Lieber molily,
Falls es dich ernsthaft interessiert: Es gibt in der feministischen Debatte um »Rape Culture« die kritische Diskussion zwischen Betroffenen über Ratschläge, wie Frauen Missbrauch, Belästigung, Übergriffen und sexualisierter Gewalt entgehen können.
wo siehst Du da die direkte Parallele zu dem im OP geschilderten Fall? Für meinen Geschmack gehst Du da zusehr in die Richtung "Vergewaltigung", die hier definitiv zu weit geht.
Es ist Konsens, dass es keine Lösung ist, Frauen »Überlebenstechniken« beizubringen, die ihre Freiheiten nur weiter einschränken. (Sven hatte das .)
Wo schränke ich hier ein? Mir kommt es sehr auf "erkenne Dich selbst" an. Vielen Menschen fehlt das, und mir kommt es so vor, dass alle Beteiligten im geschilderten Fall davon noch nicht genügend haben.
Das heißt nicht, dass Frauen diese Techniken nicht erfolgreich anwenden und sich damit schützen. Es ist aber traurig, dass sie es müssen, und es ist keine Lösung für das soziale Problem.
Ja, die Welt ist böse. Aber das wird sich nie ändern.
Jeder Mensch muss lernen sich selbst zu schützen. Es darf in einer Partnerschaft kein Ungleichgewicht geben, wenn nicht eine Hälfte dominieren können soll. Wenn eine Partnerschaft aber gerade eben auf einem Ungleichgewicht basiert (nein, die Sache mit den Gefühlen und dem "Vertrauen" sind nur die eher bewusst wahrgenommenen Faktoren, die eine Bindung charakterisieren), dann ist die schwächere Hälfte ganz klar im Nachteil. Da hilft wirklich nur, das Selbstwertgefühl zu stärken.
Um nicht gerade passende Analogien zu bemühen:
- Autofahren im Straßenverkehr setzt eine zertifizierte Ausbildung voraus.
- Kinder lernen "Sicherheit im Straßenverkehr"
- Kindergartenkinder lernen "steigt in kein Auto, das nicht eure Eltern fahren"
- Lehrer müssen absolut vermeiden, mit einer Schülerin alleine in einem Raum zu sein.
Es geht um Selbstschutz in alltäglichen Situationen, bei denen Vertrauen zwar gut und schön ist, bei denen aber ein Kräfteungleichgewicht immer als mögliche Gefahr gesehen wird.
In einer nicht gleichberechtigten Beziehung sehe ich das in gewisser Weise ähnlich. In einem Fall von Vergewaltigung sehe ich ein Verbrechen, bei dem vorsätzlich körperliche Gewalt eingesetzt wurde, die über ein Fremdgehen in einer Beziehung, auch ein systematisches Fremdgehen, deutlich hinausgeht. Daher schmeckt mir Dein Hinweis auf die "feministische Debatte um »Rape Culture«" in diesem Kontext überhaupt nicht, denn wie willst Du das bewusste psychische Schädigen hier feststellen, wenn der Mann im Grunde davon ausging, dass sein Verhalten nicht auffliegen würde? Eine Vergewaltigung fällt der Vergewaltigten doch sofort auf und der Schaden wird unmittelbar als Schmerz (körperlich und psychisch) empfunden.
In diesem Kontext wird es interessant, wie man die Frau am Apparat sehen soll. Ist sie nicht diejenige, die hier vorher nicht vorhandene Schmerzen auslöst? Nicht dass das den Vertrauensbruch, die Ursache, irgendwie entschuldigen oder wenigstens schmälern könnte. Dieser Vertrauensbruch ist und bleibt zu verurteilen. Aber der Anruf ist doch zumindest ein Auslöser und als solcher auch ein Akt, der Schmerzen verursacht... und den findest Du hier völlig unproblematisch?
Wer fügt hier wem Schmerzen zu? Mir ist das zu komplex, um nur und alleine auf den Mann als Schandtäter zu zeigen! Die ganze Frage "wer ist Täter und wer ist Opfer?" lässt sich nicht immer so offensichtlich und einfach beantworten, daher fordere ich immer wieder, dass sich diejenigen dazu äußern, die in dieser Hinsicht ausgebildet worden sind!
Oftmals enden solche Ratschläge in Victim Blaming und führen dazu, dass niemand mehr darüber spricht, dass die Gewalt seitens der Täter beendet werden muss. Zum Beispiel wie Jungen/Männer erzogen werden können, Frauen zu respektieren, Grenzen zu akzeptieren und keine Übergriffe zu begehen.
