Hi dey,
Es geht mir darum, dass das "die Spiele sind nicht schuld" hier genauso naiv und pauschal vertreten wird, wie es die Politiker umgekehrt tun.
Das sehe ich genauso. Viele zocken halt selbst.
Es wird keine sachliche Diskussion darüber geführt!
Das stimmt nicht. Ich habe anlässlich der Erfurt-Ereignisse intensiv recherchiert und schon damals gab es diverse Forschungsprojekte und Expertendebatten zum Thema, durchaus mit Fakten unterlegt, und eine weite Debatte in den Medien.
Mein - sehr persönlicher - Eindruck war damals, dass unabhängige Wissenschaftler den Einfluss von Ballerspielen auf Kinder eher negativ sahen und durchaus Argumente für eine Wirkung auf Täter in den Bereichen Körperverletzung usw. sahen.
Man sollte nicht vergessen, dass es bei der ganzen Debatte um Geld geht. Die Kritik der Experten erfasste dabei ja nicht nur das Genre der Computerspiele, sondern die alltägliche Gewalt im Fernsehen und in Filmen, mit denen die Kinder konfrontiert werden, täglich, in vielen Familien stundenlang jeden Tag.
Tatsächlich sollte man die Wirkung von Spielen m.E. aber auch nicht überschätzen. Viel massiver wirkt die Veränderung der gesellschaftlichen Realitäten auf die Kinder. Schon im zweiten Schuljahr wird ängstlich auf die Möglichkeiten geschielt, für welche Schulform es reicht. Schon Real- oder Gesamtschule erzeugen bie Mutti massive Ängste, ein Hauptschulbesuch wird heute als moderne Form der Lepraklapper wahrgenommen.
Nur die Leistung zählt, sonst bist Du nichts und schon bei 6-jährigen fürchten die Eltern eine Zukunft mit Hartz IV, ich meine jetzt die Sozialleistungen, nicht die Rumhurerei auf Firmenkosten. Das würde Mutti zur Not noch hinnehmen.
Das Gefühl, Klasse 2b sei im Stoff hinter dem Lehrplan zurück, erzeugt heute eine regelrechte Panikstimmung und in der Folge Ausgrenzungswünsche gegenüber den leistungsschwächeren Kindern in der Klasse.
"Junge, wenn Du nicht einmal die Realschule schaffst, dann wirst Du ein NICHTS", könnte Pappi in Emsdetten zu verstehen gegeben haben, in Worten oder implizit, und das sogarin bester Absicht. Und hat er nicht Recht, zumindest aus der Sicht weiter Kreise unserer Insel der Seligen namens Deutschland.
Stellt euch vor, Helmut Kohl hätte 1989 Hartz IV versprochen statt "blühender Landschaften"... Wir brauchen Perspektiven für unsere Jugendlichen und zwar gerade für die "Versager", die "Leistungsschwachen", die Abgeschriebenen, Ausgebuchten. Es werden einfach zu viele Kinder ausgegrenzt, viele schon im Grundschulalter und zwar von Eltern, Mitschülern und der ehrenwerten Gesellschaft der zukünftigen Arbeitgeber. "Nicht ausbildungsfähig." Stempel drauf. Fertig.
Und was das Dramatische ist: Auf diese Weise produziert man Menschen, für die das auch noch augenscheinlich stimmt, die jede Chance wegwerfen, die wenig können, die nicht mehr lernen wollen, denen jedes Selbstbewusstsein fehlt. "Der kann nie im Leben einen verantwortungsvollen Job ausfüllen", heißt es dann fröhlich, ja, und es stimmt.
Das bisschen Blabla der Medienfuzzis und der Politik sollte man da nicht allzu ernst nehmen, eine wirkliche Wende auf dem Terrain wäre wirklich aufwändig und teuer. Ansätze und Ideen gibt es genug, aber das kostet, nicht nur Staatsknete, sonder nauch in Form von Verpflichtungen für die Privatwirtschaft, etwa im Bereich der Ausbildung.
Dein weltverbessernder Vorschlag ist da schon näher an einer sinvollen Diskussion (was auch an der Anzahl der Anworten zu sehen ist) aber du vergleichst hier ja auch eine vergleichsweise preiswerte und einfach umzusetzende Massnahme (Verbot) mit teuren und deutlich schwieriger umzusetzenden Lösungen (Kinderbetreuung, etc.).
Die Richtung stimmt jedenfalls. Obwohl es mir nicht eine Sekunde Leid tun würde, wenn man den Medienkosum unserer Kleinen einschränken würde und die Ballerspiele/Gewaltfilme versuchsweise als jugendgefährdend einstufen würde.
Viele Grüße
Mathias Bigge