Sven Rautenberg: Das kann doch nicht agehen!!! (Toy Collect)

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Moin!

Wie kann es sein, dass ein Land wie Deutschland nicht mal in der Lage ist, ein funktionierendes Maut System einzuführen???

Es gibt ein paar Gesetze für Großprojekte:

1. Es dauert länger.
Klar. Wer selbst schon einmal bei einem etwas größeren Projekt mitgewirkt hat, der wird davon ein Lied singen können. Dies ist dabei gar nicht mal böswillig verschuldet. Bei den Zeiträumen, in denen so ein Projekt entwickelt und fertiggestellt werden soll, verschieben sich währenddessen gerne mal die Ziele oder die Anforderungen oder beides. Denn im Laufe der Entwicklung eines bis dato unbekannten Systems wird man natürlich schlauer, erkennt Irrwege und bessere Lösungsmöglichkeiten. Das alles kostet aber immer irgendwie Zeit, die ab einem bestimmten Punkt nicht mehr aufzuholen ist.

2. Mit dem Staat kann man's ja machen.
Es ist vermutlich ein nicht auszurottendes Phänomen, dass sich bei Staatsaufträgen die sprichwörtlich vorhandene Beamtenmentalität offenbar auf den Auftragsnehmer überträgt. Den Beamten ist (wenn die bösen Zungen Recht haben, was ich nicht glaube) ja auch alles egal, also ist den Auftragnehmern dann eben auch einiges egal. Abgesichert wird das dann durch eine entsprechende Vertragsgestaltung, die als Eckpunkte mindestens folgendes definiert: a) Der Auftragnehmer erhält vom Auftraggeber eine Summe X. b) Der Auftragnehmer erstellt für den Auftraggeber dafür eine Entwicklung Y. c) Diese Entwicklung soll vorbehaltlich sich ändernder Zeitplanung bis zum DATUM fertiggestellt werden. Eine Vertragsstrafe im Falle verzögerter Ablieferung wird ausdrücklich ausgeschlossen. Ein Nachschießen von nachgewiesenen zusätzlichen Kosten der Entwicklung des Auftragnehmers durch den Auftraggeber ist ausdrücklich vorgesehen. d) Der Vertrag ist durch den Auftraggeber unkündbar.

Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit mit ihren Steuermilliarden das Mautsystem finanziert hat, aber nicht mal in Person ihrer gewählten Volksvertreter Einblick in den tatsächlich geschlossenen Vertrag erhält, ist schon "sehr interessant".

3. Global Player sind träge
Angesichts einer sehr vorteilhaften Vertragsgestaltung dürfte es die beteiligten Großunternehmen nicht sonderlich stören, wenn sie beim Auftraggeber in Ungnade fallen. Bei den privaten Verbrauchern dürfte das in der Masse kaum ins Gewicht fallen (da schimpft man dann eher auf "die da oben", aber man wird kaum weniger Mautsysteme kaufen, und auf Verbrauchsartikel kann man nicht unbedingt verzichten - und wird sich beim Kauf nicht erinnern, dass Firma X beim Mautsystem ja Mist gebaut und viel Steuergeld gekostet hat und deshalb boykottiert gehört) - und der Staat dürfte ein ebenso schlechtes Gedächtnis haben.

Ich kann mich erinnern, dass ein viel preiswerteres Maut-Verfahren einer deutschen UNI aus unerklärlichen Gründen abgelehnt wurde.
Es wurde lieber das überteurete "TOY Collect" System angeschafft was nichteinmal funkioniert!

Das Uni-System hat seine Untauglichkeit noch nicht beweisen können. Ohne dass du beide Systeme einer detaillierten technischen Begutachtung unterworfen hast, kannst du dir (ebenso wie ich mir) kein Urteil über "das beste" System erlauben.

Ich gebe zu Bedenken: Viele Systeme "funktionieren", nachdem sie entwickelt wurden. Aber genau wie es mit dem Selfforum gelaufen ist (die Userzahlen stiegen, das Forum wurde immer langsamer - und läuft deshalb mittlerweile mit der dritten, wieder grundsätzlich überarbeiteten Version der Forumssoftware), dürfte es auch mit dem Mautsystem laufen: Eine kleine Schar Testuser stellt kein Problem dar - einige Millionen LKW, die gleichzeitig bundesweit erfaßt werden sollen, aber sehr wohl.

Wenn man selbst das nicht mehr hinbekommt, dann gehen hier in 10 Jahren sicher alle Lichter aus!

Es fällt immer ganz leicht, auf jemanden zu schimpfen, der etwas nicht hinbekommt. Mach's besser!

Die öffentliche Diskussion zum Thema ist leider absolut nicht zielführend - aufgrund von Unwissenheit. Das, was derzeit über das System bekannt ist, läßt sich in dem Satz "Funktioniert nicht." zusammenfassen. Aber wie auch hier im Forum gilt: Mit so einer Aussage läßt sich nicht festmachen, woran die Nichtfunktion liegt, wer dafür verantwortlich ist und _warum_ es nicht funktioniert.

Und da hilft es auch wenig, wenn der Geschäftsführer von TollCollect jetzt aus dem Amt getreten würde. Das wäre dem Menschen vermutlich absolut recht, denn dann ist er diesen Scheißjob endlich los und kriegt noch eine Abfindung - aber das sorgt nicht für ein funktionierendes Mautsystem.

Nein, am sinnvollsten wäre, würde im Vertrag eine entsprechende Strafe für verspätete Fertigstellung vereinbart sein und das Konsortium jetzt zahlen müssen. _Das_ würde den Interessen der Bevölkerung gerecht werden, weil es Steuergelder spart.

Alternativ habe ich mich auch schon mit dem Gedanken angefreundet, das der Staat das ganze System, wie letzt in der Diskussion war, aufkauft. Allerdings: Warum sollte man das System im jetzigen Zustand aufkaufen? Das würde doch höchstwahrscheinlich die bisherigen Experten vom Projekt abziehen (klar, wenn die Firmen den Auftrag verlieren), man müßte dann neue Experten hinzuziehen, die dann zunächst eingearbeitet werden müßten - allein die Verluste durch mangelnden Wissenstransfer wären enorm und würden noch einmal ein Vielfaches der Kaufsumme kosten. Und dann hätte der Staat das System an der Backe und wäre für die Fertigstellung allein zuständig. Und den danach folgenden Betrieb. Am besten noch mit Beamten. Das erzeugt ebenfalls enorme Kosten, die dann im Staatshaushalt aber gut versteckt werden können.

- Sven Rautenberg

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