Hallo Denito,
[...] Nicht immer ist eine mathematisch korrekt umgesetzte Repräsentration gerechter als die "degressiv proportinale".
Was verstehst du unter "mathematisch korrekt umgesetzter Repräsentation"? Dass die Anzahl der Stimmen eines Mitgliedstaates proportional zur Einwohnerzahl des Staates ist? Das wäre in vielen Fällen die mathematisch falsche Umsetzung. Ich gebe mal kurz ein Beispiel aus einem mathematischen Kinderbuch[1] wieder, das die Problematik IMHO aber trotzdem sehr anschaulich darstellt:
In dem Beispiel gibt es sechs Staaten, deren Stimmzahlen proportional zu den Einwohnerzahlen errechnet wurden:
A: 10 Stimmen
B: 9 Stimmen
C: 7 Stimmen
D: 3 Stimmen
E: 1 Stimme
F: 1 Stimme
Insgesamt gibt es also 31 Stimmen. Bei einer Ja/Nein Abstimmung muss es logischerweise unter A, B und C immer zwei geben, die für das gleiche stimmen. Wenn das A und B sind, dann haben sie zusammen 19 Stimmen, A und C hätten zusammen 17 Stimmen und B und C hätten zusammen 16 Stimmen. In allen drei Fällen würde sich also schon aus den Entscheidungen der größten drei Staaten eine absolute Mehrheit ergeben. Was die kleineren Staaten wählen, würde dann keine Rolle mehr spielen. Es gibt tatsächlich den mathematischen Begriff des "Machtindex", der angibt, in wie vielen aller möglicher Konstellationen die Entscheidung eines bestimmten Staates ins Gewicht fällt. Es soll also nicht Ziel sein, die Anzahl der Stimmen proportional zu den Einwohnerzahlen zu bemessen, sondern der Machtindex muss proportional zu den Einwohnerzahlen sein.
Gewiss, das Beispiel gibt die Problematik in sehr vereinfachter Weise wieder und lässt sich natürlich nicht 1:1 auf die EU übertragen, schon alleine daher, dass die Abstimmungsverfahren anders ablaufen. Trotzdem glaube ich, dass es das Verständnis erleichtern sollte.
Wenn also jemand etwas wenig überzeugend davon spricht, dass "kleine Staaten sonst ja leicht überstimmt werden würden", dann ist das nicht nur eine gefühlsmäßige Gerechtigkeit oder Mitleid mit den kleinen Staaten, sondern es lässt sich möglicherweise tatsächlich formal Beweisen (wenn auch nicht so einfach wie im obigen Beispiel). Das muss allerdings nicht heißen, dass die Verteilung in der EU wirklich nach dem optimalen Schema berechnet wurde.
Robert
[1] Ian Stewart, Die gekämmte Kugel, erschienen 1997 im Spektrum Verlag, ISBN 3-8274-0090-2