Hallo Mathias,
Was meinst Du, wieviele Kinder und Jugendliche mit der einfachen Aufgabe überfordert sind, ein einmal gelerntes Schema, sagen wir etwa einen Dreisatz, ein grammatisches Phänomen oder die Analyse einer Statistik auf andere Beispiele zu übertragen.
das ist mir bekannt. Ich meine aber, es liegt daran, daß es so selten gemacht wird und vor allem der Sinn fehlt. Mein Plädoyer geht ja immer zur Praxis hin: wenn Schüler z.B. ihre Klassenräume selbst streichen würden, würden sie nicht nur handwerklich etwas dazulernen, sondern könnten auch per Dreisatz ausrechnen, wieviel Farbe sie denn brauchen und was das kosten wird.
Wenn man die real exisitierende Bildungskatastrophe immer weiter den Lehrern in die Schuhe schiebt, wird sich nie etwas ändern.
war auch nicht mein Anliegen, nur den Lehrern alles "in die Schuhe zu schieben". Hab mich da wohl ungeschickt ausgedrückt. Aber die Lehrer vertreten immerhin dieses System und viele richten sich darin ganz bequem ein. Man darf nicht vergessen, daß gerade in den Kollegien Veränderungen besonders hin zu Verantwortung hartnäckig bekämpft werden. Es ist halt bequem, so wie es war und sich auf die Lehrpläne zu berufen und daß man ja nicht anders könne.
Ich meine wirklich, daß man auch die Lehrer bei ihrer Verantwortung packen muß, ohne ihnen alles in die Schuhe schieben zu wollen. Es ist ja bekanntermaßen für Lehrer nicht attraktiv, attraktiven Unterricht zu machen - wird immer wieder beklagt. Wer den Schulgarten mit Schülern beackert, wer Theater spielt oder einen Chor leitet, wer Spielgerüste für den Schulhof mit Schülern baut... tut dies quasi in seiner Freizeit - also in der Zeit in der die "schlauen" Lehrer längst im Straßencafe sizten. Wenn wir nicht dahinkommen, daß diese praktischen Tätigkeiten als integraler Unterrichtsbestandteil ernstgenommen werden, also als "Bildung" gelten, dann werden wir die Unlust der Schüler auch nicht wegkriegen. Du siehst doch die Reaktion der Neuntklässler hier: "der Test wird nicht benotet, fein" - dann zählt das eben auch nicht. Die sehen einfach keinen Sinn in dem, was sie dort tun. Das Ziel der meisten Schüler sind (wenn überhaupt) gute Noten, nicht Kenntnisse und Fähigkeiten, denn diese werden nicht belohnt und in der Schule auch nicht gebraucht.
Immer mehr Stunden, immer schwierigere Schüler, Schule macht oft keinen Spaß mehr.
ist wohl richtig. Und wenn es anders laufen würde und denn Schülern ein Sinn im Lernen vermittelt würde und sie _gefragt_ würden, was sie brauchen, wäre es sicherlich anders. Ich bin da nicht so mißtrauisch, daß die Schüler dann nur z.B. Ballerspiele am Computer machen wollen. Die meisten _wollen_ etwas lernen, um etwas zu _können_. Zumindest ist das in der Grundschule noch so. Das wird einem halt systematisch ausgetrieben, indem dieses echte Interesse regelmäßig in den Schmutz getreten wird. Man soll eben das antworten, was in der Klausur vorgesehen ist und nicht das fragen, was einen interessiert. Diese Nachfrager werden als "Störer" diffamiert.
Die Institution Schule steht unter vehementem Druck von außen, ohne über die Mittel zu verfügen, wirklich etwas zu verändern.
richtigrichtig. Und trotzdem ist es nicht _nur_ das Geld. Wer sich heute weigert in Mathe Alltagsprobleme der Schüler zu berechnen, wird es auch morgen mit doppeltem Budget nicht tun.
Da ist der soziale Abrock in den Großstädten, da sind die ausländischen Schüler mit zum Teil mangelhaften Sprachkenntnissen, zum Teil aus bildungsfeindlichen Familien, da sind die schlechten Chancen für Kinder, die nicht stromlinienförmig funktionieren, da gibt es Suff und Sozialhilfe...
kenne ich, ich entstamme selbst diesem Millieu :-) Eben deshalb bin ich auch zornig darüber, daß die Schule diese Chancenungleichheit nicht ausgleicht.
Hier wird an anderer Stelle lapidar über Arbeitszeitverlängerung debattiert, als wenn nicht klar wäre, dass das zunächst mal sofort weitere Arbeitslose produzieren würde.
da sind wir ja aus anderen Diskussionen bereits einig :-) Natürlich bräuchten wir auch mehr Lehrer. Das würde allerdings nichts nützen, wenn sie die gleiche Mentalität, wie der heutige Durchschnittsbeamte haben.
http://www.taz.de/pt/2004/11/03/a0213.nf/text
Das Interview ist wohlgemerkt mit einem Kenner der Szene, einem Lehrerausbilder.
Ich empfinde den herrlichen Konsens in der Sozialpolitik als völlig daneben und zerstörerisch.
gehe ich ja mit Dir einher. Ist immer interessant, mit Dir abzuschweifen ;-)
Gruß, Andreas
SELFFORUM - hier werden Sie geholfen,
auch in Fragen zu richtiges Deutsch