Hallo Emu,
Informationen in Wikis sind, wenn nicht falsch, meist schlecht formuliert und recherchiert. Das liegt unter anderem daran, dass die Autoren selten Experten sind, sondern sich nur aus Interesse mit einer Thematik auseinandersetzen. So löblich dieser neue Humanismus ist, er ist kaum mehr als ein Dilettantismus.
Damit widersprichst du aber einem Grundgedanken des Webs und des Internets. Dieses versteht sich ausdruecklich als demokratisches Medium, in dem alle, die sich in der Lage fuehlen, etwas Sinnvolles beitragen koennen. Und damit ist es eben gerade etwas anderes als klassische Medien wie verlagsgesteuerte Buecher, senderorientierte Berichte usw., wo stets von oben herab bestimmt wird, was das Volk zu lesen, zu sehen und zu hoeren bekommt. Dass Experten-gefilterte Information qualitativ hoeherwertig ist, mag stimmen. Aber wenn es nichts anderes als Experten-Informationen gaebe, dann waeren 99% der Bevoelkerung von jeglichem verstaendlichen Wissen abgeschnitten. Es wuerde einen wissenschaftlichen Elfenbeinturm geben, und ausserhalb davon wuerden allgemeines Unwissen und Verbloedung herrschen. Genau den gleichen Dilettantismus-Vorwurf haben die "Experten" seit jeher auch der populaerwissenschaftlichen Literatur gemacht. Aber ohne diese Literatur, und ohne die zahlreichen lebendigen, dafuer wissenschaftlich vielleicht nicht total exakten Dokumentarfilme im Fernsehen haetten wir heute einen viel niedrigeren Bildungsgrad. Wissenschaft als "reine Lehre", die nicht durch Dilettantismus verwaeessert werden darf, ist das Eine; aber Vermittlung von Wissen ist nun mal das Andere.
Dieses Problem ist nicht etwa neu, sondern an vielen Stellen im Netz anzutreffen. Im LaTeX-Dunstkreis ist oft von Typographie-Experten die Rede, die Vorlagen für LaTeX schreiben. Zumeist sind diese aber nur Laien, die ein paar Typographiebücher gelesen haben (meist Tschichold) und nun meinen, alles richtig zu machen. Im Usenet posten selten Germanisten in desd, selten hauptberufliche Webautoren in dciwam/darw, die naturwissenschaftlichen Gruppen sind meist nur von Interessierten bevölkert.
Ich duerfte eigentlich nichts mehr schreiben im Netz, wenn man das so weiterdenkt. Denn ich bin kein "Webtechnologie-Professor". Und du muesstest fuerchte ich auch die Klappe halten, denn du bist das ebensowenig. Es duerften nur noch einige wenige Intelligenzien zu Wort kommen, die alle moeglichen (im uebrigen noch gar nicht vorhandenen) akademischen Qualifikationen durchlaufen haben, durch die sie befaehigt sind, "kompetent" zu sein. Es waere eine arme Welt, glaubs mir!
Auf deine anderen Argumente gegen Wikis moechte ich hier mal nicht weiter eingehen. Bei Wikipedia und anderswo gibt es genug Diskussionen darueber, wo alle diese Argumente durchgekaut werden.
Dass ich "SELFHTML als Wiki" ablehne, weil dies den Charakter der Doku, der nun mal monografisch ist, voellig zunichte machen wuerde, habe ich ja schon in dem hier im Thread verlinkten frueheren Thread kundgetan. Was ich mir allerdings durchaus vorstellen koennte, waere ein Selfaktuell-Raum als Wiki-System (zunaechst zusaetzlich, spaeter vielleicht anstelle von Feature-Artikeln, Tipps+Tricks und Linkverzeichnis). Ein funktionierendes, kontrolliertes Wiki-System wuerde vermutlich zu wesentlich schneller wachsenden und aktuelleren Inhalten auf Selfaktuell fuehren, als das derzeit der Fall ist. Die Hemmschwelle fuer Feature-Artikel und Tipps+Tricks ist fuer viele potentielle Autoren wohl einfach zu gross. Und wenn dann noch eingereichte Beitraege nicht zuende diskutiert im Review versacken, bekommt die Oeffentlichkeit halt gar nichts Neues und geht woanders hin. Zum Beispiel zu den Wikis.
viele Gruesse
Stefan Muenz