Hallo, Armin,
Du suchst einen allgemeinen, aber präzisen Begriff, ist das nicht widersprüchlich oder zumindest paradox? ;)
Warum sollte das nicht gehen, es gibt schliesslich Begriffe die recht weitfuehrend sind aber gleichzeitig doch praezise genug sind um von anderen Begriffen abzugrenzen die aber wiederum in die gleiche Kategorie fallen koennen wie "Auto" zum Beispiel
Dann plädiere ich für »lediglich paradox«, außerdem sollte es auch keine allgemeine Aussage sein, nur eben für den speziellen Fall würde ich Hype/Trend und Folklore trennen und beides nicht in einem Begriff zusammenfassen wollen, da sich die gemeinten Phänomene nicht nur unterscheiden, sondern auch teilweise widersprechen.
ein Begriff ist, der der Gruppe der Fahrzeuge zugerechnet werden kann, waehrend er gleichzeitig von Zuegen und Fahrraedern abgrenzt, ebenfalls aber weit genug gefasst ist um Luxuslimousinen, alte Klapperkisten, Familienkutschen und Sportwagen einzuschliessen von Modellautos oder sogar Spielzeugautos gar nicht zu reden?
Die Kategorisierung bei Autos ist recht einfach, die Kategorie darüber (»Gefährte«/»Fahrzeuge«) ist ebenso naheliegend. Mir fällt aber dennoch keine solche Überkategorie für die von emu bezeichneten Phänomene ein.
Da im Netz aber nicht nur ein teilweise im Hinblick auf Real Life-Kultur einzigartiges beziehungsweise abgeschottetes kulturelles Leben stattfindet, welches nur im Netz in dieser Form möglich ist, sondern sich im Netzraum in sich genausoviele unterschiedliche kulturelle Ausprägungen finden (eine Gruppe von vielen ist die Nerd-/Geekelite), würde ich diese Phänomene vermutlich, wenn ich es auf ein Wort zusammenfassen müsste, »Subkultur« nennen (aber ich würde es nicht auf ein Wort begrenzen wollen).
Ich halte die Abgrenzung von Web und Real-Life-Kultur fuer vollkommenen Schwachsinn da auch alles was im Web stattfindet real ist und nicht nur virtuell passiert
Dass es real ist, wollte ich nicht bestreiten, es geht nur darum, diese beiden »Räume« und deren Kommunikationsformen voneinander abzugrenzen. Genauso wie ich mich von Angesicht zu Angesicht direkt und nicht über ein Medium mit einem Menschen treffen kann, etwas beliebiges auf die Beine stellen kann, etwas publizieren und mich mitteilen/austauschen kann, ist es auch im Netz möglich, nur sind die Formen anders; es gibt überhaupt komplett andere Möglichkeiten.
Für das Diskutieren in Chats oder Foren haben sich gewisse Verhaltensweisen und im Grunde genommen »Techniken« eingebürgert, welche meiner Meinung nach in dieser Ausprägung nur im Netz vorkommen, wenngleich sie teilweise eine Entsprechung zu aus dem Real Life übernommenen Bräuchen sind. Der hier gepflegte Art der Diskussionstil wäre in dieser Weise nur im Netz möglich (und zum Teil nötig), beispielsweise würde man bei einem Briefwechsel nicht den vorangegangenen Brief in einer Weise strukturiert auseinandernehmen und sich auf die einzelnen Zitate beziehen, wie es hier der Fall ist. Anders herum lässt sich ein mündliches Gespräch (meinetwegen auch über ein Sprachmedium wie das Telefon) in all seinen feinen Merkmalen nicht oder nur unter »Verlust« auf das Netz übertragen (sofern man von geschriebener Sprache ausgeht), da der Tonfall und im Falle der Face-to-Face-Situation Gestik und Mimik und ähnliche Ausdrucksweisen keine (vollkommen gleichwertige) Entsprechung finden.
Das Web gibt jedem die Möglichkeit, etwas blitzschnell weltweit beziehungsweise für alle Menschen mit Netzzugang abrufbar zu machen, dadurch sind vorher ungeahnte Möglichkeiten des Austausches beziehungsweise der menschlichen Beziehungen möglich, wodurch sich eine Kultur etabliert, welche von diesen Möglichkeiten lebt.
genauso wie es auch in anderen Bereichen Subkulturen gibt, die in sich abgeschottet sind aber auch wieder verschiedenen Kulturen zugerechnet werden koennen, die halt nur andere Kommunikationsformen benutzen, wie zum Beispiel Fanzines
Dennoch unterliegt das Herausgeben solcher Fanzines »medienimmanenten« Regeln. Du redest von Kommunikationsformen: ein Fanzine im Web, welches von einer Gruppe gestaltet wird und ein angeschlossenes Diskussionsforum besitzt, wird bezüglich der der Art der Kommunikation im Real Life nicht auffindbar sein beziehungsweise könnte niemals auf eine solche Art und Weise funktionieren. Es handelt sich dabei um eine sogenannte bidirektionale Many-to-Many-Kommunikation (zahlreiche Sender und zahlreiche Empfänger, jeder kann lesen und schreiben), welche zudem asynchron ist, das heißt, dass die »Anwesenheit« des Empfängers zum exakten Zeitpunkt des Sendens nicht relevant ist, da die Beiträge archiviert werden und jemand den Beitrag auch Tage später lesen und kommentieren kann.
