Christoph Schnauß: 40 Jahre Beatclub

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hallo Utz,

"99 Luftballons" war nun einmal Nena,
Ihre Anwesenheit in jener Liste hatte mich auch verwundert, daher das Reingrätschen. Jetzt isses klarer.

Das Ganze wird verständlicher, wenn man weiß, daß die DDR bis weit in die 70er Jahre hinein sogar in ihrer Nationalhymne eben genau jenen "Alleinvertretungsanspruch" konservierte, den man andererseits der Bundesrepublik vorwarf. Die Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen" hatte immerhin auch eine Zeile "Deutschland, einig Vaterland", und dann noch "von der Maas bis an die Memel, von der Oder bis zum Rhein". Der sie geschrieben hatte, war, trotz massiven Kokain-Mißbrauchs, sogar eine Weile Kulturminister. Im Bewußtsein vieler Funktionäre gabs auch den Irrtum, daß sie ihren Kulturbegriff mit "deutscher Kultur" gleichsetzten.

Die Verbote, die es für Rockmusik gab, richteten sich tatsächlich _nicht_ gegen das, was "im Westen" an deutschsprachigem Rock oder Pop oder sonstwie Unterhaltungszeugs produziert wurde. Wenn die Texte nur deutschsprachig waren, war der ganze Song auch erlaubt, egal, was da gesungen wurde. Das Dumme ist halt, daß es im deutschsprachigen Rock/Pop auch in der damaligen Bundesrepublik ganz einfach so gut wie nichts gab, was auch nur im entferntesten mit den Entwicklungen der englischsprachigen Szene mithalten konnte.

Nina Hagen war öffentlich absolut nicht präsent.
Ich will jetzt nicht (schon wieder! *g*) versuchen, Dir den Osten zu erklären, aber ihre Anwesenheit auf so ziemlich jedem Ostalgie-Sampler (inkl. heute noch oft zu findenden sofort glänzenden Augen, wenn irgendwo "Mischa, mein Mischa..." ertönt) deutet doch auf was anderes hin.

Ja, auf eine Geschichtsverfälschung. Ich wiederhole: sie war öffentlich nicht vorhanden, privat und im "engen Kreis" war sie es schon, man reichte sich schließlich ja auch die Platten und/oder Tonbandmitschnitte der Lieder Wolf Biermanns gegenseitig zu, obwohl der nun noch weniger öffentlich präsent war.
Diese Eigenartigkeit in der DDR-Kultur, die gewissermaßen etwas "Zweigleisiges" aufwies, ist nur sehr schwer zu erklären. Das Dumme ist, daß wir es eben damals gar nicht so empfunden haben. Hatte man grade kein Tonbandgerät da, wurde eben Radio gehört und das Zeugs, was es da gab - so fürchterlich schlimm wars halt auch nicht immer. Hatte man aber eine Platte oder ein Tonband, so hörte man eben das - das Ganze ging nahezu nahtlos ineinander über.

Klar war sie nach dem Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung öffentlich nicht mehr vorhanden, aber die kurze Zeit davor hat offensichtlich gereicht, sie nachhaltig ins Gedächtnis zu brennen.

Hm. Mir nicht. Und ich bin in den Jahren, um die es dabei geht, ein sehr aufmerksamer "Beobachter" gewesen. Ich habe sie erst deutlich nach Biermanns Ausweisung überhaupt zur Kenntnis genommen.

Grüße

Christoph S.