Hallo,
Wenn also irgend ein Bundesminister eine Bank ueberfallen und ausrauben wuerde, wuerdest Du da nicht seinen Ruecktritt fordern?
nein - wohl eine strafrechtliche Verfolgung[1] dieses Mannes in seiner Eigenschaft als Bürger, aber den Rücktritt (bzw. die Amtsenthebung) nur als indirekte Folge, weil er aus dem Knast schlecht seine Amtsgeschäfte wahrnehmen kann. Wenn er aber aus irgendwelchen Gründen nur eine Bewährungsstrafe kriegt und so de facto ein freier Mann bleibt, so what?
Da haben wir diametral entgegengesetzte Ansichten.
das ist ja nicht schlimm.
ein Politiker hat eine repraesentative Funktion, die Dein Fabrikarbeiter nicht hat.
Nein, er hat eine Aufgabe, er ist Teil des Regierungsapparats und damit einer Verwaltungsstruktur, nicht mehr als der Büttel im Rathaus. Nur dass seine Aufgaben und Kompetenzen vielleicht etwas weiter reichen.
Nein. Natürlich hat ein Politiker eine Aufgabe. Aber der Hauptunterschied ist, dass er gewählt ist und soll das Volk repräsentieren (darum auch der Name "repräsentative Demokratie")
Moment, wir laufen Gefahr, zwei unterschiedliche Spielarten von "repräsentieren" zu meinen. Wenn du die Repräsentation des Volkes meinst: Ja, in der Theorie ist das wohl so (in der Praxis wird dieses Prinzip zwar mit den Füßen getreten, aber das ist ein anderes Drama).
Ich hätte allerdings kein Problem, mich auch von jemandem repräsentiert zu fühlen, der -sagen wir- schon mehrfach beim Ladendiebstahl erwischt wurde oder als notorischer Autobahnraser bekannt ist, wenn er auf der anderen Seite tatsächlich für meine Interessen eintritt. Sein Privatvergnügen ist mir wurscht.
Ich hatte im Vorposting befürchtet, du meintest, dass ein Politiker dem Volk gegenüber den Standpunkt der Regierung repräsentieren soll. Das ist zwar in der Praxis meist so; ich wünsche mir aber, dass ein Politiker eine eigene Meinung und Überzeugung hat, die nicht von Parteien oder sonstigen Zwängen beeinflusst wird. "Nach unten", also dem Volk gegenüber, soll er nur sich selbst repräsentieren.
das ist in meinen Augen ein sehr großer Unterschied zu einem normalen Angestellten, weswegen ich zwei völlig verschiedene Maßstäbe anlegen will.
Dann haben wir auch hier sehr unterschiedliche Ansichten.
Da er aber bereits vor dieser ganzen Geschichte in meinen Augen keine gute Arbeit geleistet hat, ...
Hat er nicht? Die Aussetzung der Wehrpflicht, die er durchgedrückt hat, halte ich für eine der größten Errungenschaften der letzten 50 Jahre. Allein dafür würde ich ihm schon das Bundesverdienstkreuz verleihen, oder etwas in der Art.
Ich unterstelle aber, dass die überwiegende Mehrheit der Doktoranden ihre Doktorarbeit nicht um der Wissenschaft willen schreibt, sondern nur als notwendiges Übel sieht, weil die Jungs unbedingt den "Dr." auf der Visitenkarte haben wollen - und die schaden natürlich dem Ansehen des Titels insgesamt.
Jeder, der auf einen Abschluss hinarbeitet, arbeitet nie aus uneigennützigen Gründen darauf hin, das ist doch klar. Nehmen wir mal als Beispiel einen KFZ-Mechaniker: Der hat auf seinen Abschluss hingearbeitet, um eben später in diesem Feld tätig sein zu können, das war sein Ziel. Der Abschluss eröffnet ihm Möglichkeiten, die er ohne nicht hätte. Ich halte das für völlig in Ordnung.
Richtig - und doch gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied: Der Doktorand schafft mit seiner Arbeit etwas, von dem die Nachwelt auch einen Nutzen hat - zumindest nach dem idealisierten Modell. Der KFZ-Mechaniker dagegen nützt mit dem, was er im Rahmen seiner Ausbildung leistet, zunächst niemandem.
Genauso bei einer Doktorarbeit: Jemand mit Doktortitel hat in gewissen Situationen mehr Möglichkeiten als ohne.
