Lieber Tom,
dann muss der Bundespräsident als letzte moralische Instanz nun konsequent dafür eintreten, dass [...]
und Du glaubst, dass egal welcher Kandidat von den etablierten Parteien gewählt wird, dieser überhaupt auch nur annähernd als "moralisch(e Instanz)" bezeichnet werden kann, ohne sich hoffnungslos lächerlich zu machen?
Herr Herzog hat das auch schon mal probiert
Wie ernsthaft hat er das getan? Ich erinnere mich an keine Rede, in der er der Politikerkaste Korruption und Raffgier vorgeworfen hätte, um sie dann an das Wohl des Volkes anstatt das ihrer Lobbies zu erinnern.
und Herr Köhler ebenfalls.
Soso. Ich verstehe ja bis heute noch nicht, warum er das "Stoppschilder-Gesetz" unterschrieben hat, wenn er moralisch eine solche Instanz gewesen sein soll. Dieses Gesetz (Zugangserschwerungsgesetz) war höchst umstritten, es gab eine Verfügung, dass es im Falle der Unterzeichnung nicht angewandt werden darf, und genau dann hat er es unterschrieben! Man mag es ja einen Hauch von Rückgrat nennen, dass er vor seiner Unterzeichnung zu einer erneuten Prüfung des Gesetzes aufgefordert hat, aber dass er das Ergebnis dieser "Prüfung" dann einfach (er sagte "mit Bauchschmerzen") unterzeichnet hat, anstatt sich zu verweigern und den Betroffenen eine gewaschene Standpauke zu halten, ist nicht das, was ich mir unter einer "moralischen Instanz" vorstelle!
Ich hoffe, dass ein Herr Gauck sich nicht mit Sarrazin verbrüdert, sondern dass seine Äußerungen einfach nur falsch ausgelegt worden sind.
Ich hoffe, dass es einen weiteren Kandidaten gibt, damit zumindest eine Illusion von Konkurrenz um das Amt entsteht. Momentan sieht es mir danach aus, als wäre das Amt mit dem eines Hofnarren vergleichbar - mit dem Unterschied, dass dieser seinerzeit nicht nur die Wahrheit sagen durfte (und dafür ausgelacht wurde), sondern es auch tat. Denn eines scheint mir offensichtlich: Wenn die etablierten Parteien so scharf darauf sind, dass Gauck der nächste Bundespräsident wird, dann ist daran bestimmt etwas faul. Oder warum wollen sie ausgerechnet ihn? Ist er so viel besser als seine Vorgänger? Eher nicht. Wahrscheinlich ist er eher ebenso "stromlinienförmig" und "kooperativ" wie sie.
Aber ich lasse mich gerne positiv überraschen.
Wenn sich aber der Bundespräsident nicht darum kümmert, dass wieder sozialer Friede und soziale Gerechtigkeit einkehrt in DE, dann können wir auch auf ihn verzichten und müssen Revolution machen...
Das kann er nicht. Das steht nicht in seiner Macht. Er kann nur gegen die politisch agierenden wettern und Gesetze an ihrer In-Kraft-Tretung hindern, indem er sie nicht unterschreibt. Mehr kann er im Regelfall nicht. Und der Ausnahmefall, in dem er mehr könnte, wird dadurch verhindert, dass die Umstände, die einen Ausnahmefall begründen könnten, bei uns schon längst politischer Alltag geworden sind (siehe "Terrorgesetze").
Das sollte uns doch als intelligentem Volk erspart bleiben, oder sind wir in Wahrheit alle verblödet?
Es scheint definitiv so zu sein. Aber das passt ins Bild. Solange (fast) jeder Bürger etwas zu essen hat, solange er die Aussicht hat, dass auch morgen etwas zu essen da sein wird, solange er einen gewissen Komfort mit TV, Mobiltelefon und Internetzugang hat, solange wird er nicht rebellieren. Motzen vielleicht (Demos), aber so richtig rebellieren nicht. Und das lässt sich kalkulieren.
Liebe Grüße,
Felix Riesterer.
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