Stefan Muenz: (ZUR INFO) Filtersoftware contra Redaktion - Kampf um die Kiddie-Portale

Liebe Forumer,

wer Webseiten anbietet, muss sich auch ueber so etwas wie "Zielgruppen" Gedanken machen. Oft richten sich Web-Projekte nur an eine ganz bestimmte Zielgruppe. Seien es Fanpages zu Schauspielern oder User-Seiten zu einem Computerspiel.

Nun gibt es auch etliche Anbieter, die sich gezielt an Kinder richten. Die meisten Kids kommen heute so ab acht oder neun mit einem Web-Browser klar und koennen damit "irgendwie" surfen.

Da stellt sich natuerlich die Frage, wie man solche Youngsters davor bewahren kann, im Internet in falsche Haende zu geraten. Wohlgemerkt - wir reden hier nicht darueber, dass ein Kind sich mal auf eine Pornoseite verirrt. Der Anblick von nacktem Fleisch ist eigentlich nicht das Problematische. Das Problem sind die Kommunikations- und Feedback-Moeglichkeiten, die ein Kind auf so einer Site hat. Die meisten der Porno-Anbieter werden sicher sehr interessiert mit den Daten umgehen, die ihnen die Kiddies da in ihre Formulare eingetragen haben - Telefonnummern, Postadressen, Alter, Geschlecht usw.

Typische Filtersoftware eleminiert eine bestimmte, ihr bekannte Liste von Sites, daneben aber auch Seiten, die bestimmte, vermutete Reizwoerter enthalten. Dass mit dieser Hau-Weg-Technik auch Seiten ueber Brustkrebs oder AIDS unter den Index fallen, ist ja bereits bekannt. Viel schlimmer ist aber etwas anderes: diese Art Filtersoftware ist meistens frei "konfigurierbar" und wird vornehmlich von eigeninteresse-geleiteten Anbietern wie AOL verbreitet. Die Software stellt bei entsprechender Konfiguration kaum noch Steine in den Weg, wenn es darum geht, z.B. nur noch Disney-Productions und Konsorten zuzulassen und alles andere auszublenden. Die Filter-Software mutiert so vom gutgemeinten Werkzeug der Kinder-Integritaet zu einem Werkzeug der Multimedia-Industrie, die ihre Inhalte auf diesem Wege pushen will - ohne viel Ruecksicht darauf, was denn eigentlich nun so alles passiert in ihren tollen Kiddie-Chats. Oder anders gesagt: da wird unter dem Deckmaentelchen der freiwilligen Selbstkontrolle a la NetNanny ein Freibrief zum Kiddie-Surfen erteilt, aber was dann in den "erlaubten" Chats passiert, kontrolliert eigentlich niemand. Kurz: es wird versucht, das Problem jugendkritischer Inhalte mit Hilfe von Software zu erledigen, die dieser Aufgabe nicht gewachsen ist - denn eigentlich wuerde das kuenstliche Intelligenz erfordern. Oder eben Reaktion statt Software-Glauben.

Stefan Mueller (Blinde Kuh) hat zu diesem Thema einen langen, aber lesenswerten Artikel ins Netz gestellt, der hier mal vorab zur Diskussion gestellt werden soll:

http://www.blinde-kuh.de/schutz.html

Wer Interesse an diesen Themen hat, moege sich das mal in Ruhe durchlesen. Und dann hier seine Gedanken aeussern. Das Thema hat eine Diskussion allemal verdient!

viele Gruesse
  Stefan Muenz

  1. Hallo Stefan,

    ich halte aus ganz anderen Gründen den Schutz für blödsinnig. Bei diesen angeblichen Schutzprogrammen ist es wie beim kindersichern Feuerzeug, bei dem die Eltern das Kind konsultieren müssen um herauszufinden wie es funktioniert.

    Die elterliche Fürsorgepflicht ist bestimmt nicht zufriedenstellend, wenn diese an eine fremde Software übergeben wird. Das ist, als wenn ich mein Kind irgendeinem Fremden anvertraue, nur weil ich meine, er sei alt genug mit einem Kind umgehen zu können, oder ich lasse mein Kind gleich vom Fernseher erziehen, der das ja eh viel besser kann.

    Es liegt definitiv in der Pflicht der Eltern zu entscheiden, ob Ihr Kind reif genug ist mit einem Medium im _vollem_ Umfange umzugehen, auch wenn das für diese den Zwang bedeutet sich mit den modernen Medien auseinanderzusetzen. Doch das sollte den Eltern ihr Kind Wert sein.

