Hallo Mathias,
Die Siedlungspolitik ist verfehlt, aber Israel war doch zu konkreten Zugeständnissen bereit.
..., die leider nicht weit genug gingen. Zu einer Rückgabe des östlichen Teils von Al Quds war Israel meines Wissens nie bereit.
Siehst Du bei den Hamas- oder Hisbollah-Milizen wirklich Perspektiven für eine friedliche Gesellschaft mit auch nur einem Ansatz von Freiheit?
Nein, aber wieso kommen die denn an die Macht? Meines Erachtens deshalb, weil die Bevölkerung in Palästina und im Libanon sich vom Westen und dem als seinem Vorposten verstandenen Israel gegängelt und gedemütigt fühlen.
Wie gehen die mit ihren eigenen Leuten um, wie erst mit Kritikern oder Homosexuellen oder sonstwem, der ihnen nicht passt? Denk an die Kindersoldaten, die der Iran zu Tausenden im Krieg gegen den Irak verheizt hat. Denk an die öffentlichen Hinrichtungen, an das Totprügeln von jugendlichen Schwulen, von Regimegegnern, von Frauen, die mit "Ungläubigen" ins Bett gegangen sind. Was hältst Du davon? Was hat das mit Israel zu tun?
Die französische Mandatsmacht hat den Libanon mit einer skurrilen undemokratischen Verfassung in die Unabhängigkeit entlassen: Dort ist festgeschrieben, dass der Präsident nicht etwa frei gewählt werden darf, sondern dass dieser aus der christlichen Minderheit zu wählen ist. Ich kann gut verstehen, wenn die muslimische Bevölkerungsmehrheit dagegen aufbegehrt.
Zusätzlich verschärft wurde die Situation im Libanon dadurch, dass sich die Mehrheitsverhältnisse durch die palästinensischen Flüchtlinge seit seiner Staatsgründung noch eindeutiger zu Gunsten der Moslems verschoben haben. Es sind dies Flüchtlinge, die es ohne den arroganten Akt des Westens, es zugewanderten jüdischen Europäern zu gestatten, in Palästina einen eigenen Staat auf fremdem Gebiet zu gründen, nie gegeben hätte.
Auch die Hamas wäre nie ans Ruder gekommen, wenn Israel früher (oder besser gesagt jemals) zu wirklichem Frieden bereit gewesen wäre und seine aggressive Siedlungspolitik unterlassen hätte.
Insbesondere die Annexion des Ostteils von Al Quds stellt gerade vor dem geschichtlichem Hintergrund der Kreuzzüge an sich schon eine ungeheuerliche Demütigung für jeden dar, der sich dem morgenländischen Kultukreis zugehörig empfindet. Darüber hinaus hatte die Zersiedelungspolitik für die Palästinenser direkt auch massive materielle Nachteile zur Folge.
... keine Rechtfertigung, mit dem Finger auf den Iran zu zeigen, der die Erlangung von Atomwaffen überhaupt erst nur anstrebt.
Hast Du die Berichte zur Teheraner Holocaust-Leugner-Konferenz verfolgt? Die abschließenden Äußerungen des Staatspräsidenten des Iran? Die Berichte zum Umgang mit Homosexuellen im Iran? Die öffentlichen Show-Hinrichtungen? Details zum Umgang mit Regimegegnern? Die Fatwa gegen Salman Rushdie? Das Vorgehen im Krieg gegen den Irak? Jedes Misstrauen ist hier berechtigt.
Natürlich habe ich diese Berichte verfolgt, aber du verwechselst Ursache und Wirkung. Die Vorgänge im Iran sind kein Grund, den israelischen Besitz von Atomwaffen zu rechtfertigen! Im Gegenteil:
Vielleicht haben sie erstmal gar nicht miteinander zu tun. Israel bedroht den Iran. Was für ein Unfug!
Selbst wenn Israel das nicht beabsichtigt und deshalb auch um klare diesbezügliche Aussagen herumeiert, es reicht doch schon, wenn man Ahmadinejad im Iran, den Assads in Syrien oder vorher Saddam Hussein im Irak eine Möglichkeit liefert, es beim eigenen Volk so darzustellen, um von den eigenen Problemen abzulenken.
Du drückst Dich um eine Stellungnahme herum, indem Du diverse arabische Staatsoberhäupter zu "Verrückten" erklärst, die aufgrund der israelischen "Massenvernichtungswaffen" an die Macht gekommen seien. Sorry, das ist einfach Unfug, nichts weiter. Die "iranische Revolution" hat ganz andere Hintergründe. Khomeini den Isaraelis in die Schuhe zu schieben, ist nichts als lächerlich. Wann war der Iran des Shah durch Israel bedroht?
Der Iran des Shah war nie durch Israel bedroht, kein Wunder, der tanzte doch damals nach der Pfeife der USA.
Aufgrund welcher "jüdischer Verschwörung" musste Saddam den Iran angreifen?
Er tat es, weil er dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, da die USA gerade nichts dagegen hätten, womit Saddam, anders als bei seinem Überfall auf Kuweit einige Jahre später damals ja auch Recht hatte.
