heinetz: Vom Unternehmer zum Freiberufler

Hallo Forum,

hat das schonmal jemand von euch hinter sich gebracht, bzw. sich
mit der Theamtik auseinandergesetzt ?

Ich habe mich 2001 als Web-Programmierer selbständig gemacht.
Da ich damals 1. das Überbrückungsgeld vom Arbeitsamt in Anspruch
genommen hatte, dafür die (wortlaut) Stellungnahme einer
fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung benötigt habe und es die von der IHK gab und ich als Programmierer
nach meinem damaligen Verständnis automatisch als gewerbetriebender eingestuft würde und ich es 3. einfach nicht besser wusste, bin ich jetzt seit dem Gewerbetreibender und ärgere mich über meinen Gewerbesteuerbescheid, der aufgrund irgendeiner Reform für 2008 etwa 3 mal so hoch ausfällt, wie in den Jahren davor, obwohl ich die Hälfte verdient habe ;(

Ich teile mir das Büro und den grössten Teil meiner Projekte mit einem Kumpel, der als freiberuflicher Grafiker die Designs macht.

Nun, ich halte meine Arbeit für nicht viel weniger kreativ, als
die eines Screendesigners und frage mich, ob es wohl geht, als
Webprogrammierer vom Finanzamt (nachträglich) als freiberufler
eingestuft zu werden.

Hat das jemand von euch mal gemnacht /sich mit dem Thema
auseinandergesetzt ?

beste gruesse,
heinetz

  1. Hi!

    Das Finanzamt sieht solche Umstufungen gern als Versuch der Steuerhinterziehung. Ansonsten sollte es keine Probleme geben - zumindest Deine Einkommensteuer musst Du trotzdem weiterhin erklären.

    Gruß, LX

    --
    RFC 1925, Satz 8: Es ist komplizierter als man denkt.
    1. hi,

      erstmal vielen Dank für eure Meinung dazu !

      ich habe dazu auch mal meine Steuerberaterin angemailt und
      sie nach Ihrer Meinung gefragt. Die hat mich verwundert:

      Einfach gesagt: wenn Du nicht die Gewerbesteuer zahlen würdest wäre Deine Einkommensteuerbelastung um den Betrag der Gewerbesteuer höher

      damit hätte eine möglicherweise Umstufung vom Gewerbetreibenden nur noch den Vorteil, dass man sich a) die HK-Beiträge spart und b) keine dopelte Buchführung mehr braucht.

      Das hätte ich nicht gedacht !

      was meint Ihr ?

      beste gruesse,
      heinetz

  2. Moin Moin!

    Ich habe mich 2001 als Web-Programmierer selbständig gemacht.
    Nun, ich halte meine Arbeit für nicht viel weniger kreativ, als
    die eines Screendesigners und frage mich, ob es wohl geht, als
    Webprogrammierer vom Finanzamt (nachträglich) als freiberufler
    eingestuft zu werden.

    Mein Rechtsverständnis (ACHTUNG: Ich bin kein Anwalt!) ist so:

    Es gibt eine Liste priviligierter Berufe, in denem man freiberuflich arbeiten *KANN*. Dazu gehören u.a. Architekten und Ingenieure. Informatiker hat man in der Liste schlicht vergessen, man *KANN* sie aber bei entsprechender Ausbildung und entsprechendem Abschluß mehr oder weniger wie Ingenieure behandeln. Ja, das ist sehr schwammig, leider.

    Der feine Unterschied zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit ist schlicht und ergreifend die Frage, ob Du etwas PRODUZIERST oder nur eine DIENSTLEISTUNG den Auftraggebern zur Verfügung stellst.

    Produziert ein Ingenieur Tiefziehmaschinen für Kochtöpfe aus einem großen Haufen Stahl und Hydraulikteilen, und verkauft er diese an Kochtopfhersteller, arbeitet er gewerblich. Für Pläne dieser Maschinen, die er an einen Maschinenbauer verkauft, gilt das gleiche. Arbeitet er dagegen FÜR den Maschinenbauer oder den Kochtopfhersteller an einer Weiterentwicklung einer Tiefziehmaschine für Badewannen zu einer Tiefziehmaschine für Kochtöpfe, und wird entsprechend für die Arbeitsstunden und eben NICHT für die Pläne oder die Maschinen bezahlt, arbeitet er freiberuflich. Insbesondere bleibt das "geistige Eigentum", die Rechte am Produkt, beim Kunden.

    Ganz analog geht es beim diplomierten Software-Entwickler, der eine ingenieursmäßige Ausbildung absolviert hat. Baut er eigene Software, die er verkauft, ist das gewerblich. Wenn er kundeneigene Software verbessert, pflegt, weiterentwickelt, und zwar bezahlt nach Arbeit und nicht nach Ergebnis, ist das freiberuflich.

    Wenn Du Dich Programmierer nennst, bist Du nach meinem Sprachverständnis eine reine Schreib- oder Übersetzungskraft, die eine durch einen Ingenieur (oder Kunden) gefertigte Vorgabe in eine für Computer verständliche Sprache umsetzt. Damit würdest Du nach meinem Verständnis nicht die ingenieursmäßige Arbeit leisten, die für eine freiberufliche Tätigkeit notwendig ist. Also gewerblich.

    Lassen wir das mal außer aucht, so baust Du im Auftrag Deiner Kunden eine neue, kundenspezifische Software. Wieder gewerblich.

    Kümmerst Du Dich dagegen nur darum, eine beim Kunden schon bestehende und halbwegs funktionierende Software an neue Wünsche anzupassen, und berechnest entsprechend nur den Zeit- und Reisekostenaufwand, könnte das freiberuflich sein.

    Machst Du beides, ist es gewerbliche Tätigkeit. "Ein bißchen gewerblich" gibt es nicht, genauso wenig wie es "ein bißchen schwanger" gibt. Einmal gewerblich, immer gewerblich. Spätestens wenn auf einer Rechnung ein Produkt statt einer Dienstleistung auftaucht, oder Du Produkte anderer weiterverkaufst, ist es gewerblich.

    So, wie gesagt, habe ich das verstanden, und noch einmal: Ich bin weder Jurist noch Steuerexperte. Es könnte aber helfen, sich bei solchen genauer zu informieren.

    Alexander

    --
    Today I will gladly share my knowledge and experience, for there are no sweeter words than "I told you so".
    1. Hi!

      Einmal gewerblich, immer gewerblich.

      Definitiv nicht. Die Möglichkeiten, als Freiberufler anerkannt zu werden, wurden aufgrund eines Gerichtsverfahrens (<- soweit ich weiß) in der der jüngeren Vergangenheit gelockert. Auch ist es nicht zwingend notwendig, als Ingenieur oder vergleichbar ausgebildet worden zu sein und/oder solch einen Abschluss nachzuweisen. Es reicht, wenn man eine vergleichbare Tätigkeit ausübt. Davon wird sich das Finanzamt (wenn ich mich recht erinnere) überzeugen wollen. Ein Bekannter, der als Quereinsteiger in seiner Agentur Software entwickelt (keine Ahnung, was er auf seine Rechnungen schreibt), ist diesen Schritt vom Gewerbetreibenden zum Freiberufler erfolgreich gegangen.

      Lo!