Felix Riesterer: DNS austauschen

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Lieber Samson,

"Idiotisch" ist meiner Meinung nach die Masche, das Urheberrecht als Verletzung der Meinungsfreiheit darzustellen.

wer das exakt so tut, setzt eine Paywall einer Zensur gleich, ja. Wer tut das denn hier? Dein Posting liest sich für mich wie ein Rant gegen diejenigen, die für Bezahlcontent nicht bezahlen wollen. Das ist sicherlich ein Aspekt der ganzen Thematik. Es gibt aber noch andere, die Du hier nicht angesprochen hast, die anzusprechen aber ebenso wichtig ist.

Die Urheber haben laut Urheberrecht das Recht zu entscheiden, wer unter welchen Umständen ihre Werke rezipieren darf. Das ist de facto ein Vermarktungsrecht. Das war's dann aber auch schon.

Verleihfirmen wie Constantin Film, Warner Bros. oder ähnliche übernehmen für Urheber den Vertrieb ihrer Werke. Damit pervertiert sich das Ganze, denn plötzlich treten sie als Urheber auf, obwohl sie es nicht sind. Es sind "nur" Firmen, die auf entsprechenden Wegen ihre Verleihrechte durchzusetzen versuchen. Und hier wird die Sache dann scheinheilig, denn die Verleihfirmen sind nicht Rechtsanwälte, die die Urheberrechte ihrer Mandanten verteidigen, sondern Firmen, die ihr Verleihrecht schützen wollen, und das unter dem Deckmäntelchen des Urheberrechts tun.

Wenn wir das geklärt haben, stellt sich die Frage, wie weit eine solche Firma gehen darf, um ihre monetären Interessen durchzusetzen. Hier kann man verschiedener Ansicht sein. Die Idee Marke Zensursula setzt beim DNS an, um scheinbar einfach (denn die Konsequenzen sind alles andere als einfach) den gewünschten Zweck zu erzielen. Das DNS ist aber eine sehr wesentliche Infrastruktur des Internets, an der aus Prinzip niemals gerüttelt werden darf! Das darfst Du gerne anders sehen, wenn Dir das Internet und seine Funktionsweise egal ist, aber wer das DNS manipulieren darf, der öffnet eine Büchse der Pandora, die vor der Unzugänglichmachung unerwünschter Seiten nicht halt macht. Lass' Dir diesen Satz einmal durch den Kopf gehen! Immerhin hat jede rechtliche Person (also auch Firmen) die Möglichkeit, auf zivilrechtlichem Wege gegen den Betreiber einer Website vorzugehen. Ein Eingriff ins DNS ist niemals notwendig! Er erscheint nur bequem und politisch opportun. Aber seit wann beschäftigen sich Politiker noch damit, welche Verwüstung ihre gesetzgebenden Maßnahmen nach sich ziehen...?

Die zweifelsohne vorhandenen technischen Unzulänglichkeiten dieser Domain-Blockaden mal beiseite gelassen:

Das wiederum empfinde ich als sehr töricht! Oder um es in Deinen Worten zu sagen: "Idiotisch". Die Schwere der Problematiken sehe ich gerade umgekehrt, denn ein Eingriff ins DNS wiegt für mich schwerer, da er das freie Recht auf Zugang zu Informationen (Artikel 5 GG) aller betrifft, als ein monetärer(!) Interessenskonflikt zwischen einer Firma und einem Seitenbetreiber. Es geht mir also um die prinzipiell mögliche Zulässigkeit solcher Eingriffe ins DNS, nicht um die Rechtmäßigkeit im Einzelfall! Und das ist keine "technische Unzulänglichkeit", sondern ein brandgefährliches gesellschaftliches Problem! Hier muss die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt werden und nicht von technischen Unzulänglichkeiten gefaselt werden!

Ihr solltet wenigstens so ehrlich sein, dass es euch beim Konsumieren von Spongebob & Co. um euer Vergnügen geht, genauer: dass ihr keinen Pfennig für dieses Vergnügen bezahlen wollt. Das ist zwar immer noch nicht schön (für die Urheber), aber nachvollziehbar (auch für die Urheber) – wir alle (auch die Urheber) geben in der Regel nur ungern mehr Geld aus als notwendig.

