Hallo Andre,
ich habe mich jetzt 10 Minuten mit IPFS beschäftigt, und mir stellen sich die gleiche Fragen wie immer.
- Wer bezahlt das?
- Wer hat ein Interesse daran, so etwas zu betreiben?
- Wer gewinnt dabei?
Speicherplatz kostet Geld. CPU Leistung kostet Geld. Ein Netzwerk aus IPFS-Nodes muss betrieben werden, es muss seine Daten sicher halten, es muss eine MENGE an Daten durch die Welt pumpen. Wer einen halbwegs leistungsfähigen IPFS-Node betreibt, bezahlt dafür im Monat locker 100 Euro. Oder betreibt ihn als Nebentätigkeit eines Servers, der eigentlich andere Dinge tut. Man könnte auch sagen: er (oder sie oder they) klaut die erforderliche Leistung.
Idealismus bringt einen nicht allzuweit bzw. vergeht nach wenigen Jahren. Selfhtml ist da keine Ausnahme, wir sind zwar in der glücklichen Lage, dass wir von Manitu ein sehr preisgünstiges Hosting gespendet bekommen, aber der Idealismus der Autoren hat schwer nachgelassen.
Heißt also: Für einen Dateibezug via IPFS muss ich bezahlen. Irgendwie. Entweder durch Nutzungsentgelte, oder durch eigenes Bereitstellen von Inhalten (was mir eigene Betriebskosten verursacht). Wer hat ein Interesse an so etwas? Genau: Wissenschaftler, politisch Bedrängte, aber auch Serienjunkies, Kinderpornographen und Warez-Distributoren. Wer mag da wohl in der Mehrzeahl sein? IPFS ist das nächste RapidShare. Und dann sprießen Indexdienste aus dem Netz, die mit Unschuldsmiene IPFS-Links zu rechtswidrigen Inhalten anbieten und treuherzig erklären, dass SIE doch wohl nichts illegales hosten würden.
Wie Du schon sagtest: es entsteht ein rechtsfreier Raum. Die Datei mit dem Hash #4711, hinter der sich ein Rip des aktuellen Kino-Blockbusters verbirgt, kann kaum noch eingefangen werden, sobald sie verteilt ist. Der Rechteinhaber müsste jeden einzelnen IPFS-Node darauf verklagen, den Hash #4711 zu löschen. Tags darauf wird #4712 veröffentlicht, der den gleichen Rip enthält, nur mit leicht veränderten Metadaten im Videofile. Daraufhin wird man weltweit Gesetze verabschieden, die IPFS regulieren und die gerühmte Freiheit ist zu Ende.
Der Nutzen von IPFS ist, dass eine Datei an mehreren Orten gespeichert sein kann und damit automatisch ein Backup hat. Es muss dann aber auch passieren, d.h. IPFS-Nodes oder deren Betreiber müssen sich wohl darum bemühen, ihre Inhalte anderswohin zu verteilen. Was bei potenziell rechtswidrigen Inhalten dann wieder ein schweres Betriebsrisiko für einen solchen Node darstellt, sobald die Regierungen mit einer Verfolgung rechtswidriger Inhalte im IPFS Ernst machen.
Es ist zum Kotzen. Aller Idealismus zum Aufbau freier Strukturen wird sogleich von denen gekapert, die mit dieser Freiheit Schindluder treiben. Siehe auch Bitcoin und Co. Aus der interessanten Idee eines wirklich anonymen Zahlungssystem wurde der Geldbeutel der Computerverschlüsseler und ein Spekulationsobjekt.
Es ist wohl menschlich, dass in vielen von uns ein Verbrecher steckt, der nur auf den Moment wartet, in dem er unentdeckt bleiben kann. Die Religionen haben mit wechselndem Erfolg versucht, Gott als eine Aufsichtsinstanz, der sich niemand entziehen kann, zu etablieren. Was die Verbrechensrate vielleicht reduziert hat, aber es gab immer genug Menschen, die diesen Glauben verlacht haben und getan haben, was sie wollen. Und weil man mittlerweile ausgelacht wird, wenn man zugibt, an einen Gott zu glauben, entfällt diese anerzogene Dauer-Fremdkontrolle und es steigt die Notwendigkeit, dass Menschen von Menschen kontrolliert werden müssen, um die lauernden Verbrecher daran zu hindern, sich auszutoben. Aber natürlich: quis custodiet ipsos custodes? Die Kontrolle muss ihrerseits kontrolliert und begrenzt werden, damit die inneren Verbrecher der Kontrolleure in Schach gehalten werden. Dennoch ist sie notwendig.
IPFS und sein Umfeld wird nicht lange ein Freiraum bleiben. Da bin ich sicher.
End Of Rant
Rolf
sumpsi - posui - obstruxi