Bei den "prima Erklärungen" fehlte leider das Wesentliche, entsprechend hapert es bei deinen Beispielen, bei denen du einiges durcheinanderkriegst. Writer ist eine Textverarbeitung, Scribus ist ein DTP-Programm, eines, mit dem Dokumente gesetzt werden, […]
Es ist aber nicht so, dass ich das gar nicht – zum Beispiel im ersten Satz – erwähnt hätte.
[…] LaTeX fällt in die gleiche Kategorie wie Scribus, nur ohne Benutzeroberfläche.
Nun ja, du willst hier den Workflow, dass ich mein Dokument erst in zum Beispiel einem Texteditor schreibe und es dann, wenn alles fertig ist, in eine andere Textdatei übertrage, in der ich dann noch die LaTeX-Befehle für Textsatz-Aspekte (was in LaTeX in vielen Fällen bloß semantische Auszeichnung bedeutet) hinzufüge, das Dokument also sozusagen noch mal (ungrafisch) setze.
Das würde ich nicht in dem Sinne als falsch bezeichnen. Ich würde auch nicht behaupten, überhaupt nie zumindest teilweise so vorzugehen. (Vor allem dann nicht, wenn ich nicht der alleinige Verfasser des fertigen Dokuments bin.) Dennoch werden Dokumente, die letztlich durch die LaTeX-Software gesetzt werden, durchaus auch direkt im LaTeX-Format verfasst. Das hat schlicht und ergreifend praktische Gründe. Ich würde LaTeX an der Stelle durchaus in gewisser Hinsicht mit etwa Markdown oder BBCode vergleichen. Auch dort kann man die Texte erst anders vorschreiben, bevor man sie noch mal entsprechend umformatiert. Die meisten Leute dürften es in den meisten Fällen aber mehr oder weniger direkt im Markup-Format schreiben.[1]
Deshalb würde ich LaTeX gegenüber Writer aus meinem Blickwinkel nicht in die gleiche Kategorie wie Scribus einordnen, auch wenn ich es aus einem anderen Blickwinkel nachvollziehbar finde. Andererseits könnte man dann wiederum Writer genauso in diese Kategorie einordnen, weil Writer de facto und prinzipbedingt Textsatzfunktionalität enthält und weil dort vermutlich auch niemand erst nur schreibt und dann nachher die Formate ergänzt. Ich glaube, diesen Workflow gibt es in reiner Form nicht mehr wirklich oder gab es überhaupt nie.[2]
Es ist allerdings zugegebenermaßen so, dass in Textverarbeitungen schon sehr viele Satz-Funktionen enthalten sind, die Grenzen sind also fließend.
Ja. Allerdings durchaus auch aus der anderen Richtung.
Wer allerdings mit einem DTP-Programm Texte schreibt, ist definitiv auf der falschen Veranstaltung. Kurze Texte ja, aber grundsätzlich wird im DTP-Programm nicht geschrieben, sondern anderswo Geschriebenes importiert.
Genau deshalb würde ich Scribus auch abgrenzen. LaTeX sehe ich in diesem Sinne nicht (oder nicht nur) als DTP-Programm, weil zum Beispiel ein exaktes Ausfüllen eines zur Verfügung stehenden Platzes nicht vordergründig Priorität hat. Das ist mit LaTeX zwar auch möglich, aber LaTeX kann genauso dazu genutzt werden, eine Texteingabe in ein hübsch aussehendes PDF-Dokument umzuwandeln. Dabei spielen konkrete Layout- oder Designaspekte oft überhaupt keine große Rolle. (Das ist damit im Grunde sogar einfacher und fokussierter als Writer.) Scribus ist dagegen mehr ein Tool, Dinge pixelperfekt anzuordnen. Ich glaube nicht, dass besonders viele Zeitungen oder Magazine LaTeX für DTP verwenden.
Nein. LaTeX ist für Masochisten, ein Programm aus der Computersteinzeit. Da hat vielleicht der angehende Diplom-Informatiker seinen Spaß dran, aber kein Doktorand der Literaturwissenschaft, der Wasserbauingenieur oder Sinologe.
Es geht wohlgemerkt nicht darum, dass LaTeX die Aufgabe nicht erfüllen könnte. Man kann auch mit einem Feuerstein tolle Sachen schnitzen, aber der Allgemeinheit und insbesondere denjenigen, die mit Schnitzerei nichts zu tun haben, aber etwas Geschnitztes zur Benotung vorlegen müssen, sei doch eher ein Satz modernes Schnitzwerkzeug aus Edelstahl ans Herz gelegt.
Ohne ein gewisses IT-Knowhow geht es heutzutage in vielen Fächern nicht, wenn man qualitativ gute Resultate erzeugen möchte. (Selbst Psychologen kommen zum Beispiel mit so was wie R in Berührung.) Die Herabsetzung von LaTeX halte ich zudem inhaltlich nicht für begründbar. Es liegt nicht an der Badehose, wenn der Bauer nicht schwimmen kann. ;) Umgekehrt ist es auch keine Verfehlung, gut in der Anwendung von Schreibwerkzeugen zu sein. Das gilt auch für Writer. Auch dort muss man Konzepte wie Formatvorlagen und dergleichen erst mal verstehen.
Leute stellen sich meiner Erfahrung nach oft als überraschend lernfähig heraus.
Reine Beobachtung am Rande, die nichts aussagen soll: Ich schreibe das hier in einem Texteditor und nicht im Interface von selfhtml.org. ↩︎
Das ist ein durchaus interessantes Thema, finde ich. Auch in der Vergangenheit wird ein Autor dem Setzer sicher auf irgendeine Weise schon mal vorher markiert haben, was er wie setzen soll. ↩︎