    (Btw, ein Kind gehört an die frische Luft und nicht vor die Kiste, da landet es noch schnell genug)

    Gruss
      Philipp

    1. Philipp betont zwei Aspekte:
      Zum einen liegt es in der Pflicht der Eltern, die Kinder irgendwie zu Begleiten
      und zum anderen scheint es besser zu sein, draussen zu spielen, als dumpf
      vor dem PC Internet zu gucken.

      Das ist beides richtig, nach meiner Auffassung. Aber das Problem liegt in
      der Altersgruppe. Kritisch hierbei sind die Kinder um die 12. Ob sie nun
      draussen spielen oder nicht, es sind bereits hunderttausende im Netz.
      Sie kommen gar nicht mehr ueber die Eltern ins Netz, sondern ueber die
      Schulen und Internet-Cafes. Raschhour ist zwischen 9:00-14:00.

      Das erste Argument finden wir auch sehr entscheidend, sollen Kinder nun
      neben Super-RTL auch Fernsehen im Internet sehen, oder soll man nicht
      eher als Aufsichtsperson dafuer sorgen, den Kindern gleich nach den ersten
      Schritten das Netz als soziale Infrastruktur zu zeigen, die sie fuer ihre
      Interessen auch nutzen koennen. Je nachdem wie man hier entscheidet,
      baut man eben ein KidsPortal oder ein offenes Netz. Die Filtersoftware
      neigt allerdings dazu, das offene Netz fuer die Kinder wieder dicht zu machen,
      so dass kommerzielle Projekte uebrig bleiben. Verstaerkt wird dies durch
      die meist ueber Pressemeldungen gesteuere Hervorhebung solche Portale
      in den Medien und in der Verlinkung. Es geht damit nicht mehr um das
      einzelne Kind der Eltern, sondern um die Kinder im Netz als Ganzes.

      Hierauf bezieht sich unser Aspekt, die Sache mit Freiwilliger Selbstkontrolle
      durch Firmen, denen die Kinder eigentlich egal sind und die Automatennaivitaet,
      die alles scheinbar problemlos vereinfacht, lieber schnell noch mal kritisch
      zu beleuchten, bevor darueber die Sache sich in der typischen, Na dann ist
      das halt so Mentelatitaet versickert.

      Schoene Gruesse
      Stefan R. Mueller / Blinde Kuh

      1. Hallo Stefen

        Zum einen liegt es in der Pflicht der Eltern, die Kinder irgendwie zu Begleiten

        Das ist eigentlich auch der Tenor, der bei unserem Themen-Chat herausgekommen ist, den wir neulich mal zu diesem Themenkomplex hatten. Den Chatlog kannst du unter http://www.teamone.de/selfaktuell/archiv/chatlogs/ctzkin.htm einsehen. Fast alle Leute, denen ihre Kinder nicht egal sind, denken wohl so. Und alle diese Leute haben eigentlich auch eine kritische Haltung gegenueber Filter-Software. Nicht, weil sie die Software von vorneherein fuer schlecht halten - sondern weil sie einfach nicht glauben, so eine Software koenne die elterliche Aufsichtspflicht ersetzen. Genau das wollen einem einige dieser Software-Anbieter und die Provider, die sie einsetzen, aber weismachen. Das klingt dann so wie "Liebe Eltern, amuesiert euch mal wieder in Ruhe, lasst euer Kind einfach am PC sitzen. Unsere Software sorgt dafuer, dass ihm nichts passiert". Leider gibt es wohl auch Eltern, die auf solche Versprechungen hoeren. Abgesehen davon, ob die Software dieses Versprechen halten kann, wird da versucht, das Kind in einen goldenen Kaefig aus if-Abfragen zu sperren, statt offen und altersgerecht mit ihm ueber die Welt und deren Spiegelung im Netz zu sprechen.

        Die Filtersoftware neigt allerdings dazu, das offene Netz fuer die Kinder wieder dicht zu machen, so dass kommerzielle Projekte uebrig bleiben.