Wenn diese Form der Kommunikation mit einem klassischen gedruckten Fanzine selbst mit offener Verfassergruppe verglichen wird, kommt man zu dem Schluss, dass eine beliebige große Anzahl von Empfängern und Sendern im Real Life nicht umsetzbar ist (schon gar nicht asynchron) und dass das gedruckte Fanzine in diesem Punkt nicht an die Netzvariante heranreichen kann.
All das sind Grundlagen, auf welchen Netzkultur aufbaut, welche zwar ihre Bausteine im Real Life findet, aber im Grunde genommen alles Bisherige fundamental erneuert und in einer neuen Dimension weiterführt.
die auch nur einer bestimmten Bevoelkerungsgruppierung zugaenglich sind und von Aussenseitern nicht verstanden werden,
Dass die Subkulturen und deren Eigenheiten im Real Life per se keine Entsprechung finden, wollte ich nicht behaupten, ein Austausch der Subkulturen ist jedoch im Netz um ein Vielfaches vereinfacht. Somit unterstützt und potenziert das Netz nicht nur bestehende subkulturelle Gruppen, sondern es bildet auch selbst solche, weil die oben beschriebene Kommunikations-Infrastruktur ein idealer Nährboden einer solchen Individualisierung ist.
da auch diese einen spezifischen Slang benutzen der von Leuten die nicht der Szene angehoeren nicht verstanden wird
Ja, es wird zunächst auf das Netz übertragen und bekommt dort auch ein Eigenleben, welches sich in einigen Teilen nur auf netzspezifisches Handeln bezieht, aber auch durchaus in Wechselbeziehung mit dem Real Life steht.
waehrend auch diese wieder viele verschiedene Auspraegungen haben die von Folk bis Hip-Hop reichen koennen die nicht notwendigerweise untereinander kommunizieren aber am Ende doch wieder zusammenlaufen was wiederum auch im Web passieren kann womit wieder die Abgrenzung zwischen Web und Real-Life ad absurdum gefuehrt wird.
Es passiert aber nicht nur *auch* im Netz, sondern *gerade* und unter einer unvergleichlichen Dynamik im Netz, weil diese Wechselwirkungen im Real Life aufgrund der dortigen Kommunikationsformen nur auf andere, trägere Weise ablaufen kann.
Linguistisch ist etwas wie »gruppenspezifischer Code« meiner Auffassung nach recht treffend, sofern du speziell das Phänomen Nerd-/Hackerspeak, Usenet-Akronyme et cetera betrachtest. »Jargon« beziehungsweise auch »Slang« wären dann meines Erachtens zentrale Begriffe, falls es um eingegrenzte beziehungsweise umgrenzbare Kommunikationsgemeinschaften geht.
Womit wieder bewiesen waere dass sich Web und Real-Life nicht trennen lassen
Vom linguistischen Standpunkt aus ist sicherlich interessant, dass gruppenspezifischer Code im Netz vielfältiger vorkommt und in seiner Entstehung anderen Regeln unterliegt. Die grundsätzlichen Erkenntnisse lassen sich zweifellos auch auf das Netz übertragen.
da sich die gleichen Phaenomene auch in vielen anderen Gruppen finden lassen die von Musikliebhabern ueber Autofanatiker zu Gaertnern reichen koennen
Ja, das wollte ich nicht bezweifeln. Dennoch könnten sich die von emu beschriebenen Phänomene auf dieselbe oder stark ähnliche Weise im Real Life nicht ausbreiten, finde ich.
wobei ich mal von berufsspezifischer Sprache wie dem beruehmt-beruechtigten Consultant-Speak, was ja auch als Bullshit-Bingo bekannt ist,
Hehe.
dass vieles wenn nicht sogar alles das im Internet passiert auch anders passiert nur vielleicht in leicht abgewandelter Form
Nicht mehr und nicht weniger wollte ich ausdrücken, wobei ich jedoch nicht von »leichten« Abwandlungen sprechen möchte und die Wahrscheinlichkeit, dass es anders passieren kann, nicht sehr hoch ist. ;)
da es sich im Prinzip nur um ein Mittel zum Zweck handelt.
Ja, so definiert sich »(Kommunikations-)Medium«. Und durch diese Interaktion definiert sich das Individuum.
der auch mal Lust hatte ewiglange Bandwurmsaetze zu schreiben was ihm wohl ansatzweise gelungen ist auch wenn er kurze knackige Saetze eigentlich bevorzugt da sie seiner Meinung nach die Lesbarkeit eines Textes und da insbesondere eines Textes auf einer Webseite erheblich verbessern
Du hast die Interpunktion und »Integrität« der Sätze absichtlich weggelassen, aber als satirische Zuspitzung beziehungsweise Übertreibung »lasse ich es grosszügig gelten«. ;))
vor allem wenn die Zeilen durch den Aufbau der Seite recht lang sind was in Verbindung mit der Schwierigkeit Texte auf einem Monitor zu lesen im Zusammenhang zu betrachten ist.
Mein Benutzerstylesheet hat max-width (siehe letzte Diskussion), und vermutlich nehme ich deshalb irrtümlich an, dass bei anderen die lange Sätze zumindest optisch in genießbare Häppchen zerstückelt werden. Aber dennoch verfasse ich die Beiträge in einem Texteditor mit 120 Zeichen pro Zeile und lese mein Geschriebsel auch mehrfach (und muss mich selbst auch unabhängig davon folglich fragen, was ich meinte, deshalb bin ich der Situation des Lesers nicht allzu fern)...
Grüße,
Mathias