Moin!
Es geht nur darum, daß bisherige elektronische Wahlautomaten die Möglichkeit der gezielten Manipulation größeren Maßstabs erlauben, ohne Gefahr der Entdeckung.
Nun, betrachten wir die Sache mal streng theoretisch. Es gibt eine Manipulationsgefahr M (wobei M > 0, d.h. es wird immer ein wenig manipuliert). Jetzt steht die These im Raum, dass diese grösser wird durch den Einsatz moderner IT. Das ist erst einmal sehr überraschend.
Das ist für dich vielleicht überraschend, für mich nicht. Aber eine Betrachtung der Überraschtheit bringt die theoretische Betrachtung des Problems nicht weiter.
Belege [1] wurden weniger angeführt, eher wird das gute alte deutsche destruktive und zukunftsfeindliche Bauchdenken zitiert.
Ein Computer tut ja nun nur genau das, was sein Programm ihm vorschreibt. Von daher ist eigentlich davon auszugehen, dass ein wirklich korrekt programmierter Wahlcomputer, an dessen korrektem Programm, an dessen korrekter Konstruktion etc. keinerlei Zweifel bestehen, in der Tat vollkommen gleichwertig neben einer Papierwahl eingesetzt werden können sollte.
Das Problem sind die "Red Teams", die es in dieser perfekten theoretischen Welt nicht gibt, aber in der realen Welt.
Denn es geht bei Wahlen ja nicht einfach nur darum, dass gezählt wird, wie sich die Bevölkerung entscheidet. Es geht um Macht bzw. die mögliche Umverteilung von Macht. Und das hat - die Geschichte liefert unzählige Beispiele - schon immer dazu geführt, dass diejenigen, die derzeit die Macht haben, diese ungern wieder verlieren, während diejenigen, die derzeit keine Macht haben, diese gerne erlangen würden.
Je verlockender die durch die Wahl zur Disposition stehende Machtposition, desto skrupelloser das Vorgehen.
Man muß also davon ausgehen, dass es bei ausnahmslos jeder Wahl jemanden gibt, der den Ausgang der Wahl liebend gern beeinflussen würde.
Wie schützt man sich vor diesem Manipulationsverlangen? Indem man den Aufwand, der für ein unentdecktes Durchführen einer Manipulation notwendig ist, so groß macht, dass das Vorhaben praktisch undurchführbar erscheint oder so kostspielig würde, dass es den erzielbaren Nutzen nicht rechtfertigt.
Das ist wieder absolut schlichtes IT-Denken: Man leistet sich genau so viele Sicherheitsmaßnahmen, dass es teurer wird, diese Maßnahmen zu überwinden, als der erzielbaren Gewinn für den erfolgreichen Versuch einbrächte.
Und genau an diesem Punkt schwächen Wahlcomputer das Sicherheitsniveau der Wahlen enorm:
- Wahlcomputer sind für den Wahlberechtigten eine Black Box. Niemand weiß, was in ihnen vorgeht, niemand kann das konkrete Gerät unabhängig und komplett prüfen, weil dieser Vorgang extrem aufwendig wäre.
- Wahlcomputer werden aber oft zentral gelagert. Das bedeutet, ein Angreifer könnte an diesem zentralen Punkt ansetzen und seine Manipulation vornehmen. Er würde dadurch die Wahlen in sehr vielen Wahllokalen beeinflussen können, ohne dass die Manipulation in den Lokalen durch Bestechung der Wahlhelfer etc. notwendig wäre.
- Der derzeit verwendete beleglose Vorgang der Wahlcomputer entzieht die Wahl auch komplett der Nachprüfung, sollten Zweifel an der Korrektheit der Wahl laut werden. Niemand kann mehr nachprüfen, wie häufig tatsächlich Strom durch die jeweiligen Stimmtasten geflossen ist.
Außerdem ist vollkommen unklar, welches "Problem" durch diese Wahlcomputer denn eigentlich "gelöst" werden soll.
Wenn man berücksichtigt, dass der Unterhalt der Computer, die Lagerung, die vollständige Kontrolle vor einer neuen Wahl (angesichts der Manipulationsgefahr zwingend notwendig) etc. einen kräftigen Batzen Geld kostet, kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass Wahlen mit Wahlcomputern billiger sind, als die Papierversion.
Und auch was die Geschwindigkeit der Auszählung angeht, gibt es in meinen Augen kaum Verbesserungspotential: Wahlhelfern sprechen von "eine halbe Stunde früher Feierabend" beim Vergleich von Papier- zu Computerwahl.
Aber im Gegensatz zur Computerwahl hat man bei der Papierwahl als Öffentlichkeit wenigstens noch die Möglichkeit, den korrekten Ablauf der Wahl durch eigene Augen für sich schlüssig nachzuvollziehen.
Und genau das ist der zentrale Punkt: Schutz der Wahl vor unentdeckten, großflächigen Manipulationen, die erst durch Wahlcomputer technisch realisierbar werden.
[1] Das Argument, dass es nun möglich ist "per Knopfdruck" Millionen von Stimmen zu fälschen ist eben nicht überzeugend. Das war früher einfacher.
Wann war "früher"? Und wenn "früher" Papierwahl meint, und diese Wahlform heute sicherer ist - warum soll man das gewonnene Sicherheitsniveau dann wieder verlassen?
- Sven Rautenberg
"Love your nation - respect the others."