        Das ist dann wohl der Weg zurueck. Vor einigen Jahren zerbroeselten die klassischen Online-Dienste und fungierten eigentlich nur noch als Internetprovider mit einem kleinen, proprietaeren Zusatzangebot. Heute kommen sie zurueck, aber anders. Heute stuelpen sie ihren zahlreichen Usern einfach einen feinen Filter ueber, so dass diese im ersten Step nur noch SaferSurf haben koennen, und im zweiten Step nur noch sehen koennen, was sie sehen sollen. Unter dem Deckmaentelchen der Filtersoftware laesst sich tatsaechlich eine neue Kultur des proprietaeren Online-Dienstes schaffen. Am Ende koennten 90% der Internetnutzer nur noch 10% des Internets sehen, einfach weil sie einen Zugang ueber einen Massenprovider haben, der sie gar nicht mehr in die weite Welt hinauslaesst und ihnen von Yahoo bis Gayworld alles unter einem Dach bietet - so wie ein Kaufhaus. Der Rest - auch eure Blinde Kuh - wird an virtuellen Orten landen, die eurem HH-Schanzenviertel vergleichbar sind: lauter nette kleine Laedchen, aber eben nicht die grossen Einkaufstempel.

        viele Gruesse
          Stefan Muenz

        1. Hi Stefan und SelfForum

          du schreibst
          »»... - so wie ein Kaufhaus. Der Rest - auch eure Blinde Kuh - wird an virtuellen Orten landen,
          »»die eurem HH-Schanzenviertel vergleichbar sind: lauter nette kleine Laedchen, aber eben nicht
          »»die grossen Einkaufstempel.

          Nun, da muss ich doch mal die einfachen Menschen loben. Gerade
          in diesem Viertel blueht der Tourismus in Hamburg. Es ist eben
          Hamburg St. Pauli und die Altstadt, die jeder kennt, nicht aber
          Gegenden in denen die Kaufhaeuser sich in Hamburg ansiedeln
          konnten. Das Konzept der Kunsumtempel geht ja nicht auf und
          bleiben wird immer die Altstadt und ihre Menschen.

          Warum sollte das im Internet anders werden? Noe noe, da bleiben
          wir doch mal stock konservativ.

          Gruesse aus HH-St.Pauli

          Stefan R. Mueller

          1. Hallo Stefan

            Nun, da muss ich doch mal die einfachen Menschen loben. Gerade
            in diesem Viertel blueht der Tourismus in Hamburg. Es ist eben
            Hamburg St. Pauli und die Altstadt, die jeder kennt, nicht aber
            Gegenden in denen die Kaufhaeuser sich in Hamburg ansiedeln
            konnten.

            Eben darauf wollte ich eigentlich hinaus, als ich den Vergleich zog. Lass sie halt, die Moenckeberg-User ... sie wollen es nicht anders und wir werden nie mehr erreichen, als ein paar davon ins muntere Abseits zu locken ;-)

            viele Gruesse
              Stefan Muenz

            1. Hi Stefan,

              »»  Lass sie halt, die Moenckeberg-User ... sie wollen es nicht anders und wir werden
              »»  nie mehr erreichen, als ein paar davon ins muntere Abseits zu locken ;-)

              jo. Und nun muss es nur noch aus dem wirtschlichen Aspekt heraus
              sinnvoll sein und der Markt reguliert sich von selbst. Wer seine User
              ausser Acht laesst, verliert die ja auch ganz schnell und muss immer
              teure Events ankuendigen. So gesehen ist das schon witzig, dass die
              meisten Userregistrierungen Unmengen an Karteileichen enthalten.
              Die Abwanderung ist im vollen Gange. Und ich sag ja, sie besuchen
              eben alle auch mal die Altstadt.

              Gruesse nach Munich

              Stefan R. Mueller

        2. Hallo Stefen

          »»  Themen-Chat herausgekommen ist, den wir neulich mal zu diesem Themenkomplex hatten.

          Klasse!

