sie werden aus den USA geladen, anonymisiert, und dann per SSL an den Browser in Deutschland übertragen). Natürlich könnte die BezReg auch einfach noch alle Anonymizer dieser Welt sperren lassen.
Dann werden die Anonymizer im Zuge der was-weiß-ich-was-Bekämpfung einfach auch gesperrt. Aber eigentlich brauch ich nicht mal nen Anonymizer dafür. Da kann ich mir bei jedem X-beliebigen Provider, der den entsprechenden IP-Raum noch nicht gesperrt hat ne PHP-Seite reinstellen, die für mich die andere Seite läd. Für die "Kontrolle" schaut es dann so aus, als käme die Seite von jemand "vertrauenswürdigem" (wird das dann so genannt werden ?). Da helfe ja dann nur noch eins: Alles was über die Leitung kommt in dem die Wörter "Hitler", "Usama Ibn Laden" oder "Vaterland" vorkommen wird gnadenlos rausgefiltert (huiiiiiii ... )
- Die gesperrten Seiten könnte man sehr leicht auf irgendwelche Server laden, die freien Webspace anbieten. Die BezReg müsste dann auch noch angelfire, geocities, fortunecity, yahoo und noch ein paar Anbieter sperren
Richtig. Und wenn sie die Homepage löschen / sperren, dann wird sie einfach woanders hochgeladen. Da hilft dann doch nur der "Böse-Wörter-Filter" (lol stellt Euch mal vor, Ihr telefoniert grad mit einem Freund in den USA oder so und irgendwann sagt ihr eins von den bösen Wörtern - dann springt nicht mehr einfach nur das Tonband vom BKA (so wie's jetzt ist) an, sondern dann wird einfach die Leitung getrennt und drei Minuten später ist das Haus von einem Sondereinsatzkommando umstellt. Genauso machen wir das mit dem Interenet: Wenn der Filter ein böses Wort in Eurem Datenstrom entdeckt, oder rausfindet, daß ihr verschlüsselte Daten übertragt, wird sofort und automatisch das BKA alarmiert)
- Seiten, die auf Servern liegen, die dynamische IPs haben, wären ziemlich schwer per Routing zu sperren, es sei denn, die BezReg sperrt auch noch alle dynamischen IP-Services (dyndns, dnsalias...) und am besten alle IPs von Dial-In-Providern auf der Welt
s.o.
- Wer will, könnte immer noch ein VPN mit einem Server in Amerika aufbauen; gerade die Leute, die getroffen werden sollen, nämlich die Nazis, haben in den USA genug Unterstützer, die ihnen dabei sicher gerne helfen.
Tja, dann werden VPNs eben verboten (genauso wie Verschlüsselung übrigens dann sicher auch verboten werden wird oder nur noch mit entsprechendem Hintertürchen erlaubt wird). Aber werden wir uns doch mal klar: Wir können soviel verbieten wie wir wollen - es wird immer einen Weg daran vorbei geben.
Fazit: Die Massnahmen laufen ins Leere, die Regierung macht sich lächerlich. Die Nazis schotten sich ab und gehen in den Untergrund, wodurch sie schwieriger zu kontrollieren sind. Die demokratisch denkenden Menschen unseres Landes fühlen sich bevormundet. Sogar Leute aus der SPD selbst finden ja, daß die BezReg Düsseldorf Aktionismus betreibt: http://www.heise.de/newsticker/data/anw-22.11.01-008/
Exakt. Leidtragender ist wie immer der brave Bürger.
Hat man nicht zumindest als Forscher ein Recht darauf, auch auf "verbotene" Inhalte zuzugreifen, wenn diese Gegenstand von Untersuchungen sind?
Äh ... wie soll man was untersuchen wenn man's nicht sieht ?
Die Bezirksregierung von Düsseldorf sollte aufhören, das Bundesland NRW lächerlich zu machen und statt dessen seine Energien in die Bildung der Bevölkerung investieren, um sie in die Lage zu versetzen, im Internet zu surfen, ohne durch Konfrontation mit Nazi- oder Splatter-Seiten seelisch oder weltanschaulich Schaden zu nehmen und als freie, selbstverantwortliche Bürger im Internet einen Blick auf die ungeschönte, unschöne Realitaet zu werfen.
Dem schließe ich mich voll und ganz an.
Es reicht doch, daß die Bilder im Fernsehen von zig Stellen manipuliert sind - von den Nachrichtenagenturen, von den Journalisten, von der Bildregie - muß denn jetzt auch das Internet so getrimmt werden, daß es der Weltsicht von irgendwem entspricht?
Wenn man mal davon absieht, daß durch die Art der Bilder die die Journalisten zu sehen bekommen (vor allem in Kriegsgebieten) bzw. die vom Militär zur Verfügung gestellt werden eh schon erheblich manipuliert wird.
Ich kann mir gut vorstellen, daß einige Leute jetzt meine Argumentation so lange zerpflücken und interpretieren, bis es ihnen möglich ist, mir irgendwas zu unterstellen - diese Leute tun mir leid, denn sie verstehen nicht, was ich sagen will, weil sie es nicht vestehen wollen bzw. einfach zu blöd sind.
Genau da warte ich auch nur drauf. In meinem Fall ebenfalls.
Ciao,
Harry