Hi Stonie,
eigentlich wollte ich ja die Schnauze halten, aber auf Deinen langen Beitrag möchte ich doch antworten.
1.) Frauen interessieren sich halt nicht für Technik
Das ist ein Argument, das, obwohl statistisch belegbar, so einfach nicht stehenbleiben kann. Warum?
Weil Interesse etwas ist, das geweckt und gepflegt werden muss - alte Marketingweisheit.
Es ist wirklich interessant, in welchen sozialen und intellektuellen Bereichen kaum Frauen auftauchen und in welchen Gebieten man sich plötzlich inmitten netter Damenriegen wiederfindet. Das, was Du anmerkst, ist ja ein viel diskutiertes Thema: Wie kann man Frauen und Mädchen, etwa in Schule und Familíe, stärker motivieren, sich in diesen Bereichen zu engagieren? Sicher ist hier einiges möglich, ich denke etwa an mein Hobby Schach, wo es in Deutschland nur sehr wenig gute Spielerinnen gibt, man aber in ganz Osteuropa durch gezielte Förderung etwas erreichen konnte, etwa indem man jede Mannschaft dazu verpflichtet hat, bis hinauf zur nationalen Liga zwei Jugend- und zwei Frauenbretter zu besetzen.
Und dennoch scheint mir dieses Herangehen problematisch zu bleiben: Es scheint mir nur zu beweisen, dass männerdominierte Bereiche in der Lage sind, Frauen zu integrieren, wenn man sie gehörig unter Druck setzt - und trotzdem bleiben es "männliche" Bereiche. Es scheint mir eine psychologische Ebene zu geben, die Frauen und Männer bestimmte Formen der Interaktion mit verschiedenen Augen sehen und erleben läßt.
Es gibt etwa einen verschiedenen Umgang mit Autorität, das beobachte ich jeden Tag erneut, wenn ich Kurse mit Männern und Frauen durchführe, im Moment sogar international in einem studienvorbereitenden Kurs für die Uni Dortmund. Freud führt diese Unterschiede auf den unterschiedlichen Ausgang der ödipalen Katastrophe für Jungen und Mädchen zurück, vielleicht ein Ansatz, dieses Problem besser zu verstehen. Vielleicht klingt das für viele zu abgepfiffen, die Psychoabteilung ist in dieser Männerdomain eh verdächtig, aber vielleicht wird's nachvollziahbar, wenn man sich die unterschiedlichen Beziehungen von Jungen und Mädchen zu ihren Eltern ansieht.
2.) Männer können besser logisch denken als Frauen
Es gibt sie zweifelsohne, die statistischen Unterschiede, da ich lange in einem Mädchenberuf gearbeitet habe, weiß ich's aus eigener Erfahrung. Die Interpretation ist natürlich schwierig. Vielleicht ein wichtiger Aspekt: Es gibt im Bereich der sozialen Rollen kaum "Natur". Anders gesagt: Unmittelbare Rückschlüsse von statistischen Phänomenen auf so etwas wie die "Natur des Menschen" sind immer zweifelhaft.
3.) Männer sind eher mathematisch-naturwissenschaftlich begabt, Frauen eher sprachlich-sozial
Im philologischen, pädagogischen, psychologischen und sozialen Bereich wimmelt es nur so von Frauen - ergo müssen sie dafür begabt sein. Interessant ist, dass eben dies die Bereiche sind, in denen die Arbeitskraft weit weniger wert ist als in den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichen. So ist die Arbeit einer Kindergärtnerin beispielsweise weniger wert als die von so manchem Fabrikarbeiter, der nichts weiter anspruchsvolles tut und auch nicht viel nachdenken muss, bei dem, was er tut. Interessant wäre es, mal zu vergleichen, wie sich das Gehalt eines Studienrats von dem eines Werksmeisters unterscheidet.
Stimmt nicht mehr, liebe Stonie, zumindest nicht in Deutschland. Und warum Studienrat, warum nicht Studienrätin? Angesichts der realen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt dürfte eine Deutschlehrerin am Gymnasium selbst ohne Karriere, alle sozialen Leistungen eingerechnet, mehr verdienen, als ein Ingenieur auf der untersten Stufe der Hierarchieleiter. Und natürlich deutlich mehr als ein Handwerksmeister.
Noch interessanter ist es, dass der ganz überwiegende Teil der leitenden und somit weit besser bezahlten Positionen im sozialen Bereich von Männern bekleidet werden. Chefärzte, Verwaltungsleiter, Schuldirektoren - es gibt in dieser Ebene sehr viele Männer. Das wird dann oftmals wieder dem mangelnden Interesse der Frauen zugeschrieben.