          Ich habe ihn mir nun brav durchgelesen. Auch da wird deutlich,
          dass viele schwammige Begiffe wie "Kind", "Internet" und "Sicherheit"
          ersteimal zerlegt werden muessen. Richtig ist die Bemerkung "ab 14
          kein Kind mehr!" und bei der Strafverfolgung BKA und andere wird man
          sicherlich schon ab 12 etwas lockerer sein. Genau die Gruppe 12-14
          ist gerade die am staerksten wachsende Gruppe im Internet und
          die Problemgruppe schlechthin bei dieser Thematik. Diese Gruppe ist stark
          kommunikativ und weniger selbst am basteln, sondern will natuerlich vor-
          allem Leute kennenlernen, was sie ja auch sollen. Nur eben wo sollen sie
          das? Und muss unbedingt gleich eine ganze Industrie mitverdienen?
          Hier im Internet wurde es versaeumt, den 12-14 jaehrigen entgegenzukommen,
          und nun ist deren Masse ein Argument. Diese Gruppe ist ein wenig
          verloren zwischen Foren wie auch Selfhtml, dass sicherlich bereits ueberflutet
          ist von dieser Gruppe und den klassischen Kinderseiten, die noch zusehr
          auf die Gruppen unter 12 eingeschossen sind. Bereits jetz bestehen die
          Seiten, die die Blinde Kuh erfasst hat, nur zu 40% aus Seiten, die speziell
          fuer Kinder gmacht wurden. Die anderen 60% richten sich an Kinder unter 14
          Jahren, aber was solls, auch an jugendliche. Nur, was wiederum jugendliche
          brauchen, wie etwa auch mal ueber Teeni-Geschichten reden, kann man
          eben nicht machen, wenn da auch 9jaehrige bei sind, zumindest nicht so,
          dass es die Jugendlichen antoernt. Grosses Verstaendnis habe ich daher
          fuer jeden, der meint, genau fuer diese Gruppe ab 14 muss mehr passieren.
          Den Bereich unter 12 denke ich, kann man im Sinne des alten Geistes
          Internet noch recht offen halten und gegen die Kommerzialisierung schuetzen.

          Die Unterhaltung der ueber 14 jaehrigen gehoert im Moment der Industrie.
          Das muss sich natuerlich aendern. Aber und da muss man die 14-16 jaehrigen
          auch mal verstehen, sie mischen nun in den Bereichen der Online-Industrie
          mit, ein "Spiel" wenn man mal so will, das weder Schule noch Arbeitsamt
          beherrschen. Gerade die eher chaotischen Strukturen in den neuen Maerkten
          haben sie schneller eingenommen, als es den Medien deutlich wurde. Wer
          in der Online-Industri arbeitet, wird erstaunt sein, wie jung da so mancher
          Entwickler ist. Und auch bei Selfaktuell kann man davon ausgehen, dass
          Erwachsene nicht selten fragen und meist 14jaehrige antworten. Fuer die
          scheint das Internet eben ganz anders als der normale Alltag eine ideale
          Welt zu sein. Endlich einmal haben sie recht.

          Gruesse

          Stefan

  2. Hallo,

    das "Problem" bzw die Lösung fängt vor dem einschalten des Computers an. Das hat auch "die lila Kuh" erkannt. Wir Eltern sollten die Erziehung unserer Kinder uns nicht aus der Hand nehmen lassen. Medienkompetenz, Stärke, Mut zum Selberdenken, all das können wir unseren Kindern beibringen, und dann minimiert sich das Problem "Kinder im Netz" von selbst. Dazu müssen wir aber mindestens zwei wichtige Voraussetzungen mitbringen. Wir brauche erst einmal selber eine Medienkompetenz, Stärke, Mut zum Selberdenken UND wir müssen uns die Zeit nehmen, uns um unsere Kinder zu kümmern. Und genau an diesen zwei Dingen lassen es nicht wenige Eltern fehlen. Und was pasiert mit deren Kindern? Denn der Vorwurf an die Eltern hilft diesen Kindern nichts. Für die müssen wir andere "Auffangnetze" schaffen. Kindergärten und Schulen wären da zum Beispiel geeignete Institutionen. Warum gibt es noch kein Fach Medienkunde? (oder wie immer man das dann nennen will....)

    Auch Kinder lassen sich nicht gerne reinlegen. Die Mechanismen von Rattenfängerseiten lassen sich sicherlich auch zehnjährigen vermitteln. Nicht Verbote führen zur Stärkung des Urteilsvermögens, sondern einfache Aufklärung ohne den drohenden Zeigefinger oder die zur Karikatur überzogenen Abschreckungsbeispiele wie wir sie selber alle in ähnlichen sogenannten Aufklärungskamapagnen unbeholfener Pädogogen kennengelernt haben. Einfaches Erklären des Systems und das, was ja auch uns in diesem Forum vereint. SELF kommt von Selbermachen, Selberdenken, Energie "aus" dem Verstehen nehmen und "uns selberhelfen".

    Und natürlich immer wieder "locker" und ohne Zwang Alternativen aufzeigen. Mit ein- und auch mit ausgeschaltetem Computer

    Chräcker

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    1. Ups,

      meine Mdienkompetenz liegt auch noch im argen..... natürlich "blinde kuh" , nicht "lila Kuh"...wie bitte (Moment, meine Tochter zupft an meinem Ärmel)....ja? was sagst Du? Kühe sind aber lila???? Oh Gott Oh Gott, ich muß mal eben die kiste hier ausschalten und was klären....

      Chräcker

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