Richard Rüfenacht: Kapitalismuskritik

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Hallo Mathias,

Zumindest scheint es schwer möglich zu sein, Bedingungen anzugeben, unter denen ein Verfahren als gescheitert gelten soll. 5 Millionen Arbeitslose und eine steigende Staatsverschuldung, eine zweifelhafte Zukunft der Sozialsysteme, stagnierende Wirtschaftsdaten scheinen jedenfalls keine Argumente zu sein.

Es gibt aber auch keine Vorstellungen und Angaben darüber, wie viele Arbeitlose es geben darf, welche Staatsverschuldung verkraftet werden kann usw. Von keiner politschen Partei oder Interessensgruppe! Einfach über zuviele Arbeitslose und zu hohe Staatsverschuldung zu jammern, verunmöglicht doch jeden Lösungsansatz.

Schwierige These. Sicher, als Prinzip des Ökonomischen war es auch für Marx durchaus unverdächtig. Dass daraus unter den bestehenden Eigentumsverhältnissen notwendig bestimmte Denkweisen entstehen, scheint mir dennoch eine Marxsche Kernthese zu sein.

Marx war ein brillianter analytischer Denker. Davon könnten viele Theoretiker lernen, gerade auch von seinen Fehleinschätzungen der logischen Entwicklung menschlicher Gesellschaften. Abseits kommunistischer Ideologien, liegt da ein beachtliches geistiges Potential für eine positive Kapitalismus Kritik brach. Josef Ackermann könnte ja auch sagen, die Deutsche Bank handle in Zukunft viel menschlicher, weil sie 7000 Menschen weniger ausbeuten werde. Es ist doch ein prinzipiell ungelöstes Dilemma, einmal wird den Managern (verstanden als Kapitalisten) vorgeworfen, sie würden rücksichtslos Menschen ausbeuten, andererseits sollen sie (als gute Menschen) Arbeitsplätze schaffen.

Es fehlen vielleicht Konzepte/Probleme/Wirschaftsbereiche, die hohe Investitionen gewinnversprechend erscheinen lässt.

Das industrielle Denken ist sehr konservativ und orientiert sich am Eisenbahnbau, der Elektrifizierung, dem Auto, dem Festnetztelefon und vielleicht noch dem Fernsehen. Obwohl etwa der Computer, die Robotik und die mobile Telefonie wirtschaftlich mindestens so bedeutend sind, werden die schon gar nicht mehr in diesem Sinne wahrgenommen. Vermutlich weil mit ihnen erstmals ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen verbunden ist. Investiert wird vom einzelnen Anleger immer weniger gezielt in Zukunftsbranchen an denen er irgendwie ein Interesse hat. Er investiert in Fonds mit der Folge, dass nicht mehr die Dividende interessiert, sondern nur noch der Aktienkurs. Davon hängt dann ab, ob für ein Unternehmen die Kapitalbeschaffung teuer oder billig ist.

Nach langen Jahrzehnten keynesianistischer Glaubensbekenntnisse, quer durch alle Parteien scheint sich das neoliberale Credo durchgesetzt zu haben. Dass dies aufgrund von Erfahrungen geschehen sein soll, wage ich zu bezweifeln, das Modell zieht seinen Erfolg eher aus Interessen bestimmter Wirtschaftskreise.

Aus Erfahrung wohl nicht, eher aus Verzweiflung. Das krankhafte Klammern an irgendwelche Modelle ist immer Eingeständnis der eigenen Unfähikeit, Lösungen anbieten zu können. Unabhängig von der Frage, ob nach Keynes zu handeln sinnvoll ist, würde der Stabiltätspackt es doch gar nicht erlauben. Hat Deutschland schliesslich so gewollt.

Für die Multis schien vielleicht eine globale Liberalisierung als Königsweg, weitere Märkte und Spielfelder zu gewinnen.

Ich frage mich oft, ob Multis nicht einfach eine Antwort auf nationale Egoismen sind. Deutsche Autos für Deutsche, französische für Franzosen ... abweichende Wünsche werden durch Sondervorschriften teuer. Diese Problem können eigentlich nur multinationale Konzerne beherrschen. Maggi oder Alete werden in Deutschland überwiegend als deutsch wahrgenommen, das ist Teil der Marktstrategie.

Der zweite Arbeitsmarkt in Deutschland hatte ein vergleichbares Problem: Grundkonsens schien hier zu sein, dass in keinem Fall etwas Nützliches finanziert werden dürfte. Vielleicht ein Ansatz zum Umdenken?

Ich finde, der Ansatz ist schlecht durchdacht. Irgenwie geht es dabei eher um Straf- oder Disziplinierungsmassnahmen. Der Staat müsste Tätigkeiten ausweisen, welche anders nicht gemacht würden, was mir aber schwierig erscheint, jedenfalls in grösserem Umfange. Der regionale Bauunternehmer konnte mal aufgrund persönlicher Beziehungen jemand einstellen und sagen, er werde für ihn schon Arbeit finden. Diese informellen Netzwerke sollten gestärkt werden. Wie könnte dafür gesorgt werden, dass Arbeitslose nicht davon ausgeschlossen werden?

Hier fehlen der Steuerpolitik Know How und Personal, vor allem aber übernationale Vereinbarungen.

Gerade die neuen EU-Länder bestehen aber darauf, mit Steuervorteilen Investoren anzulocken. Wie erfolgreich das sein kann, hat Irland vorgemacht. Deutschland selbst ist aber dabei alles andere als zurückhaltend.

Gerade zur Zeit wird der Markt für freie Bildungsträger politisch massiv unter Druck gesetzt

Mir bietet da ein deutscher eLearning-Produzent dauernd Seminare an, wie an die Subventionstöpfe in Brüssel heranzukommen ist. Ein florierendes Geschäft ... für den Seminaranbieter ;-)

Auch die aktuellen pädagogischen Moden werden die Probleme nicht lösen, vielleicht, so könnte man zynisch sagen, ist das Problem weder mit Geld noch mit Lehrerstellen zu knacken. Es fehlt vielen Jugendlichen einfach an Perspektiven, an Durchhaltevermögen, an Rückhalt in den Familien.

Den Erwachsen angeblich erst recht. Meine Antwort: Es gibt keine unfähigen Schüler, nur unfähige Lehrer! Oder: Selbst dem fähigsten Lehrer gelingt es auf die Dauer nicht, jeden Schüler am Lernen zu hindern. Ich habe noch niemand getroffen, der prinzipelle nicht bereit ist zu lernen und sich dafür auch anzustrengen. Es gibt aber auch selten einen Lehrer, der schlüssig und einleuchtend begründen kann, warum es wichtig ist zu wissen, wie der deutsche Bundespräsident heisst, wieviel 3% von 79,-- Euro ist oder an welchem Fluss Köln liegt.

Vielleicht müsste man wirklich solche positiven Beispiele stärker ins Bewusstsein rücken.

Ja, und sich daran orientieren. Bekanntlich ist das Gals weder halb voll, noch halb leer, es hat einfach zu wenig Inhalt für seine Grösse ;-)

Beste Grüsse
Richard

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Kapitalismuskritik

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