Moin!
Mit der Bewerbung habe ich mir Mühe gegeben, die Fakten in ein meiner Meinung (und auch der meiner Freunde/Bekannte) ansprechendes aber nicht aufdringliches oder schräges Layout verpackt. Leider ohne Erfolg! Entweder Standardabsagen oder was fast noch schlimmer ist, gar keine Reaktion. Nicht mal ein kurzer Brief, eine Mail oder ein Anruf. Nichts! Da zweifelt man doch an sich selbst und fragt sich, was man denn bloß falsch gemacht hat...
Vermutlich hast du selbst gar nichts falsch gemacht - außer vielleicht den falschen Firmen geschrieben. Tatsache ist, dass derzeit der Bedarf an Arbeitskräften wohl eher gering ist. Die Auftragslage ist mies und deckt gerade mal so die Kosten - da bindet man sich nicht noch einen Azubi ans Bein, jedenfalls bei kleineren Firmen.
Und bei größeren Firmen wollen dann logischerweise alle anfangen - da ist es also überlaufen.
Meiner Erfahrung nach haben die Firmen selbst für Ausbildungsplätze sehr hohe Anforderungen. Ich meine nicht unbedingt nur schulische, sondern Kenntnisse, die man ja eigentlich erst durch die Ausbildung erlangen will.
Das würde ich nicht sagen. Natürlich hilft es einem Bewerber, wenn er gewisse Vorkenntnisse hat, weil man die dann nicht erst zeitaufwendig vermitteln muß. Du dürftest keinerlei Chancen haben, wenn du nicht schon einmal an einem Computer gesessen und damit gearbeitet hast - leuchtet sicherlich ein.
Ansonsten würde ich behaupten, haben viele Firmen einfach keine Lust - und keine Zeit - für eine Ausbildungsstelle. Denn damit das auch für den Auszubildenden was bringt, braucht man eine passende Betreuung, sinnvolle Arbeitsaufgaben und logischerweise dafür auch Geld, um das zu finanzieren. Und irgendeine Aussicht, dass sich diese Investition für das Unternehmen auch irgendwie lohnt.
Und genau diese Punkte sind es, die derzeit Schwierigkeiten bereiten. Das Personal wird abgebaut, die die übrigbleiben, müssen die verbliebene Arbeit schaffen. Da geht es sicher schneller, einen Job selbst zu machen, als den Azubi anzulernen, ihm dabei alles zu erklären, und hinterher ein möglicherweise schlechteres Arbeitsergebnis zu erhalten. Also sieht es schlecht um die Betreuung und die Arbeitsaufgaben aus.
Das Geld ist logischerweise auch kaum vorhanden, und eine Ausbildung lohnt sich für die Unternehmen offenbar auch nicht - wenn sie Arbeitskräfte benötigen, stehen auf dem Arbeitsmarkt genügend Talente zur Verfügung, die nach dem Platzen der Dot-Com-Blase auf die Straße gesetzt wurden. Das Arbeitsamt tut seinen Teil dazu, diese Situation noch zu verschlechtern, indem zahlreiche Arbeitslose in Richtung Computer/Internet/Digitalmedien umgeschult werden.
Mit anderen Worten: Du hast keine Chance - nutze sie.
Das ist zugegeben sehr schwarzgemalt. Deshalb hast du es aber in der Realität nicht unbedingt leichter.
Deine Taktik ist doch schon sehr gut gewesen: Eigeninitiative hast du gezeigt, indem du selbst recherchiert hast, wer überhaupt ausbildet. Das spart schonmal massenhaft Porto für ansonsten sinnlose Bewerbungen, die direkt in den Müll wandern würden.
Jetzt hast du 20 Bewerbungen losgeschickt. Prima. Dass du nachfassen solltest, wie die einzelnen Betriebe in der Entscheidungsfindung vorangekommen sind, wurde schon gesagt. Mach das telefonisch, aber nicht zu häufig, sonst nervt es auch wieder - wobei eine gewisse Hartnäckigkeit durchaus nicht schlecht sein muß. Aber _mach_ es. Wenn du für den Verbleib deiner Bewerbung kein Interesse zeigst, machst du nicht auf dich aufmerksam. Die Zeiten sind hart - sei auch hart. Wenn du aufgibst, kriegst du jedenfalls keinen Ausbildungsplatz.
Und sei auch irgendwo flexibel. Ja, ich weiß, dass es dumm klingt, aber gibt es nicht noch andere Ausbildungsgänge, die dich interessieren könnten? Keine Entscheidung ist für die Ewigkeit gemacht. Wenn du jetzt erstmal eine Ausbildung machst, könntest du hinterher immer noch das Passende studieren (was dir dann mit Sicherheit auch schneller gelingen wird aufgrund höherer Lebenserfahrung), oder dich mit einer ungefähr passenden Ausbildung (oder auch mit einer vollkommen anderen Ausbildung) versuchen, hinterher doch noch in deinem angestrebten Beruf breitzumachen. Quereinsteiger gibt es überall, in den Digitalmedien noch mehr als anderswo. Denk also mal drüber nach, auch Alternativen zu verfolgen.
Das Argument "Mit Abi bist du zu gut für eine Ausbildung" ist übrigens nicht ganz von der Hand zu weisen. Das wird durchaus bei vielen Betrieben eine Rolle spielen. Denn eine Ausbildung kostet eine Menge Geld, das hinterher vom Ausgebildeten durch Mitarbeit im Betrieb wieder hereingebracht werden sollte. Und Realschüler studieren deutlich weniger häufig als Abiturienten (gerüchteweise studieren Realschüler eigentlich gar nicht, also wäre der einzige Grund, nach der Ausbildung wegzugehen der, dass anderswo ein interessanterer, besser bezahlter, oder näher an der Wohnung gelegener Job gefunden wurde - oder dass der Mensch das Abitur oder Fachhochschulreife noch nachholt, um dann zu studieren).
- Sven Rautenberg
"Bei einer Geschichte gibt es immer vier Seiten: Deine Seite, ihre Seite, die Wahrheit und das, was wirklich passiert ist." (Rousseau)