Christian Seiler: EU-Verfassung unterhöhlt unsere Demokratie

Beitrag lesen

Hallo Torsten,

Naja, sagen wir's mal so. Meiner Meinung nach war die Weimarer Verfassung in einigen Punkten zu "volksnah".

IMHO mit Sicherheit nicht.

Damit meine ich bspw. die Direktwahl des Reichspräsidenten auf 7 Jahre oder die Möglichkeit, durch Volksentscheid Gesetze herbeizuführen.

Ersteres ist per se nichts schlimmes, woanders funktioniert das ja auch. Im Gegenteil, ich würde mir mehr Gewaltenteilung in Deutschland wünschen; im Moment sind Exekutive und Legislative hier in Deutschland miteinander verschränkt.

Zu den Volksentscheiden: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/verfassung/volksentscheid/ Ich sehe nicht, inwiefern die Volksentscheide der Weimarer Republik geschaden haben, im Gegenteil, die Entscheidungen des Volkes erschienen mir durchaus klüger als die Entscheidungen mancher Politiker heutzutage, gerade wenn man bedenkt, was für turbulente Zeiten das damals waren. "Weimar" wird immer als nicht begründetes Argument genommen, um die Nichtexistenz von Volksentscheiden und Volksbegehren auf Bundesebene zu rechtfertigen.

Das klärende Element des Reichstages (heute Bundestages) wurde dadurch ausgehöhlt.

Nein. Mit Sicherheit nicht. Nicht durch die Volksentscheide und auch nicht durch die Direktwahl des Reichspräsidenten an sich. Ich bin auch der Ansicht, dass der Reichstag ausgehölt wurde, weil der Reichspräsident zu viel Macht hatte, s.u., aber dies hat IMHO nichts mit der Direktwahl per se zu tun. Hitler hat sich ja auch zur Wahl zum Reichspräsidenten gestellt (genauso wie Tählmann und Hindenburg) und dennoch wurde er nicht direkt vom Volk gewählt, das Volk der Weimarer Republik hat damals IHMO das kleinere Übel der dreien gewählt.

Woran nach meiner Meinung die Weimarer Verfassung gescheitert ist, war die Tatsache, dass der Reichspräsident mit zu weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde,

Ja, dem kann ich voll und ganz zustimmen. Es darf nicht sein, dass auch nur irgendjemand die Grundrechte außer Kraft setzen kann. Zum Glück hat man dazugelernt und im Grundgesetz festgelegt, dass weder Artikel 1 noch Artikel 20 verändert oder gestrichen werden dürfen sowie Artikel 2 bis Artikel 19 in ihrem Kern nicht angetastet werden dürfen.

Wäre der Reichspräsident nicht mit derart weit reichenden Befugnissen ausgestattet gewesen, wäre es nach meiner Meinung nie möglich gewesen, dass Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.

Ich würde es eher so sagen: Die mögliche Ernennung von Hitler zum Reichskanzler hätte nicht zu den gleichen Konsequenzen geführt, hätte der Reichspräsident keine derartigen Befugnisse gehabt. Ob Hitler zum Reichskanzler geworden wäre, hätte der Reichspräsident nicht derartige Rechte, weiß ich schlichweg nicht und würde darüber auch nicht spekulieren wollen.

Die darauf folgenden politischen Winkelzüge wie die "Reichstagsbrandverordnung" oder das "Ermächtigungsgesetz" wären bspw. auf der Grundlage des Grundgesetzes (vulgo: Verfassung) schlicht nicht möglich.

Ja, volle Zustimmung.

Alles in allem war die Weimarer Verfassung ein guter Ansatz, da sie jedoch vom tiefen Misstrauen ihrer Väter gegen die Parteiendemokratie geprägt war, musste sie letztlich scheitern.

Nein, nicht musste. Sie ist deswegen gescheitert, dem stimme ich zu. Allerdings hätte alles auch anders kommen können, wenn nicht auch bestimmte andere Faktoren dazugekommen wären.

Viele Grüße,
Christian