Hi Jan,
ich habe das Topic mal geändert, weil das Wort "Anglizismen" schon etwas Negatives transportiert und es meist ja nicht um Anglizismen, sondern um US-amerikanische Begriffe geht.
Du kannst Dir daher schon denken, dass ich eher für die Verwendung englischer Standardbegriffe im IT-Bereich bin. Einige Argumente:
1. Förderung der internationalen Verständigung.
2. Klare Trennung zwischen Alltagssprache/Inhalten und Befehlen beim Erlernen von Programmiersprachen.
3. Verzerrung durch Übersetzung:
Diesen Punkt möchte ich etwas näher ausführen. Im Dreamweaver oder früher in Microsoft-Makrosprachen wurden und werden Fachbegriffe ins Deusche übersetzt. Daraus ergeben sich verschiedene Probleme. So weiß ich etwa im CSS-Fenster von Dreamweaver nicht im geringsten, welche CSS-Begriffe sich hinter den deutschen Wörtern verstecken. Zudem sind solche Übersetzungen nicht standardisiert, jedes Softwarehouse würde da eigene Standards setzen und es ergäbe sich eine bapylonische Sprachverwirrung. Besonders ist mir das mal aufgefallen bei einer Übersetzung der Beschreibung eines Motherboards: Wieviele verschiedene englische Begriffe da gemütlich mit dem deutschen Wort "Schalter" übersetzt wurden, da war ich froh, in der englischen Übersetzung nachsehen zu können, wo von den Switches die Rede war.
Stell Dir vor, jemand würde das Projekt promoten, die international bekannten Befehle in Perl, PHP und CSS jeweils in alle Landessprachen zu übersetzen!
4. Irritationen im umgangssprachlichen Bereich
Vor ein paar Monaten habe ich mir den Roman "Brandmauer" von Mankell gekauft, beim Lesen wurde mir dann klar, dass damit eine Firewall gemeint war. Zusätzliche Irritation: Eigentlich hat der Autor nicht richtig verstanden, was eine Firewall ist, und bezeichnet mit dem Begriff alle Arten von Passwortschutz, ein mächtiges Durcheinander. Die verpeilte Übersetzung stammt übrigens vom Autor ("Brandvägg"), nicht vom deutschen Verlag.
5. Offenheit der deutschen Sprache
Die deutsche Sprache gehört zu den wortreichsten der Welt und ist daher in der Lage, in besonderer Genauigkeit bestimmte Sachverhalte erfassen und beschreiben zu können. Der krasse Gegenentwurf wäre das Chinesische, die aufgrund ihres Sprachsystem gezwungen oder willens sind, jeden neuen Begriff in besonderer Weise in ihr Sprachsystem integrieren zu müssen. Wie das geht: Man setzt den fremdsprachlichen Begriff aus ähnlich klingenden Zeichen der eigenen Sprache neu zusammen. Die eigenartige Wirkung: Die dazu verwendeten Zeichen haben auch eine eigene, oft gänzlich andere Bedeutung, wodurch jeder Text eine eigenartige, für uns extrem irritierende zweite Sinnebene bekommt.
Diese grundsätzlich verschiedene Herangehensweise unterscheidet Sprachen wesentlich, auch das Französische wird sicher durch den staatlichen Druck der "Französisierung" eine besondere Entwicklung nehmen. So erweist sich der uralte Satz von Humbold als wahr, dass jede Sprache eine eigene Sicht der Welt enthält, auf jeweils verschiedene Weise versucht, die reale Welt, unsere Wünsche und Träume begrifflich zu fassen.
Die meisten Versuche, die spezifisch deutsche Offenheit für fremdsprachliche Begriffe in Frage zu stellen, finde ich durchaus künstlich, sie ertreckt sich lustigerweise auch meist nur auf bestimmte Sprachen, denn der Grundbestand deutscher Begriffe ist ja schon seit Jahrhunderten international geprägt. Es wäre ja geradezu albern, Begriffe wie "Medizin" oder "Philosophie" eindeutschen zu wollen. Zudem entzieht man der Sprache damit eine historische Dimension und eine Grundlage internationaler Verständigung. Es ist doch durchaus ein wichtiger Aspekt, dass es einen europäischen Wortbestand von einigen 1000 Begriffen gibt, den jeder sofort besteht, vor allem in den Bereichen von Wissenschaft und Technik.
Es gibt einen schönen Jugendroman von Salman Rushdie (Harun und das Meer der Geschichten), in dem er die Freude von Kindern an neuen und schierigen Wörtern beschreibt, zeigt, dass es ein faszinierendes Spiel sein kann, neue Begriffe zu entdecken und anzuwenden. Ich halte die Offenheit des Deutschen für eine besondere Qualität unserer Sprache.
Viele Grüße
Mathias Bigge