Sven Rautenberg: Warum ist ebay so beliebt?

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Moin!

Naja - es ist relativ einfach, einen Account fuer fiktive Personen anzulegen und damit selbst mitzubieten, um den Preis hochzutreiben, oder sich selbst etwas zu verkaufen (kostet natuerlich eBay-Gebuehr, die ist aber relativ gering), um dann gute Bewertungen fuer sich selbst zu generieren.

Eigen-Verkäufe erfordern dann aber relativ viele Fake-Accounts, weil man nur pro unterschiedlichem User einen Bewertungspunkt erhält, nicht pro bewerteter Transaktion. Es nützt also nichts, sich zehnmal selbst etwas zu verkaufen - da kriegt man trotzdem nur einen Punkt für. Man muß dann schon zehn verschiedene Accounts aufmachen.

Und wie weit soll dieses Spielchen gehen? Es ist mengenmäßig doch eher nur begrenzt machbar, gute Bewertungen so zu erschleichen. Verkäufer mit mehreren hundert, tausend oder zehntausend positiven Bewertungen haben das sicherlich nicht getan.

Die Preis-Hochtreiberei kann ebenfalls nur begrenzt ausgenutzt werden - wenn die Käufer überlegt vorgehen. Ich weiß, dass es gerne mal gemacht wird, sei es durch einen eigenen Zweit-Account, oder durch Freunde und Verwandte, die man mal eben kurz um Mithilfe bittet.

Aber es hilft nicht bei informierten Käufern. Ich hatte vor einiger Zeit vor, ein Microdrive zu kaufen. Ich hab zunächst den Markt beobachtet: Wie entwickeln sich bei EBay die Preise.

Im Rennen waren außerdem: Ein Sofort-Kaufen-Angebot für 225 Euro und (vom gleichen Anbieter auf dessen Website, außerdem bestätigt durch Recherche) ein Internet-Shopangebot für 222 Euro - dieser Anbieter wäre interessanterweise in meiner Nähe gewesen, so dass ich Versandkosten gespart hätte.

Die Preise haben sich bei den Auktionen alle in diese Richtung bewegt - manche lagen leicht drüber, andere leicht drunter. Ein Ausreißer war darunter: Zweikampf zwischen Bietern trieb den Preis auf 270 Euro hoch. Ein Angebot ist mir durch meine Abwesenheit zum Auktionsende durch die Lappen gegangen: 180 Euro. Letztendlich kaufte ich für 204 Euro (inkl. Versand). Ein, zwei Monate später erfuhr ich in einem Forum, dass Karstadt das Microdrive für 199 Euro angeboten hat - was natürlich recht schnell ausverkauft war.

Mit anderen Worten: Hätte mich jemand hochbieten wollen, hätte er es nicht geschafft, weil ich von verfügbaren, festpreisigen Angeboten wußte und kaum _noch_ höher geboten hätte, als es der letztendliche Auktionspreis war. Und da das Angebot an Microdrives bei EBay durchaus als hoch bezeichnet werden kann, hätte ich dann einfach auf das nächste Angebot gewartet.

Man koennte sicher mehr tun, als getan wird. Wenn ich mich nicht irre, ist die Annahme von eBay, dass die Leute ihren richtigen Namen und ihre richtige Adresse angeben muessen, weil sie ja sonst nichts kaufen koennen. Wenn man aber einen Account nur zum Betrug beim Verkaufen hat oder um Bewertungen zu manipulieren, zieht diese Logik nicht.

Wer manipulieren will, wird es immer tun können. Auch andere Plattformanbieter sind nicht dagegen geschützt, dass sich zwei echte Menschen untereinander kennen und entsprechens absprechen.

Beschiss funktioniert aber nur bei dummen Leuten (was selbstredend impliziert, dass ich selbst wohl auch dumm bin, wenn man mich bescheißt). Informierte Menschen hingegen haben zumindest die Chance, Beschiß zu erkennen, wenn sie wissen, wie er funktioniert.

Und selbst wenn: Entsteht jemandem ein echter Schaden, wenn ein echter Bieter durch einen falschen Bieter noch weiter hochgetrieben wird?

Und was ist mit der anderen Seite: Irreguläre Käufer? Ein Kollege hat zum Jahreswechsel sein altes Handy verkauft - für immerhin um und bei 130 Euro. Der Käufer meldet sich aber auf EMails hin nicht. Irgendwann tut er es doch und entschuldigt das Ausbleiben einer Reaktion damit, er sei im Urlaub auf den Philippinen gewesen. Daraufhin werden die Zahlungsdaten ausgetauscht. Nur kommt die Zahlung nicht. Wieder zahlreiche EMails, die unbeantwortet bleiben. Schließlich die Aussage, das Geld sei aufgrund eines Zahlendrehers aufs falsche Konto gelangt - und da dieses falsche Konto heftig im Minus sei, rücke die Bank das falsch überwiesene Geld auch nicht wieder heraus. Und das tollste: Es können einem Schüler doch nicht zugemutet werden, für ein Handy zweimal soviel Geld aufzubringen.

Tatsächlich hatte der Käufer nur wenige Minuten vor oder nach Ende der hier beschriebenen Auktion ein identisches Handy ersteigert und mittlerweile für diesen Deal auch seine erste Bewertung erhalten (wahrscheinlich war das zweite Handy später und günstiger ersteigert worden).

