Hallo Bio,
Resistenz gegen Informationen, die nicht ins eigene Weltbild passen?
In einem Interview mit der rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit http://www.junge-freiheit.de/yy11.htm hat Karsli gesagt:
'Man muß allerdings zugestehen, daß der Einfluß der zionistischen Lobby auch sehr groß ist: Sie hat den größten Teil der Medienmacht in der Welt inne und kann jede auch noch so bedeutende Persönlichkeit "klein" kriegen.'
Und weiter geht's so: "Denken Sie nur an Präsident Clinton und die Monika-Lewinsky-Affäre. Vor dieser Macht haben die Menschen in Deutschland verständlicherweise Angst."
FDP-Politiker Herr Karsli im Interview mit der "Jungen Freiheit" 19/02 03.Mai 2002
Glaub's mir einfach, oder lies selber nach. Steht im Internet, der ganze Sprechdurchfall von Herrn Karsli und von seinen Schützern und Interviewern! Da sitzt ein beschränkter Geist im Landtag für die Grünen und strickt sich seine Verschwörungstheorien, jetzt soll er die Interessen der FDP-Wähler vertreten. Meine Meinung: Für einen Volksvertreter zu dumm -> abtreten!
Verantwortlich gemacht hat er "die zionistische Lobby" in dem Artikel damit für gar nichts.
Doch, z.B. dafür, dass Monica mit "c" Clinton im oral office nicht ungestraft befriedigen konnte, und gerade in diesem pikanten Detail zeigt sich die gleißende Dummheit des Dummschwätzers Karsli.
Er hat meiner Meinung nach sagen wollen,
Bist Du
a) Geisterseher
b) Psychoanalytiker von Karsli und Möllemann
c) ?
Ob die Bezeichnung "zionistische Lobby" jetzt sprachlich toll ist, sei dahingestellt; völlig blödsinnig war es aber nicht, was er gesagt hat.
Also, lieber Bio, was denn nun, glaubst Du, dass unsere Medien von einer "zionistischen Lobby" gesteuert werden oder nicht? Das wird aus Deinem sprachlich nicht so tollem Durcheinander einfach nicht klar!
Und ich finde es unangebracht, einen grösseren "moralischen Unterschied" konstruieren zu wollen zwischen "Wir wollen alle Menschen der Gruppe A auslöschen" und "Wir wollen das Land B, und während wir uns das unter den Nagel reissen, löschen wir alle Menschen der Gruppe C aus, die im Weg sind".
Ist B die erklärte Politik Israels? Sagt das Karsli, Möllemann oder Du? Bei einem Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Möllemann wegen seiner Haider-Kopien, auf das m.E. nicht zu hoffen ist, wünsche ich ihm Dich als Verteidiger.
Die USA hatten vor, die Kommunisten auszulöschen. Die Kommunisten sind eine Gruppe, die sich nur durch eine bestimmte Überzeugung von anderen Menschen unterscheiden. Einen großen Unterschied zwischen "Kommunisten auslöschen" und "Glaubensgemeinschaft auslöschen" kann ich nicht sehen.
1. Lies mal "Was für ein schöner Sonntag" von Semprun, der als ehemaliger KZ-Insasse sehr treffend analysiert, was diese Unterschiede für die Verfolgten bedeutet haben. Über den Verrat Stalins an den eigenen Leuten, über Solidarität und Rettungsstrategien, über das Selbstbewußtsein der bewußten Hitler-Gegner, über die Apathie der Opfer, die ohne Entscheidung gegen die Nazis in den Vernichtungsapparat gerieten.
2. Natürlich, der gnadenlose Umgang der großen Politik mit Menschenleben, ich denke zum Beispiel an eine Kurzmeldung der letzten Tage, die lapidar berichtet, dass die USA in Afghanistan versehentlich eine Hochzeitsgesellschaft bombardiert hat, ist eine der Katastrophen unserer Zeit. Aber gerade für die Menschen in den kriegszerstörten Ländern ist der Unterschied, ob man gezielt nach rassistischen Kriterien ausgewählte Bevölkerungsgruppen industriell vernichten will, oder ob man einen politischen Gegner bekämpfen will und dabei den Tod von Zivilisten billigend in Kauf nimmt, von immenser Bedeutung.
Ich glaube, das Wort "Nazi" hat in der Sprache längst auch die Funktion einer Art extrem stark negativen Vorsilbe, die bezeichnet, daß man etwas als besonders verdammenswert kennzeichnen will. Ist es nicht so?
Wenn dem so ist, dann ist das eine ziemliche Sprachverwirrung.
Die restlose Ausrottung der Inka war also weniger schlimm?
