Hallo Martin,
Das fordere ich nur, wenn die Missetaten, die da aufgedeckt werden, mit der Ausübung des Amtes im Zusammenhang stehen.
Wenn also irgend ein Bundesminister eine Bank ueberfallen und ausrauben wuerde, wuerdest Du da nicht seinen Ruecktritt fordern?nein - wohl eine strafrechtliche Verfolgung[1] dieses Mannes in seiner Eigenschaft als Bürger, aber den Rücktritt (bzw. die Amtsenthebung) nur als indirekte Folge, weil er aus dem Knast schlecht seine Amtsgeschäfte wahrnehmen kann. Wenn er aber aus irgendwelchen Gründen nur eine Bewährungsstrafe kriegt und so de facto ein freier Mann bleibt, so what?
Da haben wir diametral entgegengesetzte Ansichten.
Lambsdorff ist auch der Steuerhinterziehung überführt worden, hat aber die ihm auferlegte Geldstrafe bezahlt und seine politische Karriere fortgesetzt.
Nur, weil es in der Vergangenheit solche Fälle gab, heißt das nicht, dass man sie gut finden muss.
Ebenso würde ich keinem Fabrikarbeiter kündigen, nur weil ich plötzlich weiß, dass derjenige "als Hobby" Gemälde kopiert. Es hat einfach nichts mit seinem Job zu tun.
Das ist etwas anderes - ein Politiker hat eine repraesentative Funktion, die Dein Fabrikarbeiter nicht hat.Nein, er hat eine Aufgabe, er ist Teil des Regierungsapparats und damit einer Verwaltungsstruktur, nicht mehr als der Büttel im Rathaus. Nur dass seine Aufgaben und Kompetenzen vielleicht etwas weiter reichen.
Nein. Natürlich hat ein Politiker eine Aufgabe. Aber der Hauptunterschied ist, dass er gewählt ist und soll das Volk repräsentieren (darum auch der Name "repräsentative Demokratie") - das ist in meinen Augen ein sehr großer Unterschied zu einem normalen Angestellten, weswegen ich zwei völlig verschiedene Maßstäbe anlegen will.
Versteh mich nicht falsch: Ein Politiker muss nicht perfekt sein. Wenn ein Politiker mit 10 km/h zu schnell geblitzt wird, muss er in meinen Augen nicht gleich zurücktreten (auch wenn er Verkehrsminister ist ;-)).
Ferner bin ich auch kein extrem nachtragender Mensch. Ich glaube durchaus daran, dass man Menschen eine zweite Chance geben sollte. Allerdings: Das setzt eben voraus, dass diese Personen sich diese zweite Chance dann verdient haben, d.h. wieder dafür gearbeitet haben. Wenn Guttenberg nach dem Bekanntwerden sofort hätte, "Ja, ich habe die Doktorarbeit in großen Teilen abgekupfert. Es tut mir sehr leid", sich dann erst einmal aus der Politik verabschiedet hätte, eine Auszeit genommen hätte und sich dann später wieder von unten hochgearbeitet hätte, dann wäre das für mich durchaus in Ordnung. (Da er aber bereits vor dieser ganzen Geschichte in meinen Augen keine gute Arbeit geleistet hat, glaube ich nicht, dass ich mich für ihn jemals begeistern können werde.) Aber so tun, als ob man nur ein paar kleinere Fehler gemacht hätte, nur salamitaktikmäßig zugeben, was man falsch gemacht hat und dann nur wegen des Aufschreis zurücktreten gehören sind für mich nicht die adäquaten Schritte, um sich wieder Glaubwürdigkeit zu erarbeiten.
Ich stelle das wissenschaftliche Arbeiten und dessen Stellenwert gar nicht in Frage.
Doch, das tust Du implizit, wenn Du u.a. neben vielen anderen Bemerkungen eine Doktorarbeit als "Farce" bezeichnest.Du hast immer noch nicht verstanden, was ich sagen will. [...]
Ich unterstelle aber, dass die überwiegende Mehrheit der Doktoranden ihre Doktorarbeit nicht um der Wissenschaft willen schreibt, sondern nur als notwendiges Übel sieht, weil die Jungs unbedingt den "Dr." auf der Visitenkarte haben wollen - und die schaden natürlich dem Ansehen des Titels insgesamt.
Jeder, der auf einen Abschluss hinarbeitet, arbeitet nie aus uneigennützigen Gründen darauf hin, das ist doch klar. Nehmen wir mal als Beispiel einen KFZ-Mechaniker: Der hat auf seinen Abschluss hingearbeitet, um eben später in diesem Feld tätig sein zu können, das war sein Ziel. Der Abschluss eröffnet ihm Möglichkeiten, die er ohne nicht hätte. Ich halte das für völlig in Ordnung.
Genauso bei einer Doktorarbeit: Jemand mit Doktortitel hat in gewissen Situationen mehr Möglichkeiten als ohne. Für jemanden, der in der Wissenschaft bleiben will, ist der Doktortitel oftmals Voraussetzung, der Doktortitel ermöglicht einem überhaupt erst, in diesem Bereich tätig zu sein (genauso wie beim KFZ-Mechaniker). Genauso wie man außerhalb der Wissenschaft mit einem Doktortitel in bestimmten Situationen bessere Karten haben kann.
Mein Punkt: Ich sehe nichts verwerfliches daran, deswegen eine Doktorarbeit schreiben zu wollen. Letztendlich ist ein Doktortitel ein Abschluss, der einem bescheinigt, dass man in einem Gebiet eigenständig wissenschaftlich arbeiten kann. In bestimmten Fällen (insbesondere in der Wissenschaft, aber auch anderswo) ist so eine Qualifikation enorm hilfreich.
Ob jemand nun die Doktorarbeit nur geschrieben hat, um sich mit "Dr." zu schmücken oder nicht - man hat durch das Schreiben der Arbeit etwas bewiesen - und damit ist es ein Abschluss, der aus diesem Grund etwas Wert ist. Die Motivation für den Abschluss spielt doch überhaupt keine Rolle, die Frage ist, ob der Abschluss etwas über die Qualifikationen der Person aussagt. Und genau das tut ein Doktortitel.
Wenn Dein Argument jetzt ist, dass Doktorarbeiten teilweise nicht genau genug geprüft werden, dann haben wir eine andere Diskussion. Ich kenne mich mit Fächern wie Jura etc. nicht besonders gut aus, insofern möchte ich mich da weder in die eine noch in die andere Richtung aus dem Fenster lehnen. Aber im Bereich der Naturwissenschaften ist es nicht einfach, einen Doktortitel zu erlangen und da sehe ich eigentlich nicht das Problem, dass nicht gut genug geprüft wird - soweit ich das mitbekommen habe zumindest.
Und deswegen empfinde ich das ziemlich unverschämt, von Dir zu behaupten, dass das Abschreiben einer Doktorarbeit ein Kavaliersdelikt ist. Auf der einen Seite hast Du ehrliche Leute (egal aus welcher Motivation), die bereit sind, drei oder mehr Jahre ihres Lebens in zu investieren, um diese Qualifikation zu erlangen - auf der anderen Seite hast Du jemanden, der sie sich de facto erschlichen hat. Durch das Abstempeln als Kavaliersdelikt sagst Du im Endeffekt, dass diese Zeit und Energie, die Doktoranden in ihre Arbeit inverstieren, letztlich nichts Wert sind.
Christian
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