hotti: Besinnliches zum Wochenende

Die Beerdigung meines Schwiegervaters gestern

Seine Frau, alle sieben Kinder, Enkel und Urenkel und Anverwandte, sind gekommen. Am Vormittag nahmen wir Abschied von Willi, er lag in seinem Sarg aufgebahrt, so als ob er nur schlief. Die Bestatter hatten sich sehr viel Mühe gegeben, ihn so aussehen zu lassen.

Wenig später fand die Aussegnung statt. Weitere Verwandte sind gekommen, auch der letzte Bruder vom Willi. Er hatte viele Geschwister in den späten 30er Jahren, über 12 sind es gewesen, von denen jedoch nur fünf überlebt hatten. 1940 starb die Mutter, Willi war gerade drei Jahre alt. Alle Geschwister vom Willi kannte ich, bis auf den letzten Bruder, es ware eine interessante Begegnung gestern. Die Rede hatte meine Schwiegermutter mit vorbereitet, auch dazu gab es einen sehr guten Vortrag.

Willi hat sein Leben lang für seine Kinder und die Familie geschuftet, aber gottseidank durfte er ein paar Jahre seines verdienten Ruhestandes erleben, was in die Zeit der Grenzöffnung fiel. Und so reisten Willi und seine Frau nach Österreich, in die Schweiz, nach Italien und nach Amsterdam, was zu DDR-Zeiten nicht möglich gewesen wäre.

Das Lieblingslied meines Schwiegervaters war "Kleines Haus am Wald", gespielt und gesungen von Herbert Roth, einem Komponisten und Liedermacher aus dem Thüringer Wald. Zur Aussegnungsfeier wurde dieses Lied gespielt, es war der letzte Wunsch von Willi, der es, zusammen mit seiner Familie bis in die 80er Jahre hinein auch schaffte, ein kleines, wenn auch sehr bescheidenes Haus am Wald zu bauen.

Alle begleideten wir unseren Vater auf seinem letzen Weg zur Begrabungsstätte. An einem ach zu wunderschönen Frühlingstag wo die Nachtigallen trällerten und die Schwalben zwitscherten. Der Chef des Bestattungsunternehmens erkannte in meiner Frau eine ehemalige Klassenkameradin... Kinder, die nun erwachsen sind.

Am späten Nachmittag fanden wir uns als alle Trauergäste noch einmal ein am frischen, aber geschlossenem Grab. Zwischendurch meldeten sich weitere Trauergäste aus Libyen, die Eltern vom Schwager Aladin. Sie hatten die Kosten nicht gescheut, von Libyen aus anzurufen, und jedem einzelnen Familienmitglied ihr Beileid auszusprechen. In einer uns allen unbekannten, aber verständlichen Sprache.

Für alle war der Tag sehr anstrengend. Im kleinen Haus am Wald meines Schwiegervaters ist nicht Platz genug für Alle und so beschlossen ich und meine Familie den gestrigen Tag mit einer Übernachtung in einer meiner Lieblings-Ausflugstätten meiner Kindheit zu beenden. Das Kleine Haus am Wald, die Stiefelburg, http://www.stiefelburg.com/ hat Platz für viele Gäste, 1981 feierten meine Frau und ich Hochzeit in diesem Haus, da waren der Willi und auch mein Vater mit dabei.

In der Dämmerung des gestrigen späten Abends schauten wir, mein Sohn, meine Frau und ich, von der Stiefelburg aus hinüber zum Thüringer Wald. Die letzte Stunde war feierlich. Der Willi und auch mein Vater, der vor über 10 Jahren starb, haben den Thüringer Wald über alles geliebt.

Heimat, das ist sicher der schönste Ausdruck für Zurückgebliebenheit.
   (Martin Walser)

Mit diesen Worten möchte ich dieses Kapitel für heute schließen, offenlassen jedoch für weitere Tage, in denen es besinnliche Stunden gibt.

Viele Grüße aus Baden-Württemberg,
Euer Hotti

  1. Hallo hotti!

    Die Beerdigung meines Schwiegervaters gestern

    Mein Beileid sei Dir gewiß, aber danke für diese schöne Erzählung. Vielleicht solltest Du das Perlen lassen und Schriftsteller werden, denn ich fand es trotz (oder wegen) des traurigen Anlasses schön erzählt.

    Heimat, das ist sicher der schönste Ausdruck für Zurückgebliebenheit.
       (Martin Walser)

    Heimat ist, wenn man eine hat. Irgendwie fühle ich mich nirgends zu Hause, hier nicht, dort nicht und anderswo auch nicht. Ich frage mich, woher mein überspitzes Individualismus herstammt, dass ich weder mit anderen noch ohne auskomme. Hm, eigentlich eher ohne - aber das diskutieren wir doch lieber mal in der Lounge ;)

    with or without you...

    Viele Grüße aus Frankfurt/Main,
    Patrick

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    _ - jenseits vom delirium - _
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    Nichts ist unmöglich? Doch!
    Heute schon gegökt?
    1. Danke Patrick!

      der Tod gehört nunmal zum Leben... Heimat, ja, da bin ich auch ein bischen rausgerissen, wenn auch nicht ganz soweit weg wie Du und auch aus anderen Gründen, die mit der Teilung Deutschlands zusammenhängen.

      Viele Grüße an Alle und zurück zu den wirklichen Themen des Forums,
      Horst Haselhuhn

      PS: Horst Haselhuhn ist nur mein Künstlername. Fridolin Perlhuhn würde mir evntl. besser stehen ;-)