Lieber Roland,
Ja. Wir leben allerdings nicht in einem solchen System. Nichts gegen visionäres Denken, aber die Unvereinbarkeit idealisierter Vorstellungen mit den gegebenen Verhältnissen muss man aufzeigen und das betonkopfartige Anrennen gegen die Windmühlen innerhalb dieses Systems kritisieren. Es ist ja nichts Neues, dass Lehrer ungerecht urteilen, freie Geister schikanieren und Schwache aufgeben. So weit ich das eruieren konnte gleichen meine Erfahrungen hier weitgehend denen meiner Eltern. Die völlige Überraschtheit und Unfähigkeit mancher Eltern, damit umzugehen ist mir unverständlich. Dafür muss man früher selbst vor der Realität abgeschirmt worden sein.
Nein. Ich beschreibe den gangbaren Weg innerhalb des existierenden Systems. Gültigkeit hat dieser, solange keine gravierenden Veränderungen stattfinden. [...]
Wenn wir nicht wagen, etwas anderes zu denken als das, was schon zu unserer Schulzeit gang und gäbe war, wird es keine Veränderung geben. Ich finde aber, dass jeder vernünftige Mensch eine Veränderung wünschen sollte. Und es muß endlich Schluß damit sein, das "Versagen", so denn überhaupt eines stattfindet, irgendjemandem anzulasten - vor allen Dingen darf es den Schülern nicht mehr angelastet werden, die werden in dieses System hineingezwungen, es gibt keine Alternative. Wie es in Österreich aussieht, weiß ich nicht, in Deutschland gibt es eine Schulpflicht - du _mußt_ dein Kind also in die Schule schicken, selbst wenn du in der Lage wärest, es zuhause selbst zu unterrichten.
[...] Die skandinavische Bildungspolitik ist für mich das Wolkenkuckucksheim enttäuschter Eltern. Über die dortige Steuerlast will ich gar nicht erst nachdenken müssen.
Achja, Bildung ist so teuer, gelle? Mal abgesehen davon, dass man für den ersten Satz dieser Bemerkung die Ernsthaftigkeit deines Diskussionswillens aufgrund von Polemik und Provokation ohne weiteres in Zweifel ziehen kann, fürchte ich, dass du dich mit Bildungspolitik so beschäftigst, wie man sich eben mit etwas beschäftigt, was zwar da ist, einen aber nichts angeht.
Die skandinavische Bildungspolitik ist auf jeden Fall betrachtenswert, denn diese Länder, vor allem Finnland, sind auf diesem Sektor außerordentlich erfolgreich. Natürlich muß jeder verantwortungsbewußte Mensch, der mit Bildung zu tun hat und für die Bildung unserer Kinder (mit-)verantwortlich ist, sich ansehen, wie andere Leute, die erfolgreicher sind als wir, ihren Erfolg erzielen. Das bedeutet ja nicht, dass wir alles genauso machen müssen - es bedeutet, dass wir etwas dazulernen können und Verbesserungen vornehmen. Ich persönlich betrachte so etwas als absolute Notwendigkeit.
Meine Äußerungen beziehen sich allesamt auf die aktuell vorliegenden Verhältnisse. Über eine ideale Welt zu philosophieren ist mir zu abgehoben. Vielleicht liegt darin das Missverständnis begründet.
Wie führt man denn Verbesserungen herbei?
Man betrachtet den Stand der Dinge
Man analysiert Fehler
Man sammelt Vorschläge
Man scheidet das Realistische vom Illusorischen
Man setzt um
An welchem Punkt siehst du dich? Wenn du immer nur die aktuell vorliegenden Verhältnisse betrachtest und nicht versuchst, darüber hinaus zu denken, dir vorzustellen, was besser sein könnte, als das, was ist - dann wirst du schon bei der Fehleranalyse scheitern, weil du den überwiegenden Teil der Fehler einfach nicht siehst. Wo endet man dann? Darin, dass man weiß, es läuft etwas schief und sich auf die Suche nach Schuldigen begibt - davon haben Lehrer, Schulen, Eltern und Schüler gleichermaßen die Nase voll, denke ich. Also wäre es nett von dir, wenn du einfach mitmachen würdest bei dem Versuch, gangbare neue Wege zu finden anstatt die alten immer wieder instand zu setzen, auf dass die nächste Schülergeneration noch übler werde als die vorhergehende.
File Griese,
Stonie
It's no good you trying to sit on the fence
And hope that the trouble will pass
'Cause sitting on fences can make you a pain in the ass.
Und im Übrigen kennt auch Stonie Wayne.