Ich finde, dass Deine Bezüge an der im OP dargestellten Sache in Teilen vorbeigehen. Aus Scham nicht über eine Vergewaltigung zu reden und so den Täter straffrei ausgehen zu lassen ist sicherlich um Welten davon entfernt, was die Situation im vorliegenden Fall ist, nämlich ein Mann, der drei Frauen damit betrügt, dass er mit ihnen gleichzeitig eine Beziehung hat - wobei wir noch immer nicht wissen, ob diese "offiziell" nur als Affairen gelaufen sind.
Welche »Verhaltensweisen« vermutest du auf Seiten der Frauen, die daran etwas ändern könnten? Mit welcher Motivation sollte man danach fragen, wenn nicht um ihnen Schuld in die Schuhe zu schieben? Vielleicht haben sie den Mann ebenfalls in irgendeiner Hinsicht ausgenutzt und belogen. Darüber liegen mir keine Informationen vor. Und wenn schon – es relativiert die Taten des Mannes nicht.
Ich vermute, dass zumindest eine der Frauen in der Beziehung etwas anderes gesehen hat, als der Mann. Ob das zwischen den beiden thematisiert wurde, ob das von dieser Frau zurecht so empfunden/betrachtet wurde, können wir eben genau nicht wissen, da wir nur die Beschreibung durch einen Nichtbetroffenen kennen.
Und warum sollte man den Frauen keine Schuld in die Schuhe schieben dürfen, wenn es begründeten Anlass dazu gäbe? Nur weil Du in der Schiene "Rape Culture" drinsteckst, die ich hier für überzogen empfinde? Du schreibst zwar "Vielleicht haben sie den Mann ebenfalls in irgendeiner Hinsicht ausgenutzt und belogen. Darüber liegen mir keine Informationen vor.", aber so richtig darauf eingehen tun nur andere. Du hast anscheinend noch keine Beziehung erlebt, in der eine Frau von ihrem Partner erwartet, dass er nicht nur Partner (gleichberechtigt) ist, sondern auch noch Vaterersatz. Du kennst vielleicht keine Frau, die eine Beziehung als Rahmengerüst braucht, um ihr Leben als solches bestreiten zu können, weil sie den Partner dafür braucht, Entscheidungen für sie zu treffen. Auch wenn solche Beziehungen anfangs weniger unter diesen Psycho-Kräften leiden, weil der Reiz des Neuen an der Beziehung alle anderen Makel überdeckt, so kann es aber im weiteren Verlauf durchaus mühsam werden. Wenn beide dann über die Beziehung und die in ihr wirkenden Mechanismen reden und sich klar positionieren (und dann auch daran halten!), kann die Beziehung weiter existieren. Sollte aber ein Bruch unausweichlich sein, dann soll es schon vorgekommen sein, dass beide aus persönlichen Schwächen heraus den Absprung voneinander nicht geschafft haben. Und spätestens hier gibt es eben auch Mittäterschaften auf der schwächeren Seite. Das muss jetzt nicht auf die im OP geschilderte Situation passen, aber es bedeutet, dass auch in der im OP geschilderten Situation Mittäterschaften seitens der Frau nicht 100%ig ausgeschlossen sind. Und nein, die dortige Schilderung ist nicht vollständig, daher muss ich das dort nicht zwingend finden und ein Fehlen von Hinweisen dort rechtfertigt nicht die Annahme, es gäbe keine Mittäterschaften!
Dieses fast schon einseitige Pochen auf die Schuld des Mannes schmeckt mir nicht. Was willst Du damit erreichen? Willst Du ein Verständnis fördern, dass Frauen in Beziehungen grundsätzlich die schwächeren sind? In diesem Thread haben viele die Taten des Mannes verurteilt, keinesfalls relativiert, aber eben auch auf eine potenzielle Mittäterschaft seitens der Frauen hingewiesen, die Du jedes Mal kritisiert hast, indem Du alleine schon das in-Erwägung-ziehen einer Mittäterschaft auf Seiten der Frauen als völlig falsche Sichtweise verurteilt hast - insbesondere, wenn sie Deiner Meinung nach als gutgemeinte Ratschläge verkleidet in Deinen Augen nur victim blaming waren.
… aber anscheinend ist diesem Mann nun wirklich nicht zu helfen, weshalb sich meiner Meinung nach ein Fokus auf ihn und seine Person eher erübrigt.
Im Gegenteil. Gerade deshalb wäre über die individuellen und gesellschaftlichen Ursachen zu diskutieren! Nicht über eine vermeintliche Mitschuld seiner Opfer.
