Axel Richter: Nachdenkliches zum Wochenende: Merry Last Christmas, Jack Dorsey (Mike Monteiro)

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Hallo Felix,

Aber selbst wenn es so wäre, dass tatsächlich eine qualifizierte Mehrheit es so sähe

was ist eine qualifizierte Mehrheit?

Der "Souverän" in der Demokratie. Man könnte auch vereinfacht sagen, die Mehrheit, die sich aufgrund von Macht und Einfluss, gewonnen aus Überzeugung und Anerkennung, durchsetzen konnte. Idealistisch? Ja, aber anders geht es meiner Meinung nach nicht.

und ihre Meinung nicht ändern könnte,

Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich eine Meinung hat, oder ob sie schlicht den bequemsten Weg geht, weil sie sich einfach keine oder wenigstens viel zu wenig Gedanken macht, was sie da tatsächlich tut und was es für Konsequenzen hat.

Das wäre dann aber unqualifiziert.

Denn wer soll denn die qualifizierte Mehrheit eines Besseren belehren?

Bildung. Deshalb ist sie so wichtig. Religion hatte einst diese Aufgabe, scheitert aber damit an unserem Wohlstand.

Bildung ist wichtig, ja. Aber, was Bildung ist, wird ebenfalls von den aktuell Mächtigen und Einflussreichen bestimmt.

Und das Religion am Wohlstand scheitert, halte ich für ein Gerücht. Religion ist im Allgemeinen der Glaube, dass es etwas Größeres gibt, als "den Wohlstand". Im Gegenteil wird sie wieder wichtiger werden, spätestens wenn wir gezwungen werden, unseren Wohlstand tatsächlich mal teilen zu müssen. Und das werden wir müssen, wenn wir nicht alles verlieren wollen.

Tatsächlich Unternehmen, die sich das zum Unternehmensziel gestellt haben?

Unternehmen handeln gewinnorientiert. Das ist das einzige Ziel. Alles, was zu diesem Ziel führt, wird auch getan. Je mächtiger ein Unternehmen geworden ist, desto weniger Skrupel wird es an den Tag legen.

Marx at its best ;-). Und darum muss das Privateigentum an Produktionsmitteln überwunden werden? Nein, der Versuch ist gescheitert. Es muss eine Kontrolle und Regulierung erfolgen durch dazu demokratisch legitimierte Staatsorgane.

Unternehmen, die handeln wie Gott handeln würde?

Wie würde (Dein?) Gott handeln? Woher kennst Du die zugehörige Maxime?

Die Maxime ist die Erhaltung der Schöpfung, möglichst inklusive der Menschheit.

Der Sozialismus-Versuch ist genau daran gescheitert, dass versucht wurde die Menschen umzuerziehen von einer Partei, die hätte handeln müssen, wie Gott gehandelt hätte.

Ich ahne was Du damit meinst. Der Sozialismus ist an der Natur des Menschen gescheitert.

Ja.

Er ging von einem anderen Menschenwesen aus, nämlich von einem rational handelnden.

Nein. Er ging davon aus, dass man Menschen, die sich von Natur aus in kleinen Gruppen (Geliebte, Familie, Freundeskreis, Sippe, Stamm - in der Reihenfolge) organisieren, zu einer staatenbildenden Spezies umerziehen kann, wo dann der Einzelne glücklich und klaglos seinen Platz zum Wohle des Staates einnimmt. Das wird nie funktionieren. Staaten können Menschen nur dann bilden, wenn sie trotzdem ihrer natürlichen Organisationsform (Geliebte, Familie, Freundeskreis, Sippe, Stamm) folgen können dürfen.

Im Gegenteil muss die Twitter Community schon mitbekommen, wenn Politiker Unsinn twittern, um dann eben entsprechend reagieren zu können, entweder direkt auf Twitter oder dann eben bei der nächsten Wahl.

Das sehe ich anders. "Die Twitter Community" besteht eben aus zumeist menschlichen Nutzern der Plattform. Sie ist eben jene Spezies "Mensch", die schon der Sozialismus missverstanden hat. Sie tut genau das, was man von ihr als Produkt erwartet. Ihre Empörung, ihr Exhibitionismus und ihre unreflektierte Ahnungslosigkeit beschert dem Unternehmen weiter Gewinne.

Ja, auch die Twitter Community besteht aus Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten. Aber etwas Anderes als diese Menschen haben wir nicht zur Verfügung, um unser Zusammenleben zu organisieren. Aber einige dieser Menschen können durchaus sehr überzeugend Gutes bewirken, wenn man sie lässt.

Twitter ist eben keine "human interaction company", sondern ein Forum zur Meinungsäußerung einer bestimmten Gruppe von Menschen, denen nämlich, die Twitter nutzen.

Das ist eine von Idealismus gefärbte Äußerung, keine auf nachprüfbaren Fakten beruhende.

Hä? Welche nachprüfbaren Fakten gibt es denn für die Behauptung, Twitter wäre eine "human interaction company"? ...

Und diese Menschen müssen die Meinungsäußerungen dann schon selbst einordnen.

Wieso "Meinungsäußerungen"? Dort geht es doch in erster Linie um Selbstdarstellungen! "Meinungsäußerungen" ist eher ein Euphemismus oder Tarnbegriff für diese Inhalte. Twitter ist ein Beispiel für die vielen, deren zentrale Natur das "free"-Modell ist. Ich erwähnte schon die "Geiz ist geil"-Erwartungshaltung. Da hat Selbstreflektion und Bildung einfach einen zu hohen Kostenfaktor - auch und vor allem hinsichtlich Hirnschmalz, Disziplin und Zeit!

... ach so, Du meinst meine Auffassung über Meinungsäußerung wäre von Idealismus gefärbt. Aber das kann nicht stimmen, denn der Begriff Meinungsäußerung ist sehr allgemein und auch genau so gemeint. Auch Selbstdarstellungen, grober Unfug und sogar Hassbotschaften sind Meinungsäußerungen, genau wie gebildete und selbstreflektierte Äußerungen. Man kann all das äußern, muss dann aber damit leben, wie Andere das einordnen und werten und ihre Schlüsse daraus ziehen. Aber dazu müssen Andere das einordnen und werten können.

viele Grüße

Axel