Michael N.: RTFM wird 50! Wir gratulieren ...

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Hallo Stefan, Hallo Kollegen,

besonders jene, die so was wie das hier gar nicht lesen, weil ihnen ihre "Schaeume in JavaScript" den Blick fuer die Kunst des Lernens verstellen, bekommen diese vier Buchstaben oft zu hoeren: RTFM!

Wobei ja nicht nur das Lernen eine Kunst ist, sondern in besonderer Weise das Lehren, hiermit meine ich bewußt nicht nur die Tätigkeit, bei der Alles schläft und Einer spricht, sondern ich beziehe in das Lehren auch die Tätigkeit ein, die man im Allgemeinen das abfassen von technischen Dokumentationen nennt. Diese Kunst in in meinen Augen sogar die höher anzusetzende, da auch der Willigste und Beste mit einer schlechten Unterrichtung nichts lernen kann, während hingegen mit einer guten UNterrichtung auch der Schlechteste wenigstens die Möglichkeit hat Erfolgserlebnisse zu sammeln.

Abgesehen von der Frage, ob dies nun ein Fall fuer <abbr> oder <acronym> ist,
sollte der RTFM-Satz auch hier seine verdiente Gratulation zum 50. Geburtstag erhalten.

Dies denke ich auch, ich finde es sehr gut, daß an einem Ort, in dem das Lehren und Lernen in der Form einer sokratischen Tugend praktiziert wird (Sokrates bezeichnete übrigens seine Tätigkeit, die ja auch eine lehrende war, als Hebammentätigkeit. Hierbei ging Sokrates so vor, daß er anhand gezielter Fragen den Problemsteller selber auf den Weg der Lösung brachte und sich die Lösung im Beantworten der Fragen selbst erarbeitete. In diesem Sinn bewegen wir uns auch hier oft genug im Forum, die Energie des Verstehens könnte man sogar als Adaption der sokratischen Tätigkeit in die heutige Zeit sehen.

In diesem Sinne denke ich sollten wir hier im Forum, als einem Ort des Lehrens und Lernens auch auf diesen Tag anstoßen (hier der virtuelle Sekt YYY). Vor allem auf dem Hintergrund ist das wichtig, daß uns mit Deiner Doku, Stefan, ja ein Werk zur Verfügung steht, welches im Bereich der technischen Dokumentationen ein positives Highlight (Mist Denglisch, aber ich konnte für das Wort kein vollständig sinnentsprechendes Synonym finden) bildet.

[...]

50 Jahre Handbücher und niemand da, der die gesammelte Attacken auf den gesunden Menschenverstand beschreibt?

Ich denke, heute abend wirst Du wahrscheinlich anderer Meinung sein, so wie ich die Kollegen im Forum kenne (ich schätze, daß sich einige der Koriphäen des Forums mit Begeisterung auf diesen Thread, der inhaltlich mal wieder ein positiver Ausreisser aus dem JS-Geplätscher ist), wird dieser Thread wieder mit Namen von alten Bekannten gespickt sein.

Wird diese leere Seite der Computergeschichte absichtlich frei gelassen?

Warte nur ab, der Thread hat die Substanz für Größe.

Würdigt niemand Handbücher im Stil des Werks, das Nolan Bushnell für sein Pong-Spiel verfasste? Eine ganze Seite für den Spielablauf -- darauf nur ein einziger Satz: 'Avoid missing the ball'."

Einfach genial, solche Handbücher entsprechen einfach dem KISS-Prinzip (natürlich nicht Kuss, sondern auf gut Englisch: Keep It Simple, Stupid {Halt es Einfach und Dumm[Hier schwächelt leider die deutsche Übersetzung]}). Und was soll man an der Stelle mehr sagen, jedes weitere Wort wäre zuviel.

Fehlt eigentlich noch 'Zen oder die Kunst, ein Motorrad zu warten', und schon ist der Grundstock an Wegbereitern der mit 50 Jahren noch jungen literarischen Stroemung der Technischen Dokumentation schon fast vollstaendig.

Ich denke, daß es für eine literarkritische Bewertung dieser jungen Literaturgattung noch viel zu früh ist, da wir heute ja noch nicht genügend Abstand haben diese Bewertung durchzuführn, das sollte in meinen Augen einer späteren Generation überlassen bleiben.

Was indessen noch aussteht, ist die sekundaerliterarische Wuerdigung dieser literarischen Form, die wie keine andere das Bewusstsein des Menschen um die dritte Jahrtausendwende praegt.

Wartet nur ab, irgendwann wird es einen R.-R. für den Bereich der technischen Dokumentation geben und der wird dann jeden verreissen, vielleicht gehört Stefan dann zu den am wenigsten verissenen, aber ich denke, wenn ein Kritikus ein Haar finden will, dann findet er es und wenn er es selbst hineinlegt.

Vielleicht liegt es daran, dass nur wenige Menschen die Lust der Kunst an dieser Art von Literatur empfinden, waehrend die meisten eher unsanft zu ihr hingepruegelt werden - eben mit jenem Satz: RTFM!

Oder, es liegt daran, daß die, die die Kunst des Lehrens schätzen und den Künstler hinter der Dokumentation achten, evtl. ihre eigenen Aussagen vor dieser Kunst als ihr subjektivum bewerten und mit den Genuß zuhause genießen und nicht in die Öffentlichkeit posaunen.

Angesichts der komplexen, elektronisierten und vernetzten Welt, in der mittlerweile auch Web-Anwendungen schon so komplex werden, dass man Handbuecher braucht, um mit ihnen arbeiten zu koennen, ist nicht so schnell mit einem Aussterben dieser literarischen Form zu rechnen.

Also noch jahrelang Arbeit an SELFHTML und dann irgendwann eine Doku zu SELFAKTUELL (ach ne, die gibt es ja schon http://forum.de.selfhtml.org/faq/ ;-).

Im Gegenteil - sie emanzipiert sich gerade von dem Negativ-Image der "Bedienungsanleitung", diesem etwas peinlichen Seitenableger aus dem Zeitalter der Tausendknoepfchen-Geraete vorwiegend japanischer Herkunft. Auch wenn das "Manual" sich selber wandelt und die Fettflecken der intensiven Hand-Benutzung eher am Bildschirm als auf dem Papier hinterlassen werden, so erfreut es sich doch bester Gesundheit und wird sicher noch viele RTFMs erzeugen - in diesem Forum und anderswo!

Und darauf dann noch mal YYYY.

Bis denndann und ad multos annos

Michael N.