Warum? Wieso ist eine Gesellschaft daran schuld, dass ein Mann soetwas tut? Wo haben wir denn einen gesellschaftlichen Konsens oder gar Wertekanon, der ein solches Verhalten rechtfertigt? Und warum ist für Dich eine Mitschuld eines Opfers so sehr von vornherein ausgeschlossen?
Zu fragen wäre: Wie kommt es dazu, dass ein Mann so etwas tut? (Und jetzt bitte nicht den »Der ist doch psychisch krank«-Joker ziehen.) Du fragst dich hingegen: Wie kommt es dazu, dass Frauen darauf hereinfallen?
Ich frage nicht nach dem Warum. Welchen Sinn sollte das haben? Ist dem Opfer mit der Warum-Frage denn geholfen? Lassen sich mit der erhofften Antwort auf die Warum-Frage solche Fälle in Zukunft vermeiden? Da habe ich erhebliche Zweifel daran.
Die tatsächlich gestellte Frage im OP war die Frage "Rache oder nicht?". Das ist eine völlig andere, als die, die Du immer wieder bemühst.
Das ist paternalistisch, herabwürdigend und schiebt ihnen die Verantwortung zu. Allein schon diese passivische Formulierung: Sie hätten »sich ausnutzen lassen« und müssten lernen, das nicht zu tun. Niemand in einer solchen Situation »lässt sich ausnutzen«. Nicht das Verhalten der Ausgenutzten ist die Ursache. Sie sind dafür nicht verantwortlich, dass jemand sie hintergeht und belügt. Das festzustellen hat übrigens nichts damit zu tun, ihr Verhalten insgesamt als sakrosankt zu bezeichnen.
Jemand der dazu tendiert, sich ausnutzen zu lassen ist prinzipiell leichter mit einem solchen Vorgehen psychisch zu verletzen. Da Du nach Möglichkeiten suchst, solche Vorfälle zu vermeiden und dazu eine Diskussion über die Männer anstrengst, sehe ich einen Bedarf, die weibliche Seite stärker in den Fokus zu rücken. Warum fragst Du nicht, warum sich besonders Frauen damit so leicht verletzen lassen? Warum versuchst Du nicht, Frauen in dieser Hinsicht weniger verletzbar zu machen, indem Du auf größere Gleichberechtigung in einer Partnerschaft (nein, nicht Beziehung, ich meine Partnerschaft!) pochst? Oder siehst Du wieder nur die Vergewaltigung als Basis für eine moralische Bewertung von Fremdgehen?
Selbst wenn diese Frauen »schwach« wären: Umso schlimmer wäre es, dass ihre Schwäche ausgenutzt wird! Es wäre ihnen nicht vorzuwerfen. Bei den meisten Formen von emotionalem Missbrauch spielen Machtverhältnisse eine große Rolle. Die verlaufen in dieser Gesellschaft nun einmal (unter anderem) entlang der Geschlechtergrenzen und bringen Frauen strukturell in eine unterlegene Position.
So, jetzt kommen wir der Sache näher, die ich als das wahre Problem sehe. Und genau hier gilt es, Frauen zu stärken. Insbesondere dahingehend, dass sie ihre Rolle in einer Beziehung klar definieren, sowohl für sich, als auch für den Partner. Wenn diese Basis nicht gegeben ist, dann ist das wie mit einem Auto im Straßenverkehr, bei dem man nicht sicher ist, ob in den Reifen noch Luft ist. Es kann gut gehen, aber genauso gut kann es zu einem schmerzhaften Unfall kommen.
So können es sich einflussreiche, sozial bessergestellte Männer »leisten«, sie zu belästigen und auszunutzen, und müssen nicht um ihre Position bangen.
Aha, und warum können sie das? Und was willst Du auf Männerseite dagegen tun, das tatsächlich den Frauen hilft? Willst Du Männer unter Generalverdacht stellen, damit sie sich gefälligst in ihren Möglichkeiten einschränken, damit das nicht die vielleicht nicht so schuldlosen Opfer tun müssen? Oder willst Du das Image von Männern in den Dreck ziehen, damit ihr Selbstwertgefühl kleiner wird und dem von potenziell weniger selbstbewussten Frauen entgegen kommt? Dann sing weiter "Männer sind Schweine!"...
Wenn man den sexistischen, patriarchalen Normalzustand nicht sehen will, kommen Aussagen heraus wie »manche Frauen neigen dazu, sich ausnutzen zu lassen«…
Jetzt bitte belastbare Fakten auf den Tisch: Wo steht, wie der "sexistische, patriarchale Normalzustand" tatsächlich aussieht?
Liebe Grüße,
Felix Riesterer.
"Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden - aus Mangel an demokratischer Substanz." (Martin Schulz, Präsident des EU-Parlamentes)