Sven Rautenberg: zuviel falsch verstandene science fiction

Beitrag lesen

Moin, Mathias!

weil ich die Diskussion interessant finde, hier einige kurze Anmerkungen:

Besser als die 1325. ZweiFrames-Frage auf jeden Fall... ;)

Genauer: Papier- und Metallgeld hat den unschätzbaren Vorteil, anonym zu sein. (...) Wer sich gewisser Rabattkarten bedient, verliert den Vorteil natürlich wieder (allen voran die Nutzer von Payback, das in meinen Augen eine einzige Big-Brother-Geschichte ist und deshalb zu Recht auch den Big-Brother-Award erhalten hat.

Die Kritik ist berechtigt, aber trotzdem tragen immer mehr Menschen freiwillig dazu bei, ihre Wege durch anonyme Systeme nachvollziehbar und speicherbar zu machen.
Handy: lokale Identifizierbarkeit
Kreditkarten: desgleichen, zusätzlich Konsumprofil
Internet: Konsum- und Interessenprofile; Transparenz von Beziehungen zu anderen; Geschäftsbeziehungen ....
.....

Bei all diesen Verfahren hat man aber immer noch die Wahl.

Handys kann man ausschalten und verschwindet damit von der digitalen Landkarte. Sobald man irgendwo auf der Welt telefoniert, ist der Standort des Telefons feststellbar, das ist kein Privileg der Mobiltelefonie. Allerdings gehts mit denen am leichtesten und eben durchgängigsten.

Man muß keine Kreditkarten benutzen, Bargeld gibts auch. Und seltsamerweise: Für wirklich große Anschaffungen brauche ich Bargeld. Meine EC-Karte liefert mir 1000 DM/500 EUR pro Tag, und 3000 DM/1500 EUR in der Woche. Damit ist es schwierig, mal eben einen Computer zu kaufen (der in der Regel teurer sein wird), und absolut unmöglich, ein Auto zu kaufen. Bargeld muß ich zwar mitschleppen, kann das aber in beliebiger Menge tun. Das Plastikgeld läßt sich aber nicht beliebig vermehren.

Und auch wenn manche fortschrittlichen Gedankenexperimente den ver-chip-ten Menschen voraussagen: Niemand wird sich freiwillig einer Gehirnoperation unterziehen, um bezahlen zu können.

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/12521/1.html
aktueller Bericht über Menschen, die sich freiweillig Identifikationschips einpflanzen ließen ...

Die allerhöchstens 1000 Menschen auf der Welt, die in irgendeiner Weise ein elektronisches Implantat tragen, was keinen medizinisch notwendigen Zweck hat, sind keinerlei Beweis dafür, daß sich die Menschheit in der Masse dafür entscheiden wird. Außerdem: Wer bezahlt die Aktion in den Ländern der 3. Welt? Dort wäre es höchst unwirtschaftlich (welchen Nutzen gibts, wenn der Implantierte morgen schon tot sein könnte, oder die Wunde des Implantats sich wegen der mangelhaften medizinischen Versorgung entzündet etc.)?

Ich verstehe auch nicht, warum das jetzige System reformbedürftig wäre. Bargeld funktioniert, die EC-Karte funktioniert, die Geldkarte funktioniert, Überweisungen und Lastschriften funktionieren. Da ist derzeit nichts dran zu verbessern.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber der ganze Salat von Geheimzahlen, Kontonummern, Bankleitzahlen usw. wird mir immer mehr zum Problem. Außerdem treibt die Entwicklung des Gangstertums die Entwicklung der Sicherheitssysteme voran. Meinem Geschäftspartner haben sie gerade frisch seinen Rennwagen geklaut, angeblich auf der Basis eines Abhörsystems für die Funksignale des Schlüssels ....

Stimmt. Ich hab' derzeit drei PINs für den Zahlungsverkehr, und nach einem Jahr habe ich mir die Nummern langsam gemerkt (hängt auch von der Anwendungshäufigkeit ab ;) ). Trotzdem hab' ich die Nummern auf Papier (aber hoffentlich gut codiert versteckt) immer bei mir, damit ich notfalls nachsehen kann.

Sicherheitssysteme sind ja nicht schlecht. Und deren Weiterentwicklung ganz sicher auch nicht. Nur muß man eben gucken, was man mit neuen Ideen für potentielle Sicherheitslücken reißt, und welche Nachteile es gibt.

Das Problem ist doch: Wer mit seinem Fingerabdruck bezahlt (praktisch als PIN), der hinterläßt seine PIN täglich millionenfach an den verschiedensten Flächen. Eine PIN kann man beliebig ändern - aber der Mensch hat nur 10 Finger. Die Banken predigen, niemandem die PIN zu verraten - Fingerabdrücke verraten sich von selbst. Und was hindert einen Räuber daran, einem Überfallenen einfach die Hand (oder zumindest den benötigten Finger) abzuschneiden? Es hat schon Morde für weniger gegeben.

Möglich, aber doch zu sehr James Bond. Da ist es doch einfacher und weniger strafbewehrt, eine Kreditkarte zu klauen oder zu fälschen...

Wenn ich an den CCC-"Hack" der ersten Fingerabdrucksensoren denke: Die Story dazu könnte auch aus einem Film stammen. :)

Da saßen am Abend auf einem Chaos Communication Congress ein paar Leute zusammen. Ein paar Teelichter sorgten für Beleuchtung, und irgendwie lag da dieser Fingerabdruckscanner rum. Tja, und am Ende war das Gelächter groß, als mit dem Teelichtwachs ein Negativ des Fingerabdrucks entstand, mit Sprühpflaster in ein Positiv gewandelt wurde und - funktionierte!

Für etliche andere biometrische Entwicklungen gibts ähnlich nette Stories oder einfach nur witzige Umgehungsmethoden.

Wo ist also die Innovation, auf die alle schon lange gewartet haben?

Ob's hier um erfreuliche Innovationen geht, ist eine berechtigte Frage, aber die Tendenz zu personenbezogenen Identifikationssystemen wächst, in großen Unternehmen, bei der Polizei usw.

Die Frage ist eben: Was bringts. Vorteile und Nachteile. Gegen freiwillige biometrische Authentifizierung ist ja nichts einzuwenden, zumal man dann noch Backup-Systeme haben kann, die notfalls den Zugang/Zugriff erlauben. Aber staatlich verpflichtende biometrische Identifikation ist einfach zu unsicher.

Vielleicht sollte ich "Authentifikation" und "Identifikation" nochmal kurz erklären:
"Authentifikation": Ich sage, wer ich bin, und bestätige das durch ein einmaliges Merkmal: Passwort, PIN, Fingerabdruck, Irismuster.
"Identifikation": Das System erkennt mich anhand meines Identifikationsmerkmals.

Ein Beispiel dafür, wie dumm biometrische Identifikation ist und wie relativ "leicht" sie sich umgehen läßt, zeigt der Film "GATACA". :)

- Sven Rautenberg