Michael Schröpl: Was soll eigentlich erreicht werden?

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Hi,

nachdem eine Diskussion über dieses Thema automatisch in einen Religionskrieg ausarten wird, anstatt das eigentliche Thema zu behandeln, versuche ich mal zusammenzufassen, worum es bei diesem Problemkreis meiner Meinung nach überhaupt geht.
Einiges an der Diskussion ist Definitionssache. Der m. E. am unklarsten definierter Begriff ist derjenige des "Marktes", über den vor Gericht auch am meisten gestritten wird.

M$ wird *nicht* vorgeworfen, Monopolist zu sein - das alleine ist nicht verboten.
Der Vorwurf lautet vielmehr, daß M$ sein Monopol im "Markt" X dazu genutzt hat, den Wettbewerb im "Markt" Y zu behindern.
Selbstverständlich ist das wirtschaftlich gesehen attraktiv - genau deshalb hat M$ es ja getan. Um zu verhindern, daß es attraktiv ist, kann man entweder das Monopol zerschlagen oder den Monopolisten daran hindern, in anderen Märkten aktiv zu sein.

Wenn man nun X gleich Betriebssystem setzt und Y gleich Web-Browser (oder auch Office-Software), dann ist diese Anklage sicher berechtigt: M$ hat sich sein Betriebssystem-Monopol zunutze gemacht, indem es den Exploder in Windows eingebettet und seinen Preis über Verkaufserlöse von Windows auf Null subventioniert hat, was Netscape beides nicht konnte.
(Die Deutsche Telekom ist meines Wissens vor einem EU-Gericht von AOL wegen desselben Vorgehens angeklagt worden, weil sie den T-Online-Preis über ihr Monopol bei Ortsgesprächen subventioniert.)

Die Argumentation des Anklägers lautet nun: Hätte M$ nicht das getan, weswegen sie angeklagt sind, dann gäbe es heute zwei konkurrierende Browser-Hersteller, die mit ihrem Produkt Geld verdienen und mit diesem Geld Innovationen vorantreiben könnten. (Dasselbe könnte man für M$ Office und Lotus Office argumentieren, bloß hat IBM mehr Geld als Netscape und hält den "unfairen Wettbewerb" länger aus.)
M$ bestreitet die Anklage nicht direkt, sondern definiert einfach X anders, nämlich den Browser als Bestandteil des Betriebssystems. Ergo nur ein Markt, also kein Mißbrauch.

Um die von der Anklage gewünschte Situation zu erreichen, müßten ungefähr folgende Maßnahmen ergriffen werden:
1. M$ wird in mindestens zwei, wahrscheinlich besser drei Firmen aufgeteilt. Eine dieser Firmen bekommt Windows, eine andere den Exploder, eine dritte das Office-Paket. (Die exakte Aufteilung ist technisch schwierig, was aber nichts an der Sachlage ändert.)
2. Diese M$-Firmen dürfen mindestens 10 Jahre lang nicht über ein definiertes Mindestmaß hinaus zusammenarbeiten (insbesondere nicht fusionieren), damit nicht der Anreiz besteht, dasselbe Vergehen gegen das Kartellrecht erneut zu begehen.
3. M$ wird verpflichtet, den Windows-Code zu veröffentlichen, mit dem die Anwendungsprogramme derzeit in Windows eingebettet sind (um allen Anwendungsherstellern dieselben Chancen im Wettbewerb zu geben).
Für die weiteren Wettbewerbsverstöße von M$ müssen separate Relegungen getroffen werden. (M$ hat z. B. die Herstellung eines weiterentwickelten Intel-Chips mit der Drohung, diesen nicht in Windows zu unterstützen, im Keime erstickt - so viel zum Thema "Monopole und Fortschritt", und dem Office-Konkurrenten IBM während dessen OS2-Zeit die Lizenz zur Auslieferung von Windows95 auf IBM-PCs erst dann gegeben, als alle anderen Hersteller damit bereits auf dem Markt waren, und vieles andere mehr - alles, weil M$ selbst auf allen diesen Märkten Wettbewerbsvorteile haben wollte und sein Monopol bei Windows entsprechend einsetzen konnte.)

Nach dieser Zerlegung hätten wir:
1. einen Markt "Betriebssysteme" mit dem Monopolisten M$-Windows,
2. einen Markt "Web-Browser" mit den Wettbewerbern M$-Exploder und AOL-Netscape und
3. einen Markt "Office-Software" mit den Wettbewerbern "M$-Office" und IBM-Lotus.
Bei den Betriebssystemen halte ich die Monopol-Situation noch am ehesten aus, obwohl ich hoffe, daß Linux eines Tages den Status eines Wettbewerbers erreichen wird.
In beiden Bereichen der Anwendungssoftware sehe ich echten Wettbewerb als sehr nützlich für den Kunden an.
Deshalb halte ich persönlich die Aufteilung von M$ für unabdingbar, zumal M$ m. E. auch noch während des laufenden Prozesses hemmungslos weitere Verstöße gegen das Kartellrecht begangen und nachweislich Beweismaterial gefälscht hat, also offensichtlich "unbelehrbar" ist und "notorisch" gegen das Gesetz verstößt.

Die ursprünglich ebenfalls diskutierte Alternative, nämlich die Zerschlagung des Monopols, d. h. die Aufteilung der M$ in M$1 mit Windows1 und M$2 mit Windows2, halte ich aufgrund der dann entstehenden Kompatibilitätsprobleme konkurrierender Windows-Produkte für nicht sinnvoll. Zudem würde der Gewinner dieses Wettbewerbs am Ende in derselben Position landen wie M$ heute.

Michael