Hallo Andavos,
Da aber bei einem schwarzen Loch der Radius fast Null ist, bzw. extrem viel kleiner als bei dem Stern, ist die Fluchtgeschwindigkeit größer als Lichtgeschwindigkeit.
Naja, nicht ganz. Die Fluchtgeschwindigkeit leitet sich ja aus der Energieerhaltung her: Die Gravitationskraft ist ja
[latex]F_G = \gamma \frac{m_1\cdot m_2}{r^2}[/latex]
Damit ist die potentielle Energie an einem bestimmten Punkt in einem Gravitationsfeld (wenn [latex]E_{\mbox{pot}}(\infty) = 0[/latex] gesetzt wird):
[latex]E_{\mbox{pot}}(R) = \int_{\infty}^R \gamma\frac{m_1\cdot m_2}{r^2} dr = -\gamma\frac{m_1\cdot m_2}{R}[/latex]. Nun wird für die kinetische Energie [latex]E_{\mbox{kin}} = \frac{1}{2}m_2\cdot v^2[/latex] gewählt. Für den Grenzfall, dass die Energie gerade ausreicht, um das Gravitationsfeld zu verlassen, gilt dann eben [latex]E_{\mbox{kin}} + E_{\mbox{pot}} = 0[/latex] und damit [latex]E_{\mbox{kin}} = -E_{\mbox{pot}}[/latex]. Das fliehende Objekt muss also _mindetens_ die Enerige [latex]-E_{\mbox{pot}}[/latex] besitzen, damit es das Gravitationsfeld des Objekts verlassen kann. Somit gilt: [latex]\frac{1}{2}m_2\cdot v^2 = \gamma\frac{m_1\cdot m_2}{r}[/latex] Wenn man dies umformt, ergibt sich eben die Formel für die Fluchtgeschwindigkeit [latex]v = \sqrt{\frac{2\gamma\cdot m_1}{r}}[/latex] (das ist auch die Formel, die bei Wikipedia steht, dort nehmen sie allerdings [latex]G[/latex] für die Gravitationskonstante und nicht [latex]\gamma[/latex] (ich hatte in der Vorlesung [latex]\gamma[/latex], daher schreibe ich's lieber so).
Diese ganze Herleitung hat jedoch zwei Haken:
1. Die Gleichung [latex]E_{\mbox{kin}} = \frac{1}{2}m_2\cdot v^2[/latex] gilt nur für Geschwindigkeiten, die wesentlich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit sind. Sobald man sich der Lichtgeschwindigkeit nähert, gilt die Gleichung nicht mehr, sondern man muss mit der _speziellen_ Relativitätstheorie rechnen.
2. Schwarze Löcher sind _das_ Paradebeispiel für die _allgemeine_ Relativitätstheorie. In ihrer Nähe erreicht die Raum- und die Zeitkrümmung nämlich derartige Ausmaße, dass die Newton'sche Gravitationstheorie auch nicht mehr gilt, d.h. die Gleichung für die Gravitationskraft, die wir verwendet haben, gilt auch nicht mehr.
Alles, was wir hier also zur Fluchtgeschwindigkeit berechnet haben, löst sich in Nichts auf, sobald wir mit schwarzen Löchern kommen. ;-)
Nun zur Lösung des Problems bei schwarzen Löchern: Wenn man sich in der allgemeinen Relativitätstheorie ein schwarzes Loch so vorstellt, dass alle Masse auf einen einzigen Punkt konzentriert ist, so stellt man fest, dass - wenn man sich diesem Punkt nähert - die Raum- und vor allem aber die Zeitkrümmung immer stärker wird. Ab einem gewissen Abstand von diesem Massepunkt (dem sog. Schwarzschild-Radius) wird die Zeitkrümmung unendlich. Betrachten wir nun erst einmal, was passiert, wenn man sich knapp außerhalb des Schwarzschild-Radius befindet: Die Zeit vergeht sehr langsam (von außen betrachtet - von der eigenen Warte aus gesehen vergeht die Zeit außen sehr schnell). Allerdings ist es immer noch möglich, mit endlicher Energie dem schwarzen Loch zu entkommen (Beachte: man hat bereits - da man sich in einem gewissen Abstand befindet, bereits eine gewisse potentielle Energie, so dass die Geschwindigkeit, die man braucht, um von Knapp außerhalb wegzukommen, nicht die Fluchtgeschwindigkeit ist!). Wenn man sich nun immer weiter dem Schwarzschild-Radius nähert, dann wird die Energiemenge, die nötig ist, um von diesem Radius wegzukommen, immer größer. Genau ab diesem Radius ist die Energiemenge, die nötig ist, um von dem schwarzen Loch wegzukommen, unendlich groß (womit sich keine Fluchtgeschwindigkeit ausrechnen lässt - es gibt schlichtweg keine). Gleichungsmäßig dürfte das nicht wirklich einfach zu zeigen sein - ich hatte es jedenfalls noch nicht im Studium. ;-)
Zu der Geschichte mit der Fluchtgeschwindigkeit größer als Lichtgeschwindigkeit: Das ist durchaus eine brauchbare Vorstellung, um sich klar zu machen, was in der Nähe eines schwarzen Lochs passiert. Allerdings - und das ist wichtig - sollte man sich dies eben *nicht* mittels der Formel klar machen, da diese eben nicht mehr gilt. Was allerdings der Fall ist: es lässt sich kein Körper konstruieren, bei dem die Fluchtgeschwindigkeit schon nach Newton größer wäre, als die Lichtgeschwindigkeit, da der Schwarzschild-Radius genau [latex]R_s = \frac{2\gamma m_1}{c^2}[/latex] ist und somit genau beim Schwarzschild-Radius c (Lichtgeschwindigkeit) als Fluchtgeschwindigkeit nach Newton herauskäme. Dies ist anscheinend einer der wenigen Fälle, in der man ausnahmsweise doch etwas sinnvolles bekommt, wenn man Newton auf ein relativistisches Problem anwendet (war mir aber auch neu, bis ich das jetzt gerade mal durchgerechnet habe).
Viele Grüße,
Christian