Eine Binsenweisheit. Aber das eine hat mit dem anderen nur bedingt etwas zu tun. Die unrechtmäßige Verbreitung rechtlich geschützter Inhalte verstößt eben gegen das Gesetz und kann auf dem Rechtswege angegangen werden. Dieselbe Bequemlichkeit, die Politiker und Firmen zu einem Eingriff ins DNS verführt, verführt Konsumenten dazu, dass sie solche illegalen Angebote nutzen. Das ist sonnenklar. Wer stellt(e) das infrage?

Mit Meinungs- und Informationsfreiheit hat das alles jedoch genau gar nichts zu tun.

Eingriffe ins DNS? Ach so? Das ist (s.o.) "idiotisch"!

Erstens gibt es für dich mehr als genug Möglichkeiten, dir eine Meinung zu bilden. Zweitens sind ausgerechnet Unterhaltungsangebote eine, gelinde gesagt, nachrangige Option der Meinungsbildung; wer die Simpsons, The Walking Dead oder den neuesten Marvel-Kracher als meinungsbildende Medien versteht, muss sich über einen Trump als Präsidenten nicht wundern.

Wenn in das DNS eingegriffen werden darf, wer garantiert dann noch, dass Du und ich unter einer gewissen URL noch das originale Webangebot erreichen, von dem wir unsere meinungsbildenden Informationen beziehen? Du machst es Dir hier echt verdammt einfach!

Vor allem aber, drittens: Es ist nicht irgendwer, der dich an deiner "Meinungsbildung" hindert. Es sind diejenigen, die da ihre "Meinung" äußern: Die Urheber selbst. Du argumentierst, dass du in deiner Freiheit, dir andere Meinungen anzuhören, eingeschränkt wirst, dabei sind es die Meinungsinhaber, die dir ihre Meinung nicht mitteilen wollen (sofern du nicht dafür bezahlst).

Eine Verleihfirma äußert keine Meinung, sondern setzt ihre monetären Interessen durch. Die Filmschaffenden äußern keine Meinung, sondern vermarkten ihr Werk. Die vermarkteten Werke können als Meinungsäußerung verstanden werden, müssen das aber nicht. Bei Kunstwerken stellt sich allgemein ohnehin die Frage, welche "Meinung" sie überhaupt transportieren, da sie üblicherweise vielfältig interpretierbar sind.

Dein Einwand hier klingt irgendwie nach Stammtisch - und riecht auch so.

Würdest du deine Meinung hier nicht kostenlos mitteilen wollen, soll ich dich dann wegen Verstoßes von Artikel 5 des Grundgesetzes verklagen dürfen? Du behinderst mich dann ja schließlich in meiner Freiheit, mir eine Meinung über dich bilden zu können.

Du hast es nicht verstanden. Das Meinungs- und Informationsfreiheitsgesetz besagt nur, dass mir zugängliche Informationsquellen nicht unzugänglich gemacht werden dürfen. Die Seite, auf der ich an illegal verbreitete Inhalte gelangen kann, darf mir nicht unzugänglich gemacht werden. Aber die rechtliche Person, die mit den Inhalten dort ein Problem hat, darf auf dem Rechtsweg dagegen vorgehen, damit der Anbieter diese Inhalte dort entfernen (und die rechtlichen Konsequenzen tragen) muss. So wird ein Schuh daraus.

Lass' dir das mal durch den Kopf gehen, dann wird dir hoffentlich auffallen, wie albern und kindisch jeder Versuch ist, Verstöße des Urheberrechts als Kampf für die Meinungsfreiheit darstellen zu wollen.

Lerne Du lieber, was es mit dem einen und dem anderen tatsächlich auf sich hat und welche Konsequenzen es unweigerlich mit sich bringt, wenn man wesentliche Infrastruktur technischer Systeme angreifbar macht! Und beherzige bitte grundsätzlich eines: Wenn Du meinst, Du hättest komplexe Sachverhalte letztendlich begriffen, erinnere Dich, dass Du damit grundsätzlich falsch liegst! Das Leben ist komplexer als es unsere Vorstellungskraft zu fassen vermag. Daher hüte Dich vor unangemessenen Vereinfachungen wie Dein Posting eine ist!

Meinungsfreiheit bedeutet die Freiheit, seine Meinung äußern zu dürfen. Sie bedeutet nicht, dass du irgendein Recht hast, anderer Leute Meinung von ihnen zu erfahren.

Das ist leider nur ein Teil dessen. Aber Du hast ja durch Artikel 5 GG die rechtlich garantierte Möglichkeit, Dich in der Sache weiterzubilden.

Liebe Grüße,

Felix Riesterer.