Tatsächlich grenzen sich die Frauen oft selbst aus, an der Uni liegt der Ausstiegspunkt der Frauen statistisch meist auf der Ebene zwischen Promotion und Habilitation. Interessant ist die Frage, warum gerade an diesem Punkt offensichtlich bei vielen Frauen das Gefühl entsteht: "Bis hierher und nicht weiter. In dieser Konkurrenz bin ich fehl am Platze." Trotz aller Programme, die versuchen, den Anteil der Frauen mit Professur zu erhöhen und trotz objektiver Chancen.
4.) Frauen tragen nicht gern Verantwortung
Vielleicht wäre der bessere Ansatz die Frage nach der Macht, nach dem Kampf um Autorität, der Übernahme entsprechender Positionen und Aufgaben. Ich glaube, genau da wird es für die Ladies schwierig.
5.) Frauen unterliegen grösseren Hormonschwankungen als Männer
So ist's natürlich eine Plattitüde. Aber real spielt die Schwangerschaft als Karrieregrenze natürlich eine Rolle. Ich weiß, dass viele große Unternehmen eine Frau erst dann in leitende Positionen zulassen, wenn sicher ist, dass sie nicht mehr schwanger werden können.
Anhand dessen, was ich genannt habe, dürfte auch dem Dümmsten klar werden, dass der ganz grosse Teil der Frauen, die Interesse und Begabung für technische Berufe haben, diese Berufe trotz der Widernisse, die ihnen entgegenstehen, ergreifen und deshalb, weil sie überdurchschnittlich begabt, interessiert und motiviert sind.
Richtig, aber entschuldige, liebe Stonie, irgendwie auch etwas zu glatt und politisch korrekt. Welche Rollen nehmen Frauen in solchen Männerbereichen ein, mit welchen Ansprüchen und Bedürfnissen werden sie konfrontiert, denk doch mal an Deine Rolle im Selfraum! Vielleicht müssten wir den Mut haben, hier noch ein Stück weiterzudiskutieren.
Ich bin in diesem Posting auf die Schwierigkeiten eingegangen, denen Frauen begegnen, wenn sie einen "Männerberuf" ergreifen und ausüben - aus zwei Gründen: Erstens bin ich eine Frau und habe durchaus einige Erfahrungen selbst gemacht - sogar in meinem familiären Umfeld. Zweitens halte ich persönlich mich nicht für berechtigt, die Schwierigkeiten darzulegen, die Männer haben, wenn sie in "Frauendomänen" einbrechen wollen.
Obwohl mein jetziger Job als freiberuflicher Journalist nicht allzu viel für diese Thematik hergibt, habe ich doch Erfahrungen aus meiner Tätigkeit als Deutschlehrer am Gymnasium und auch als Mittelbauer an der Uni. Natürlich ist die Literatur trotz vieler männlicher Professoren irgendwie ein "Frauenbereich" und ich habe bei Problemen immer gern "verzweifelt" ausgerufen: "Männer in Mädchenberufen!" Wenn man beruflich "fremdelt", sich auf fremdes Terrain begibt, wird man natürlich mit den Auseinandersetzungsformen des anderen Geschlechts konfrontiert. Frauen sehen sich da wahrscheinlich mit einem schärferen Ton konfrontiert und - mit einem massiven Bedarf nach "Mamas" hinter den Kulissen, ich glaube, du weißt, was ich meine. Ja, wenn Menschenfresser weinen (Rio Reiser) *g*
Umgekehrt ist es ähnlich: "Mach uns den Papa!", jubelt die Schar der Kolleginnen hinter den Kulissen, und lös uns außerdem unsere intriganten Dauerkonflikte oder ergreif da endlich mal Partei! Vielleicht ist es wirklich so, wie der gute alte Freud es dargestellt hat: Frauen neigen dazu, bestimmte Konfliktsituationen auf niedrigem Aggressionsniveau auf Dauer zu stellen, während Männer die Sache bis zu Niederlage oder Sieg ausfechten wollen. So gibts denn in Männerdomänen oft eher mal einen großen Krach mit entsprechenden Konsequenzen, während in Frauenwelten eher der nervige Kleinkrieg auf Dauer gestellt wird. Zudem fällt es Frauen schwer, Konflikte zu "beerdigen" und zu vergessen, vielleicht weil sie einen höheren Grad an Integration in bestimmten Zusammenhängen anstreben als die meisten Männer. "Ich will als ganzer Mensch dazugehören!", wünschen sich viele Frauen, während viele Männer damit zufrieden sind, auf der beruflichen Ebene akzeptiert zu werden.
Das ist natürlich die negative Sicht der Dinge, es gibt sie ja auch, die guten Seiten der Geschlechterwelten, das mehr an menschlicher Wärme bei den Damen und die gute Kumpanei in Männerdomänen. Vielleicht wäre das richtige Ziel eine Kombination der besten Eigenschaften der Geschlechter, aber gelingen tut's selten, weil eben Männer und Frauen nicht gut zusammen passen *g*
Viele Grüße
Mathias Bigge