Leider hast Du Recht mit der ersten These, aber nur weil immer mehr Leute unfähig sind, bewusst mit Sprache umzugehen, und gerade deshalb jeder Art politischer Manipulation hilflos ausgeliefert sind.
War nicht die Methodik der Nazis eher eine perverse Übertragung neuer industrieller Methoden auf ein anderes Aufgabengebiet als eine völlig neue Art von Unmenschlichkeit? Vernichtungsfeldzüge gegen andere Gruppen sind doch so alt wie die Menschheit selbst.
Die Verwendung des Begriffs "Aufgabengebiet" für die Vernichtung von Menschen zeigt deutlich was ich meine: Einen oberflächlichen, unreflektierten Umgang mit Sprache.
Auch wenn die menschlichen Katastrophen sich ähneln: Die Vernichtung der indianischen Kulturen durch die Kolonialmächte sind eben nicht das Gleiche wie die rassistischen Feldzüge im Zuge der Bildung von Nationalstaaten, wenn auch ebenso verurteilenswert. Wenn man verstehen will, warum etwa die Türkei und Deutschland die physische Vernichtung bestimmter Volksgruppen als Voraussetzung für die Begründung ihrer Nation angesehen haben, warum solche Motive bis heute immer wieder auftauchen, hilft es nicht, alles Leid dieser Welt in einen Topf zu werfen.
Es ist aber auch merkwürdig, daß der Nationalsozialismus quasi per Naturgesetz als das auf alle Zeiten grausamste Verbrechen definiert wird.
Natürlich muss man vergleichen und analysieren. Natürlich ist es eine grausame Tatsache, dass das vergangene Jahrhundert ein Jahrhundert der Lager war, einer Politik, die aus verschiedensten Motiven Millionen von Menschen zu Arbeitssklaven gemacht und zu tausenden physisch vernichtet hat. Dennoch sind die Diktaturen Hitlers, Stalins, die der Japaner in China, Pol Pots in Kombodscha des Milosevic-Militärs im Kosovo eben nicht gleich, trotz bemerkenswerter Gemeinsamkeiten.
Nun, das Risiko als Jude verfolgt zu werden dürfte auch in den USA und Japan äusserst gering sein. Aber darum geht es ja eigentlich nicht - ich wollte nur der Korrektheit wegen darauf hinweisen, daß die Juden in ihrem eigenen Staat offensichtlich eben gerade nicht sicherer sind als anderswo.
Diese Bemerkung empfinde ich als Zynismus. Du suchst nach der simplen Erklärung, nach Stammtischweisheiten, die die politische Welt auf das Niveau von Kneipenstreitigkeiten bringen. Aber die Situation in Palästina ist eben äußerst kompliziert:
1. Sie ist Folge einer jahrhundertelangen Kolonisierung durch Osmanen, Franzosen, Engländer.
2. Sie ist Folge der Stellvertreterkriege von USA und Sowjetunion.
3. Sie ist Folge der Machtpolitik arabischer Diktatoren.
4. Sie ist emotionalisiert durch religiöse Fundamentalisten aller Art (Iran, Saudis, fundamentalistische Juden und diverse andere Gruppen). Allen ist gemeinsam, dass sie auf das Schicksal der betroffenen Menschen pfeifen.
5. Sie ist verknüpft mit der deutschen Geschichte, ob durch die unfreiwilligen Folgen der deutschen Militäreinsätze (Rommel usw.) für das Ende der Kolonialisierung, durch die Ängste der Juden vor der Vernichtung oder die palästinensischen Attentate in Mogadischu und München. Die Realität der Judenvernichtung als politische Strategie in der deutschen und damit europäischen Geschichte macht Kompromisse mit Gegnern, die das Existenzrecht des jüdischen Volkes anzweifeln, unmöglich.
6. Sie ist bestimmt durch die Realität jahrzehntelangen Mordens, durch die Existenz der Lager, durch die Armut und politische Perspektivlosigkeit vieler arabischer Staaten.
Sicher gibt es noch andere wichtige Faktoren, vielleicht psychologisch das Gefühl der Schwäche und Perspektivlosigkeit einiger junger Araber, die das Opfer des eigenen Lebens, und sei es nur, um völlig beliebig bestimme andere mit in den Tod zu reißen, als "Lebensmöglichkeit" erscheinen lassen.
Vielleicht geht es ja Herren wie Möllemann und Karsli doch nicht darum, durch kluge Analysen und Strategien den Menschen in der Region zuhelfen, sondern nur um ihre eigenen Karrieren, um Wichtigtuerei und kurzfristigen politischen Erfolg, koste es, was es wolle....
Viele Grüße
Mathias Bigge