Nabend Heiner,
Spiegel-Online hat eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Verfassung gewagt. Man sollte sich wirklich mal ein paar Minuten Zeit nehmen den 5teiligen Text zu lesen und wird die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,267865,00.html
Gut, habe ich gelesen und möchte aus meiner Sicht dies vorausschicken: der Spiegelartikel ist die gewohnt intellektuell verpackte doch trotzdem billige Stammtischpolemik, die mich den Spiegel auf der Liste der von mir gelesenen Printmedien noch hinter die Bravo rutschen lässt.
Aber der Reihe nach:
Zunächst wird erstmal mit dem deutschgeschichtlichen Zaunpfahl namens Weimarer Verfassung gewunken. Wir alle wissen, dass das Experiment gründlich misslungen ist. Zu indizieren, dass das Grundgesetz oder die geplante Europäische Verfassung auch nur annähernd etwas mit dieser Verfassung der Weimarer Republik gemein haben könnte, grenzt schon fast an Volksverdummung.
Weiter gehts. Da versucht ein Rechtsgelehrter seine persönliche Meinung zum Thema Volksabstimmung publik zu machen. Soll er, wir haben Meinungsfreiheit. Aber er erweckt beim unbedarften Leser, die in Rede stehenden Verfassungen seien undemokratisch und wettert gegen die "repräsentative Demokratie". Den Kontext erklärt er jedoch nicht. So bleibt am Ende der Eingangsseite der Eindruck, dass die in Rede stehenden Verfassungen undemokratisch zustande gekommen sind, was auf den folgenden Seiten belegt werden soll.
Gut, der Erläuterung zu "degressiv proportional" vermag ich noch zu folgen, allerdings verliert der Autor kein fundiertes Wort zu den Argumenten dafür. Nein, ich kenne diese Argumente nicht, nur wie soll ich mich für eine von beiden Argumentationen entscheiden können, wenn ich nicht beide kenne? Und wieder drängt sich der Verdacht der intellektuellen Polemik auf, aber das schrieb ich bereits.
So stellt der Autor im Folgenden das grundgesetzliche Gesetzgebungsverfahren in Frage und versteigt sich in der Aussage, dass der Bundesrat "nur eine indirekt demokratische" Einrichtung sei. Zu den Motiven, welche die Väter des deutschen Grundgesetzes dazu bewogen haben mögen, warum das Gesetzgebungsverfahren so ausgestaltet ist wie es ist, verliert er kein Wort und stilisiert statt dessen das amerikanische System zum Maß aller Dinge.
Nun arbeitet sich der Autor zu einem Punkt vor, den ich ausnahmsweise vorbehaltslos unterschreiben würde - der europäischen Regelungswut. Diese mag zwar "gut gemeint" sein, führt jedoch nichtdestotrotz dank der Gesetzgebungshoheit der Mitgliedsstaaten zu teilweise erstaunlichen Ergebnissen. Wer vielleicht die 6. Richtlinie zur Harmonisierung des Umsatzsteuerbinnenmarktes kennt und weiß, wie die Bunte Republik Deutschland diese umgesetzt hat, wird wissen, was ich meine. Nicht umsonst ist Deutschland eines der am meisten vor den EuGH gezerrten EU-Länder, soweit es um Steuern geht. Aber um so etwas geht es dem Autor nicht, nein, er bringt die "BILD-Beispiele" (Krümmungsgrad von Gurken etc.) - Polemik. Und dann wieder dieses Blabla, dass eine Volksabstimmung das Nonplusultra sei.
Doch halt, zum Schluss kommt dann doch noch etwas Positives:
Der Verfassungsentwurf würde sich in "Trippelschritten" in die richtige Richtung bewegen. Ja, was denn nun?
Mein Fazit zu diesem Artikel ist, dass hier ein profilneurotischer Jurist versucht, mit intellektueller Polemik mit dem deutschen Grundgesetz - hier insbesondere dem Gesetzgebungsverfahren und dem fehlenden Volksbegehren - abzurechnen. Es geht im Grunde gar nicht um die Europäische Verfassung, es geht um die persönliche Kritik des Autors am GG.
Vielen Dank fürs Lesen
Torsten