Richard Rüfenacht: Triviale Maschinen - selbstreferentielle Maschinen

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Hallo Mathias,

Wie meinst Du das? Ich verstehe hier nicht, in welchem Sinne Du den Begriff "Konstruktivismus" verwendest.

Im Sinne der philosophischen Glaubensrichtung des "Konstruktivismus".

Das unterstellt die Systemtheorie auch nicht. Die Schüler bleiben biologisch Menschen, systemtheoretisch Bewusstseinssysteme und somit Systemumwelt und für das System Personen, also definierte Elemente eines Systems, hier des Schulsystems.

Die Schwierigkeit bei der systemtheoretischen Betrachtungsweise ist aber gerade das jeweilige Abgrenzen von System und Systemumwelt. Damit wird Komplexität reduziert um den Preis einer Verfremdung der Wirklichkeit. Die gewonnenen Erkenntnisse sind dann von der jeweils gewählten Systemabgrenzung abhängig. Die Familienverhältnisse eines Schülers können einmal Teil des betrachteten Systems sein, einmal aber der Systemumwelt angehören, das kann nunmal nicht ohne Einfluss auf die gewonnene Erkenntnis bleiben.

In der Unterrichtsinteraktion findet immer mehr statt als das triviale Frage-Antwort oder Aufgabe-Lösungsspiel und tatsächlich gibt es schon auf dieser Ebene Komplikationen. Unterricht bleibt Interaktion, produziert über den Unterricht hinaus Informationsüberschüsse. Der Lehrer weiß/vermutet über jeden Schüler mehr als jemals im Unterricht zur Sprache kommt, die Schüler sehen/wissen mehr vom Lehrer als kommuniziert wird.

Volle Zustimmung. Aber gerade dieser Umstand ist mit den Methoden der Systemtheorie so schwer erfassbar. Wird er in die Systemumwelt verbannt, wird er aus der Betrachtung ausgeklammert, bleibt er im System, wird dieses zu komplex.

Um es simpel und modellhaft zu sagen: Der Schüler, der trivial antwortet, löscht damit nicht die internen Selbstbeschreibungen, er übergeht sie aufgrund des Lernprozesses, was von ihm verlangt wird und welche Gratifikationen es dafür gibt.

Eigentlich ist das der Kern der Sache. Und die Frage ist, inwieweit hier die Unterscheidung zwischen trivialen und nichttrivialen Maschinen eine Hilfe bieten kann. Ich meine keine nennenswerte, würde mich aber ganz gern vom Gegenteil überzeugen lassen.

Die Systemtheorie legt den Finger in diese Wunde, aber nicht aus der Perspektive des Kritikers, der bestehende Zustände ändern will, sondern aus der Perspektive des Beobachters, der Mechanismen nachgeht.

Das ist wohl der wesentlichste Punkt meiner Kritik. Zunächst einmal ist die Funktion eines aussenstehenden, neutralen, sachlichen Beobachters sehr fragwürdig und eigentlich unerfüllbar. Bezüglich der Unterscheidung zwischen trivialen und nichttrivialen Maschinen kommt indes eine weitere gravierende Unklarheit hinzu. Die nichttriviale Maschine gehört der Kybernetik 2. Ordnung an (nach Heinz von Foerster), deren Kennzeichen es aber ist, dass der Beobachter in das System einbezogen wird. Es handelt sich also nicht mehr um ein _beobachtetes_, sondern um ein _beobachtendes_ System. Mir ist reichlich unklar, wie ein Beobachter zugleich sachlich und neutral beobachten und gleichzeitig funktionaler Teil des Systems sein kann.

Wenn im Berufs- und sonstigen Leben von Menschen verlangt wird, wie triviale Maschinen zu funktionieren, wird dies ja nicht durch die Schule verursacht. Im Gegenteil könnte gefordert werden, die Schule solle darauf vorbereiten.
Luhmann würde genau dies als "heimlichen Lehrplan" bezeichnen.

Ich auch. In dem er aber aufgedeckt wird, verliert er seine Heimlichkeit und wird für Schüler _und_ Lehrer einsichtig.

Dabei lassen sich die Beziehungen zwischen System aber nicht auf einfache Ursache-Wirkungsschemata reduzieren, weil jedes komplexe System gezwungen ist, auf Änderungen in der Umwelt durch eigene Strukturbildung oder Systemmechanismen zu reagieren.

Die machen einfach was sie wollen, diese bösen Systeme ;-) ... welche Vorhersagen und welche Einflussnahmen sind möglich? Ansonsten bleibt nur das Handeln nach Versuch und Irrtum und genau das will doch die Systemtheorie eigentlich vermeiden. Wenn die Schule als System in Beziehung zu anderen Systemen und innerhalb von umfassenden Umsystemen verstanden wird, funktioniert das mit dem kausalen Denken der Pädagogik nicht mehr, was dann zunächst einmal verkraftet werden muss.

Schreib doch mal ein paar Zeilen über die GPI und was Du dort machst.

Die GPI wurde vor 40 Jahren als "Gesellschaft für Programmierte Instruktion" gegründet. Später wurde sie in "Gesellschaft für Pädagogik und Information" umbenannt. Selbst bezeichnet sie sich als "wissenschaftliche Fachgesellschaft für Multimedia, Mediendidaktik und Bildungstechnologie" und betreibt in Berlin das IB&M Institut für Bildung und Medien, das sich selbst aus Projektmitteln finanziert. Ich war in den Anfangsjahren ziemlich aktiv vor allem im Arbeitskreis "Programmierte Instruktion in der Wirtschaft".

Beste Grüsse
Richard

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Triviale Maschinen - selbstreferentielle Maschinen

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