Die da „6 Mann hoch in drei fetten Audis gekommen“ und den Auftrag unter Angabe(!), das nicht zu „können“, nicht angenommen haben, waren übrigens die Hersteller des Warenwirtschaftssystems des Kunden, zu dem auch ein Webshop gehören sollte.
Der sollte an Wünsche des Kunden angepasst werden:
- Mandantenfähig (Die Geschäfte werden im Name und auf Rechnung der Vertreter abgeschlossen
- mehrsprachig (Für die Betrachter)
- Für Mandanten (Vertreter) einstellbare Steuersätze, Währungen, Gewinnspannen.
- Staffelpreise
- offline-import der Daten aus dem Wawi. Der Kunde wollte sein Wawi nicht via Internet erreichbar haben, also die Daten als CSV ex- und importieren.
- Druckkosten für n-farbige Drucke mit verschiedenen Druckverfahren.
Allerdings glaube ich, die wollten nicht. Und zwar aus wirtschaftlichen Gründen.
Ich habe mit dem Gegenbeispiel auf die Aussage reagiert, dass
ein einzelner Freelancer oder ein mittelständiges Unternehmen nicht genügend Kompetenz in allen relevanten technischen Bereichen aufbringen kann.
Kompetenz bedeutet: Sachverstand, Fähigkeiten, Zuständigkeit
Wenn also ein Unternehmen von gewisser Größe einen Auftrag ablehnt, den ein mehr oder weniger als schlechteste Lösung beschriebene Einzelkämpfer dann erfüllt, dann hat der Einzelkämpfer die Kompetenz - dem Unternehmen fehlt aus wirtschaftlichen Gründen der Wille und in der Konsequenz die Fähigkeit, den Auftrag anzunehmen.
Das also - und mit dem Beispiel wollte ich das zeigen - mitunter doch die Freelancer oder Einzelkämpfer zu Unrecht belächelt werden und entgegen dem Mantra der Verkaufs- und PR-Abteilungen der Großen durchaus kompetent sein können mag zwar nicht jedem gefallen – aber das Beispiel belegt, dass neben Fachkompetenz auch das (Nicht-)Wollen und also selbst auferlegte Grenzen eine Rolle spielen können. Es gibt ja auch Fälle, wo der Kunde ein unzutreffendes „sowas geht gar nicht“ zu hören bekommt, damit der Aufwand für den Auftraggeber überschaubar bleibt. Mein Auftrag „ging eigentlich auch nicht“ - aber weder ich noch noch der Kunde hat den Aufwand gescheut. Der Kunde musste z.B. erst ein brauchbares System zu Kodierung von Eigenschaften bei der Vergabe von Artikel-IDs haben. Hab ich mit ihm zusammen definiert und gemacht.
Meine Aussage „Unterschätzt die Freelancer nicht!” gilt auch dann, wenn ich selbst in dem konkreten Fallbeispiel einen anderen „Einzelkämpfer“ abgelöst hatte. Der hatte dann zwar - gottlob - das Design „verbrochen“ (worin ich als selbst definierter „Nicht-Künstler“ wirklich nicht gut bin) - aber bei der Programmierung hat es gehapert. Denn er hatte sich von Anfang an mit der „Drehrichtung“ einiger Arrays grob vertan (seine Spalten hätten Zeilen und visa versa sein sollen)und scheiterte dann daran, dass durch mutiges Wegwerfen des als falsch erkannten Mists zu korrigieren. Aber sein Design „stand“ - das bekam er laut meinem Kunde auch bezahlt.
Nochmal zu der Aussage, dass
ein einzelner Freelancer oder ein mittelständiges Unternehmen nicht genügend Kompetenz in allen relevanten technischen Bereichen aufbringen kann.
Im Hinblick darauf, dass sich durch die geschickte Kombination passender Spezialisten (hier: Designer + Programmierer) durchaus die „Kompetenz in allen relevanten technischen Bereichen“ zu temporären, äußerst schlagkräftigen Teams zusammenfassen lässt, kann man so auch Aufträge realisieren, welche die oben durchaus auch ungerechtfertigt beworbenen großen Unternehmen nicht haben wollen und insoweit selbst die eigene Kompetenz verneinen. Obwohl manche von denen durchaus das fähige Personal haben, welches auch nicht gern „immer nur das selbe 0815-Zeug“ machen würde.
Ganz anderes Beispiel:
Ich hatte - als ich „anno Honnecker“ als Schlosser im Chemieanlagenbau (echt große Firma) arbeitete - als Lehrling im zweiten Lehrjahr mal eine Zeichnung. Das war irgendeine 100-Kilo-Vorrichtung, die halt benötigt wurde um die richtig tonnenschweren Klopper zu bauen. Im Chemieanlagenbau hat man es regelmäßig mit Einzelanfertigungen und Kleinserien zu tun. Oft war eine spezielle Vorrichtung für genau einen Reaktor nötig.
Die Fußplatten waren laut Zeichnung gehobelt. Kapazität dafür laut zuständigem Zerspaner „so in 4 Wochen“. Also hab die Platten gleich aus Zentimeterblech gemacht (mit der Schlagschere) und einfach mal gut plangekloppt, angeschweißt, mit Hammer und Hitze (Schweißbrenner) gerichtet.
Dialog bei Abnahme durch den Ingenieur:
Öhm! Die Platten sind aber nicht gehobelt.
Ja. Sonst wäre das Ding in vier Wochen noch nicht fertig.
Laut Zeichnung müssen die aber gehobelt werden, damit die sauber aufstehen!
- Am Aufstellort ist ein Betonboden, so eben wie ein Mondkrater und es müssen eh Bleche unter die Platten gelegt werden damit das eben steht und nicht wackelt. Was soll also das Hobeln?
- Nehmen wir an, ich schweiße also gehobelte Platten an. Wie „plan“ sind die danach noch? (Ein Schlosser weiß: Stahl verzieht sich beim Erkalten recht heftig, wenn er z.B. durch Schweißen einseitig bis zur Rotglut erwärmt wird. Ingenieure wissen sowas nicht so unbedingt oder haben es im „Detailrausch“ vergessen.)
Ehrlich?
Geh hin, kuck.
O.K. Ändere die Zeichnung und reiche das als Verbesserungsvorschlag ein, hat ja teure Arbeit gespart. Bringt Dir mindestens 30 Mark.
Von da an hab ich bevorzugt Vorrichtungen gebaut, für die es noch gar keine Zeichnungen gab. Die wurden - weil es eine geben musste - gemacht nachdem ich fertig war. Und auf große Unternehmen, die aus theoretischen Grundsätzen heraus Fußplatten vor dem Anschweißen sorgfältigst hobeln lassen - aber nicht mal wissen oder vergessen wie Stahl reagiert und wo das Zeug dann hingestellt wird, hab ich einfach keinen Bock.
Deshalb bin ich Freelancer.