Die Familie Assad ist lange an der Macht. Den politischen Hintergrund kennst Du? Danach klingt das nicht.
Ich habe das gerade einmal nachgelesen. Das ist in der Tat eine Familie, die ihr Fähnlein in populistischer Manier nach dem Wind dreht, wahlweise alles oder das genaue Gegenteil von allem vertritt und dabei über Leichen geht. Die Frage ist aber doch auch, warum sie sich bis heute an der Macht halten kann. Der äußere Druck (Kriegszustand mit Israel, dessen Annexion der Golanhöhen) ist da sicherlich ein innerlich stabilisierender Faktor.
Zum Iran: Das Regime radikalisiert sich, sicher auch wegen mangelnden Rückhalts in der gebildeten Bevölkerung, die die geldgierigen Ayatollahs lieber heute als morgen davonjagen würden. Was soll das mit der Holocaust-Konferenz? Wie sollte Israel das wahrnehmen Deiner Meinung nach? Und der Frieden im Nahen Osten wird nicht nur durch faschistoides Gerede in Frage gestellt wie durch die Ansprache des herrlichen iranischen Präsidenten, sondern konkret durch die Unterstützung von Milizen.
Nicht nur das Regime im Iran radikalisiert sich, die gesamte muslimische Welt tut es, und was genauso schlimm ist: immer mehr Leute in diesen islamisch geprägten Kulturen, denen Religion normalerweise ziemlich am Arsch vorbeigehen würde, wenden sich dieser nun zu und dann auch noch gleich in ihrer fundamentalistischsten Ausprägung, weil sie sich vom Westen nicht respektiert, gegängelt und gedemütigt fühlen. All diese mittelalterlichen Auswüchse wie ...
die öffentlichen Hinrichtungen, (...) das Totprügeln von jugendlichen Schwulen, von Regimegegnern, von Frauen, die mit "Ungläubigen" ins Bett gegangen sind.
... etc, die wären nicht auf dem Vormarsch, wenn sich der Westen nicht anmaßte, sich ständig in diesen Ländern einzumischen und die dortigen Konflikte nicht hauptsächlich aufgrund seiner Gier nach billigen Rohstoffen am Köcheln gehalten hätte.
Wer unterstützt denn die ganze Zeit wahlweise einen Saddam Hussein gegen Khomeini, dann wieder einen Assad gegen Saddam Hussein, wettert dann wieder über den Schurkenstaat unter Assad? Wer hält gleichzeitig undemokratische Regime wie das in Ägypten oder diversen anderen Staaten des Nahen Ostens an der Macht, gegen die Interessen der dort lebenden Völker?
Dem Iran ist es durch Hinwendung zum islamischen Fundamentalismus gelungen, diese westliche Einmischung abzuschütteln. Es steht zu befürchten, dass der Irak, Ägypten, Jordanien und Saudi Arabien sich daran demnächst ein Beispiel nehmen, wenn wir als Westen (allen voran die USA) nicht endlich mit dieser Einmischung aufhören, die nicht nur die politische Freiheit der Bevölkerungen dieser Länder, sondern auch deren materielle Grundlagen schwächt.
Nicht, dass ich das gutheißen würde, aber Staaten, die Israel dessen ungeachtet weiterhin sowohl materiell als auch ideell unterstützen, brauchen sich ansonsten nicht zu wundern, wenn sie und ihre Bürger selbst Zielscheibe von Terroranschlägen sind oder werden, die möglicherweise demnächst auch eine nukleare Dimension erhalten könnten.
Klasse. Eine Warnung. Vor den Terroristen müssen wir den Arsch zukneifen, sonst sprengen sie sich bei uns in die Luft. Bloß keine Kritik an den Klerikalfaschisten, sonst werden die sauer. Meine Linie ist das nicht. Massive Unterstützung von demokratischen Ansätzen in der Region, massive Sanktionen für die Unterstützer des Unfriedens und des Terrors, das wäre etwas. Nach und nach Perspektiven entwickeln für die beteiligten Ländern, die Regierungen bei jedem Versuch unterstützen, die unkontrollierbaren Warlords und Milizen zu entwaffnen.
Da bin ich voll d'accord! Natürlich müssen wir Terrorismus sowohl ideologisch als auch auch militärisch bekämpfen, wenn er sich schon zeigt, egal von wem er ausgeht. Noch wichtiger als die Bekämpfung des Symptoms ist aber die Bekämpfung der Ursachen, bevor er sich zeigt. Alles, was den Eindruck erweckt, wir im Westen mäßen mit zweierlei Maß, ist daher zu vermeiden: Dazu gehört, dass Israel sich aus sämtlichen besetzten Gebieten, inklusive Al Quds' zurückzuziehen und selbstverständlich seine Atomwaffen aufzugeben hat.
Der von Israel verübte Staatsterrorismus, das In-Sippenhaft-Nehmen ganzer Familien (Sprengung und Niederwalzen ihrer Häuser) und die Politik "gezielter" Ermordungen, insbesondere unter Inkaufnahme von "Kollateralschäden" sind dabei genauso zu geißeln.
Gruß Gernot