Stefan Muenz: RTFM wird 50! Wir gratulieren ...

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Liebe Forumer,

besonders jene, die so was wie das hier gar nicht lesen, weil ihnen ihre "Schaeume in JavaScript" den Blick fuer die Kunst des Lernens verstellen, bekommen diese vier Buchstaben oft zu hoeren: RTFM!

Abgesehen von der Frage, ob dies nun ein Fall fuer <abbr> oder <acronym> ist, sollte der RTFM-Satz auch hier seine verdiente Gratulation zum 50. Geburtstag erhalten. Wie im Heise-Ticker unter der Rubrik "Was war. Was wird" zu lesen ist, erschien Ende Januar 1952 (Zitat Heise:) "im Verlag der University of Wisconsin Press das erste Computer-Handbuch. Es hieß bezeichnenderweise 'The Computer Manual' und nicht etwa 'Lochkarten für Dummies', obwohl der Autor Fred Gruenberger darin erklärte, was es mit Lochkarten auf sich hat und wie man mit ihnen arbeitet. Der Mann muss ein Geek gewesen sein. Sein nächstes Buch 'Introduction to Electronic Computers: Problem Solving with the IBM 1620' hatte ein Cover, auf dem die ersten hundert Seiten des Buches extrem verkleinert wiedergegeben wurden. Er wolle endlich mit dem Vorurteil aufräumen, dass man ein Buch nach seinem Umschlag beurteilen kann, erklärte Gruenberger im Jahre 1963. 50 Jahre Handbücher und niemand da, der die gesammelte Attacken auf den gesunden Menschenverstand beschreibt? Wird diese leere Seite der Computergeschichte absichtlich frei gelassen? Würdigt niemand Handbücher im Stil des Werks, das Nolan Bushnell für sein Pong-Spiel verfasste? Eine ganze Seite für den Spielablauf -– darauf nur ein einziger Satz: 'Avoid missing the ball'."

Fehlt eigentlich noch 'Zen oder die Kunst, ein Motorrad zu warten', und schon ist der Grundstock an Wegbereitern der mit 50 Jahren noch jungen literarischen Stroemung der Technischen Dokumentation schon fast vollstaendig. Was indessen noch aussteht, ist die sekundaerliterarische Wuerdigung dieser literarischen Form, die wie keine andere das Bewusstsein des Menschen um die dritte Jahrtausendwende praegt. Vielleicht liegt es daran, dass nur wenige Menschen die Lust der Kunst an dieser Art von Literatur empfinden, waehren die meisten eher unsanft zu ihr hingepruegelt werden - eben mit jenem Satz: RTFM!

Angesichts der komplexen, elektronisierten und vernetzten Welt, in der mittlerweile auch Web-Anwendungen schon so komplex werden, dass man Handbuecher braucht, um mit ihnen arbeiten zu koennen, ist nicht so schnell mit einem Aussterben dieser literarischen Form zu rechnen.  Im Gegenteil - sie emanzipiert sich gerade von dem Negativ-Image der "Bedienungsanleitung", diesem etwas peinlichen Seitenableger aus dem Zeitalter der Tausendknoepfchen-Geraete vorwiegend japanischer Herkunft. Auch wenn das "Manual" sich selber wandelt und die Fettflecken der intensiven Hand-Benutzung eher am Bildschirm als auf dem Papier hinterlassen werden, so erfreut es sich doch bester Gesundheit und wird sicher noch viele RTFMs erzeugen - in diesem Forum und anderswo!

viele Gruesse
  Stefan Muenz