Ja. Auch das ist eine Krankheit unserer Gesellschaft: Menschen werden häufig nicht nach ihren wirklichen Fähigkeiten und Leistungen eingestuft, sondern nach irgendeinem Papier. So wie ein früherer Kollege von mir: Er hatte eine Ausbildung als Industrieelektroniker (nicht einmal eine formelle Techniker-Ausbildung) und wurde als solcher eingestellt. Nach etwa zwei Jahren hatte er sich aber soweit in die Abläufe der Abteilung eingearbeitet, dass er locker die Aufgaben eines Ingenieurs wahrgenommen hat. Der Personalchef hat ihm aber händeringend klargemacht, dass eine weitere Gehaltserhöhung nicht in Frage käme, da er weder ein Diplomzeugnis noch wenigstens einen Techniker-Brief vorweisen könne. Und obwohl er bereits im praktischen Arbeitsalltag beweist, dass er zum selbständigen ingenieurmäßigen Arbeiten in der Lage ist, kann er dieses Zeugnis nicht einfach so bekommen, sondern müsste erst weitere drei bis vier Jahre an einer (Fach-)Hochschule dafür vergeuden.
Was ist das für eine kaputte Welt?
Für jemanden, der in der Wissenschaft bleiben will, ist der Doktortitel oftmals Voraussetzung, der Doktortitel ermöglicht einem überhaupt erst, in diesem Bereich tätig zu sein (genauso wie beim KFZ-Mechaniker). Genauso wie man außerhalb der Wissenschaft mit einem Doktortitel in bestimmten Situationen bessere Karten haben kann.
Ja ... *seufz*
Mein Punkt: Ich sehe nichts verwerfliches daran, deswegen eine Doktorarbeit schreiben zu wollen. Letztendlich ist ein Doktortitel ein Abschluss, der einem bescheinigt, dass man in einem Gebiet eigenständig wissenschaftlich arbeiten kann.
Mit anderen Worten: Thema und Inhalt sind eigentlich egal? Das "wie" ist entscheidend? Da bin ich komplett anderer Ansicht. Für mich zählt das Ergebnis; wie es zustandekommt, ist zweitrangig.
Ob jemand nun die Doktorarbeit nur geschrieben hat, um sich mit "Dr." zu schmücken oder nicht - man hat durch das Schreiben der Arbeit etwas bewiesen
Ja, nämlich dass man über längere Zeit die Backen zusammenkneifen und katzbuckeln kann, um eine Arbeit mit mehreren hundert Seiten notfalls auch gegen die eigene Überzeugung exakt so zu schreiben, wie es der Doktorvater sich wünscht. Dieses Drama habe ich aus der Ferne bei meinem Onkel miterlebt.
Wenn Dein Argument jetzt ist, dass Doktorarbeiten teilweise nicht genau genug geprüft werden
Ist es nicht. Mein Argument ist, dass Doktorarbeiten -zumindest teilweise- über so banales Zeug geschrieben werden, dass jeder Abiturient der Autor hätte sein können. Ich habe oft, wenn ich Auszüge aus Dissertationen sehe, den Eindruck, dass der fachliche Anspruch völlig fehlt und Formalitäten viel wichtiger sind. Die Doktoranden üben sich in der Kunst, seitenweise zu schwafeln und letztendlich nichts auszusagen. Das ist zwar ein gutes Training für eine politische Karriere, aber nichts, was ich respektieren könnte.
Natürlich gibt es, wie ich gestern schon eingeräumt habe, dazwischen immer wieder Idealisten, die sich wirklich ins Zeug legen, wirklich etwas leisten und sich so eine gewisse Auszeichnung *verdienen*. Aber ich habe den Eindruck, das sind eher die Ausnahmen.
Durch das Abstempeln als Kavaliersdelikt sagst Du im Endeffekt, dass diese Zeit und Energie, die Doktoranden in ihre Arbeit inverstieren, letztlich nichts Wert sind.
Genau das - verschwendete Zeit. Jedenfalls bei den meisten.
So long,
Martin
Chef zum Bewerber: Es gibt zwei Dinge, auf die ich allergrößten Wert lege. Das eine ist Sauberkeit! Haben Sie übrigens die Schuhe auf der Matte abgetreten? - Ja, selbstverständlich. - Gut. Das andere ist uneingeschränkte Ehrlichkeit. Übrigens, draußen liegt gar keine Fußmatte.
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