Was will man als Verkäufer dagegen tun? Bei EBay melden, damit der Account gesperrt wird? Dann macht der Mensch einen neuen auf. Eine negative Bewertung geben? Dann kriegt man fast sicher eine negative Bewertung zurück - und außerdem ist irgendwann nicht mehr ersichtlich, welches Produkt zu welchem Preis gekauft wurde, sondern nur noch die Zeichenmäßig extrem eingeschränkte kurze Bewertungszeile - eine umfangreiche Darstellung des Vorgangs ist also unmöglich.

Eine andere Story aus Verkäufersicht erzählte ein Freund: Die Höchstbietende hat einfach ihr Gebot zurückgezogen, welches sie erst kurz vor Ende der Auktion abgegeben hatte. Es ging hierbei übrigens um die Wahnsinnige Summe von 1 Euro. Eine Recherche ergab dann, das diese Vorgehensweise offenbar Methode hatte, denn die Zahl der zurückgezogenen Gebote war mindestens so hoch wie die der abgeschlossenen Auktionen. Eine Beschwerde bei EBay führte dann folgerichtig auch zum Sperren des Accounts.

Die User wissen aber, dass die ersten Tage einer Auktion niemals ausschlaggebend sind fuer das Endergebnis, "abgehen" tut es erst gegen Ende. Normalerweise wird darum moeglichst spaet geboten, damit der Preis eben nicht durch gegenseitiges Ueberbieten gesteigert wird. Durch das Bieten in letzter Sekund versucht man auszunutzen, dass das Auktionsende absolut feststeht. Das Wesen der Auktion, dass naemlich solange weitergeboten wird, bis die Schmerzgrenze fuer die Kaeufer erreicht ist, wird so IMHO ausgehebelt.

Wenn man für ein Produkt die Summe X bietet, muß man davon ausgehen, dass man diese Summe zahlt. Jedes Abweichen davon nach unten bedeutet gespartes Geld. Ein kühler Kopf beim Bieten bewahrt vor überteuerten "Schnäppchen".

Im Prinzip ist EBay freie Marktwirtschaft in Reinkultur. Die Marktteilnehmer können sich wirklich umfassend über den Markt und dessen Preise informieren - einerseits durch anderweitige Recherche im Internet und der realen Welt über die Preislage dort, und andererseits innerhalb von EBay selbst. Die meisten Produkte werden mehrfach von unterschiedlichen Anbietern eingestellt, man hat also die Auswahl und erhält durch Beobachtung ablaufender Auktionen ein gutes Bild für die derzeitigen Marktpreise.

Anhand dieser Informationen kann man sich im Prinzip einen Preis ausdenken, den man, aus welchen Beweggründen auch immer, zu bieten bereit ist.

Zugegeben: Der Zeitpunkt des Gebotes ist nicht vollkommen uninteressant. Eine noch 8 Tage laufende Auktion gleich mit seinem Höchstgebot zu vereinnahmen wird wahrscheinlich nicht erfolgreich sein - andere Bieter, die sich "rantasten" wollen, werden frustriert feststellen, dass dort schon jemand sehr hoch geboten hat, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass während der Laufzeit der eigene Preis letztendlich überschritten wird. Dann hat man eben Pech gehabt, aber keinesfalls mehr ausgegeben, als man wollte.

Wenn man die Abgabe des eigenen Gebots hin zum Ende der Auktion verzögert, wird ein Überbieten aber nicht zwingend unwahrscheinlicher, denn desto eher ist damit zu rechnen, dass andere Bieter ähnlich vorgehen, und dass die dann höhere Gebote abgeben.

Dagegenhalten ist teuer - abwarten nicht.

Insofern ist EBay eigentlich nur vorzuwerfen, dass sie für die Information der Benutzer, wie man sinnvollerweise vorgeht, nicht besonders viel tun. Ich hätte beispielsweise schon gern einige Male eine Auktion mit bissigen Worten kommentiert (beispielsweise die 270-Euro-Microdrive-Aktion - ich bin heute noch fassungslos).

Aus irgendeinem Grund aber wird fuer Sachen mit hohem Mindestpreis weniger oft geboten als fuer Sachen mit geringem Mindestpreis. Wenn aber Leute erstmal "dabei" sind, zu steigern, dann steigern sie meist auch weiter, waehrend sie sich fuer Artikel mit hohem Mindestpreis erst gar nicht begeistern.

Diese Beobachtung stimmt. Und auch eine weitere Beobachtung stimmt: Es gibt "heiße Zeiten" und "kalte Zeiten" bei Auktionen - also Zeiten, in denen man fast sicher sein kann, dass man noch irgendwie überboten wird, weil viele Teilnehmer aktiv sind (beispielsweise ist Wochentags abends und nachmittags bis abends am Wochenende viel los), bzw. in denen man auch Stunden vorher schon sein Gebot abgeben kann, weil eine "Gegenwehr" kaum zu vermuten ist (beispielsweise früh bis vormittags am Wochenende sowie extrem nachts).

Ein hoher Mindestpreis, der dadurch unattraktiv wirkt, kann aber in der Tat für informierte Käufer sehr interessant sein. Auch dumme Käufer beobachten den Markt - blenden unattraktive Startpreise aber offenbar aus ihrer Suchliste aus. Wenn die Marktpreise aber tendentiell über dem hohen Startpreis liegen, kann man auf diese Weise durchaus ein Schnäppchen wegen Desinteresse machen.

- Sven Rautenberg

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