Moin,
wir hatten gerade vor zwei Wochen Klassentreffen (Abschluß 1980) und haben uns dabei auch über unsere Streiche ausgetauscht. Ich hätte sie sonst sicher schon vergessen. Sie waren alle eher unspektakulär, hatten aber eins gemeinsam: Es war immer der gesamte Klassenverband beteiligt.
Zwei Beispiele:
Unsere Englischlehrerin machte jede Woche einen Vokabeltest mit uns. Die Vokabeln ergaben sich aus dem Stoff der letzten Woche, waren also als Menge bekannt. Wir haben uns eines Tages vor der Englischstunde hingesetzt, einer ist nach vorn gegangen und diktierte die Vokabeln sowie deren Übersetzung. Jede/r hatte Fehler zu machen - so dass sie/er ein, maximal zwei Noten besser als üblich abschnitt. In der Stunde tauschten wir dann unauffällig den eben geschriebenen Test mit dem vorbereiteten Test aus. Das klappte ohne Problem. Ärgerlich war nur, dass die Lehrerin - entgegen ihrer Gewohnheit, wie sie uns nachher versicherte - den Test unmittelbar in der für sie folgenden Freistunde korrigierte. Die eben diktierten Vokabeln noch frisch im Kopf stolperte sie über die abweichende Reihenfolge und kam uns auf die Schliche. Wir bekamen ein mündliches Lob für die gute Kameradschaft im Klassenverband und jeder eine Sechs für den Test.
Bei einem anderen, unbeliebten Lehrer (heute denke ich, dass er überfordert war: zuviel Engagement und zuwenig Professionionalität) standen wir zu Beginn der Doppelstunde auf, holten mitgebrachte Kochutensilien nach vorn auf den Lehrer-Pult und fingen an, auf Camping-Kochern Spaghetti zu bereiten. Auf seine Nachfrage hin teilten wir ihm mit, dass uns heute der Sinn nach Essen stehen würde, der Unterricht falle aus. Er könne etwas abhaben, wir hätten genug mitgebracht. Wenn er wolle, könne er uns ja was aus seiner Jugend erzählen. Ansonsten sei er herzlich eingeladen, mitzukochen. Der Mann war völlig hilflos, ging meckernd aus dem Klassenraum heraus, kehrte unverrichteter Dinge wieder zurück und wusste nicht ein noch aus. Heute tut er mir leid. Damals taten wir uns leid und schenkten uns und ihm eine etwas andere Stunde, die immerhin mal Spaß machte; sein Problem, wenn er nicht mit uns mitkam. Auch diese Aktion blieb nicht folgenlos, wir bekamen im Nachhinein allesamt einen Eintrag ins Klassenbuch.
Dabei waren wir nicht etwa eine Klasse, die ein monolithischer Block vom renitenten Schüler/innen gewesen wäre. Nein, es gab Streber, Schleimer, Bocklose, Schüchterne, Klassenkasper ... einfach alles, was dazu gehört. Und als Realschule bestand die Klasse fast zur Hälfte aus Abgängern von Gymnasien, die erst später zum Klasse stießen. Niemand wurde "gezwungen" die Streiche mitzumachen. Die Streiche wurden vorgeschlagen, diskutiert und ausgeführt, wenn alle es sich vorstellen konnten, mitzumachen. Diese Einigkeit habe ich auch nach 25 Jahren noch gespürt. Obwohl wir uns erstmal nach 15 Jahren trafen, war die Stimmung "wie früher". Sicherlich liegt es auch dran, dass die meisten von uns im damaligen Umfeld wohnen geblieben sind, nur wenige haben den Stadtteil verlassen, wenige die Region und fast keiner das Land. Wir sind also zu einen großen Teil unserere Heimat treu geblieben. Verändert haben wir uns alle (innerlich wie äußerlich) schon, aber irgendwas ist gleich geblieben. Vielleicht liegt dieser "spirit" auch an etwas anderem, vieleicht sogar an der Schule und ihren damalgen Lehrern. Ich bin mir da nicht sicher.
Viele Grüße
Swen Wacker