Hi Orlando,
[…] Auch die biochemischen Mikroprozesse funktionieren vielleicht nach dem Prinzip der trivialen Maschine, ähnlich wie die Programmzeilen beim Rechner.
Ja. Das menschliche Gehirn (Nervensystem) ist nichts anderes als ein relativ komplexes System, das bei vollständiger Abbildung und ausreichender Rechenzeit vorhersagbar sein müsste. Insofern wären der freie Wille, der Geist bzw. „das Ich“ eine nette Illusion.
Laut Systembegriff liegst Du falsch, da Systeme laut Theorie über Techniken verfügen, Kontingenz zu produzieren. Dein Denkmodell läuft eher
- auf eine Maschinenmetapher hinaus,
ergänzt um eine sehr prinzipielle
- deterministische Idee von der Funktion psychischer Systeme aufgrund der Naturgesetze, die für ihre Bauteile gelten.
So ist es aus Deiner Sicht nur eine Frage der Zeit, bis man allen Anschein von Freiheit als verdeckte Naturnotwendigkeit enttarnen könnte. Dabei vergisst Du vielleicht, dass auch die Maschinenmetapher nur ein vielleicht zu simples Modell darstellt.
Ich habe inzwischen einiges gelesen und auch in der modernen Naturwissenschaft, vor allem in der Hirnforschung findest Du durchaus Argumente für beide Positionen vertreten. Ich lege da am Wochenende nochmal nach. Die Kantische Position, die Fabian ja bereits in wesentlichen Aspekten dargestellt hat, findet sich dabei auch in den Texten aus der aktuellen Forschung wieder. Mir scheinen zur Zeit für psychische und soziale Systeme systemtheoretische Überlegungen interessanter zu sein.
Nein, die digitale Welt kennt abgesehen von Fehlfunktionen keinen Zufall.
Aber durchuas Versuche, ihn herzustellen oder ihm auf die Spur zu kommen.
In der sozialen Kommunikation gibt es offensichtlich trotz der zugrundeliegenden chemischen und physikalischen Prozesse Momente von Unberechenbarkeit.
Trotz oder wegen ihnen?
Ich lese mich da momentan erst ein, denke aber, dass es zumindest zur Zeit nicht möglich ist, konkrete Erfahrungen von Kontingenz auf die letzten Mikrostrukturen zurückzuführen. Die Diskussion erscheint mir noch offen zu sein.
Systemtheoretisch wird Kontingenz regelrecht produziert durch die Koppelung komplexer Systeme, die jeweils die Kommunikation nicht gradlinig durch einen vorhersehbaren Output verarbeiten, sondern auf komplexe Weise mögliche Reaktionen des anderen zu antizipieren versuchen. Ein interessanter Weg, Zukunft zu produzieren, ist dabei das Mittel paradoxer Kommunikation, etwa wenn in einem System zwei gegensätzliche Prinzipien immer wieder auf neue Weise zusammengeführt werden.
- Beide Systeme wissen, dass dies wechselseitig geschieht.
Nein, von „Wissen“ würde ich nicht sprechen, das setzte ein Bewusstsein voraus.
Ja, mein Ausgangspunkt waren Untersuchungen zu sozialen und psychischen Systemen. Tatsächlich scheint mir auch der Begriff "Bewusstsein" in seiner Bedeutung bis heute nicht letztgültig analysiert zu sein.
Gibt es besondere Gegebenheiten, in denen der Computer als nichttriviale Maschine reagiert?
Meiner Meinung nach nicht. Alles ist trivial.
Die Frage ist, ob das theoretisch nicht auch für menschliche Kommunikation gelten müsste.
Bei all dem, was das Gehirn während einer Unterhaltung zu leisten hat kann es schon zu Fehlern kommen, keine Frage.
Fehler wären nach deinem sehr prinzipiellen Ansatz aber bauartbedingte, logische Produkte der Maschinerie, die nur unvorhergesehen sind, weil die Maschine nicht bis ins letzte Detail analysiert ist.
Viele Grüße
Mathias Bigge