Zum einen: Ich stimme Dir nicht zu, dass Foren die Inhaltsstruktur in den Vordergrund rücken. Wenn ich ein Forum bediene, denke ich nicht explizit darüber nach, wer jetzt wann wo wie auf wen geantwortet hat, ich lese mir die Postings einfach durch (weil mich der Inhalt interessiert) und die Struktur hilft mir unterbewußt die Postings halbwegs einzuordnen.
Bei dir passiert das unterbewusst, aber das passiert nicht bei
- Nutzern, die zum ersten Mal in ein Forum kommen. Sie bekommen zuerst Struktur, nicht die Inhalte.
- Nutzern, die sich nur wenig beteiligen. Sie können von der Struktur nur schwerlich auf die Inhalte schließen.
- Nutzern, denen das Verständnis über Baumstrukturen fehlt. Sie sehen keine Inhalte und werden vermutlich auch Probleme mit der Navigation haben.
Dein Vergleich mit Konversationen hinkt in meinen Augen ziemlich stark. Wenn Du ein Internetmedium mit richtigen Konversationen vergleichen willst, dann nimm Chats - *dort* ist eine lineare Struktur natürlich sinnvoll, alles andere ist blödsinnig.
Wo ist denn der strukturelle Unterschied zwischen einem Chat und einem Board? Beide bilden ihre Inhalte linear ab und vermischen verschiedenen Diskussionsstränge (sofern vorhanden). Ein Board ist doch lediglich ein nicht zeitnaher Chat, der Zitate - darauf spielst du doch an? - als Gedankenstütze benutzt, um die Konversation nicht aus den Augen zu verlieren?
Zum anderen: Ich würde das Thema Ergonomie von Foren/Boards anders abgrenzen, nämlich an der Inhaltsmenge pro Thread. Wenn ich Boards habe, wo ein Thread 50 (oder gar 200) Seiten hat, dann ist in meinen Augen GAR KEINE Übersicht mehr gegeben.
Hm, nein, sehe ich nicht so. Kommt allerdings drauf an, wie "Übersicht" definiert werden soll. Natürlich bleibt es in einem Forum in großen Threads einfacher, einen einzelnen Gesprächsfaden zu extrahieren. Deswegen empfinde ich Foren auch als oft sinnvoller als Boards, wenn es darum geht, stark kontextbezogen lange Diskussionen zu führen - so wie z.B. im Selfforum. In einem Board geht ein einzelner Faden sicherlich schneller verloren, weil er sich mit anderen Postings durchmischt. Man kann dann als Benutzer nicht mehr so einfach immer wieder an den gleichen Stellen eines Fadens ansetzen und z.B. die gemeinsame Anpassung eines Sourcecodes Schritt für Schritt über 30 Ebenen weitertreiben.
Aber diese Art von Übersicht ist mir gar nicht sonderlich wichtig, denn ich finde es viel wichtiger, dass "breit" statt "tief" diskutiert wird. Symbolisch gesehen also auf einer Party eher das Gespräch in einer Gruppe (Board), anstatt vieler kleiner Einzelgespräche an mehreren Ecken des Raumes (Forum).
Aus dieser Art von Übersicht ergäbe sich aus deinen eben genannten 200 Postings z.B. 10 Boardseiten mit jeweils 20 Einträgen pro Seite. Ich benötige also 20 Klicks, um den gesamten Postingstrang initial zu lesen. Im Vergleich zu einem Baumforum sehe ich dabei zwar nicht auf Anhieb, wie die Fäden inhaltlich verlaufen, und wann ein Faden aufhört (falls ich am Ende ansetzen wollte), aber ich kann unmittelbar in für mich relevante Inhalte einsteigen und muss mich beim nächsten Besuch nur noch auf den weiteren Verlauf am Ende der gesamten Diskussion konzentrieren, also Seite 21 ff., und das empfinde ich als übersichtlicher als die Handhabung eines Baumforums, meine Beiträge aus einem sich über zig Ebenen erstreckenden Beziehungsstrang "rauspicken" zu müssen.
Ansonsten stimme ich aber auch Chräcker zu, dass sich technisch nicht so versierte Leute mit Baumstrukturen schwer tun. Ich stelle in letzter Zeit selbst immer wieder fest, wie schwer sich manche Leute mit Konzepten (nicht nur Baumstrukturen) tun, die für mich schon immer irgendwie selbstverständlich waren.
Ja, die lineare Struktur eines Boards ist sicherlich greifbarer als die Baumstruktur eines Forums.
Viele Grüße!
_ds
»Tinkerbell wurde einfach zu groß.« Beobachter beziehen diese Aussage auf das stetig wachsende Vermögen Hiltons und seinen immer stärkeren Einfluss auf die Beziehung des Paars.
Medienrauschen, Paris und Tinkerbell: Henne. Hahn.