Der Martin: Schriften, Augen und Gehirne

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Hallo,

Zwar gibt es bei den meisten serifenlosen Schriften ein paar Kandidaten, die kaum zu unterscheiden sind (etwa der Kleinbuchstabe l und der Gro0buchstabe I), aber welcher es sein müsste, ergibt sich meist aus dem Wortzusammenhang.

Soweit ich das noch weiß geht es bei den Serifen nur zum Teil um die Unterscheidbarkeit. Wichtig ist deren „Beihilfe zum Zeilenbilden“ - für unser Gehirn

ja, das hört und liest man gelegentlich. Aber meiner Ansicht nach leistet man dem Leser damit einen Bärendienst.

Ja, die Serifen bewirken, dass man den Eindruck bekommt, die Grundlinie der Schrift sei nahezu durchgezogen. Das führt aber auch dazu, dass nebeneinanderstehende Buchstaben visuell nicht mehr sauber getrennt werden können. Es ist bei einer Serifenschrift sehr schwer zu unterscheiden, ob es Schwarm, Schwann oder Schwarrn heißen soll, weil die Buchstaben m, n und r an der Grundlinie miteinander verschmelzen. Gut, bei Begriffen aus der Alltagssprache kann unser Eiweißcomputer das noch mit einem Dictionary Lookup unterstützen; bei Eigennamen, wo alles möglich ist, versagt die Strategie aber. An solchen Stellen ist daher auch OCR oft überfordert.

denn das erleichtert die Wahrnehmbarkeit und via Entlastung der „Spekulationsintelligenz“ bei dieser Aufgabe, spart die Kapazität dafür und erhöht also das Vermögen, den Textinhalt zu erkennen - auch dafür muss „spekuliert“ werden.

Das gilt aber nur für absichtlich chaotische Schriften, die keine einheitliche Grundlinie haben, sondern bei denen stattdessen jedes Zeichen auf einer etwas anderen Höhe steht - so wie bei den aus Zeitungsschnipseln zusammengeklebten Erpresserbriefen. Sowas ist tatsächlich schwer zu lesen.

Denn die Feststellung, wo die Zeile weitergeht ...

... ist nur dann relevant, wenn zwischen den Wörtern oder Buchstaben große Abstände sind, zum Beispiel bei quasi-tabellarischem Layout. Dann ist aber auch die durch die Serifen erzeugte "Hilfslinie" unterbrochen, und der Nutzen, den du beschreibst, löst sich wieder in Luft auf.

Einen schönen Tag noch
 Martin

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Wussten Sie schon, dass Eskimos Kühlschränke benutzen, um ihre Lebensmittel vor dem Gefrieren zu schützen?