Fortsetzung:
Nun musste aber für den Westen ein neuer Gegner her.
Aber Nein. Die Stimmung in der Nachwendezeit war im Wesentlichen durch Euphorie gekennzeichnet, durch die Gewissheit, dass Demokratie und Menschenrechte einen historischen Sieg gegen ihre Feinde errungen haben und nunmehr, siehe Francis Fukuyamas im Überschwang dieser Tage veröffentlichte These vom 'Ende der Geschichte', ein Zeitalter des Friedens und der wirtschaftlichen Prosperität eintreten würde, da sich diese unsere Werte endgültig als Überlegen herausgestellt hätten. Die Neunziger Jahre waren dementsprechend außenpolitisch divergent, wenn man so will, es gab zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung keine klaren Feindbilder und die wenigen Figuren, die sich in dieser Hinsicht aufgedrängt haben, nämlich ein Herr Gaddafi und ein Herr Hussein, haben sich diesen Platz in der öffentlichen Aufmerksamkeit auch redlich verdient, eingedenk ihrer Untaten. Sollte es in dieser Zeit Bestrebungen gegeben haben (was zweifelsohne der Fall war), ausgehend vom militärisch-industriellen Komplex, - den Charles Wright Mills erstmals umfassend beschrieb und vor dem der ehemalige amerikanische Präsident Roosevelt so eindringlich warnte -, deren Ziel es war, durch mediale Einflussnahme Feindbilder zu konstruieren, um auf diese Art wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, so waren sie jedenfalls erst sehr viel später und auch nur regional und sozialkulturell begrenzt erfolgreich; siehe Irak-Krieg, George Bush, american conservatism.
Es wurde etwas experimentiert mit den Chinesen als "Gelbe Gefahr", dann aber die Völker ausgeguckt, die vollkommen zu Unrecht auf den Ölreserven des Westens sitzen, rein zufällig moslemischen Glaubens.
Just in der von mir soeben beschriebenen Phase der Siegestrunkenheit und überschießenden Selbstgewissheit der westlichen Gesellschaften ob der (Selbst-)Befreiung eines ganzen Erdteils und dem damit verbundenen globalen Vormarsch der Geltung von - als originär 'Westlich' betrachteten - Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte, drang erstmals der - von Deng Xiaopings ab Ende der Siebziger Jahre angestrengten Reformen ausgehende - chinesische Wirtschaftsaufschwung in das Bewusstsein der Bürger Europas und Nordamerikas, was in der Tat - ob des gewaltigen Historischen Ausmaßes dieser Entwicklung zu Ängsten und dementsprechend zu Warnungen vor einer "gelben Gefahr" geführt hat.
Hierzu sei gesagt, dass ich dies im Gegensatz zu dir nicht - oder allenfalls minimal - als rüstungspolitisch motiviert ansehe, sondern im Gegenteil als Ausdruck des gesunden Menschenverstandes. Ich habe einige Jahre Sinologie studiert und mich mit der jüngeren Geschichte und der derzeitigen Gesellschaft Chinas etwas auseinandergesetzt und kann dazu nur sagen, dass die Chinesische Gesellschaft meiner Ansicht nach auf dem besten Wege ist, das klassische Stück des 'Nationalismus auf dem Weg in die Moderne' nachzuspielen - mit potentiell desaströsem Ausgang. China ist klar als Diktatur zu charakterisieren, als korrupte Oligarchie, in welcher der Wert des Individuums gegen Null tendiert, sofern es nicht über Guanxi und genügend Geld verfügt. Eingedenk der wirtschaftlichen, politischen und zunehmend auch militärischen Macht in den Händen einer solchen Diktatur halte ich Sorgen und Ängste für absolut begründet. Jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass China in seiner Geschichte selten expansionistische Politik betrieben hat, und obschon mit Blick insbesondere auf Japan und Taiwan genug Konfliktpotential diesbezüglich vorhanden ist, sehe ich die größten Gefahren hier in der Tat für die chinesische Bevölkerung selbst.
Was die Völker angeht, die angeblich auf 'unseren' Ölreserven sitzen und die 'zufällig muslimisch' sind, halte ich das, was du mit der Aussage offenbar implizierst für völlig abwegig und gehe davon aus, dass du hier bloß polemisierst. Darum werde ich darauf nicht weiter eingehen.
Es ist aber insoweit richtig, dass die Länder am Golf über die größten Ölreserven auf der Welt verfügen und dass unsere Wirtschaft und damit unser Wohlstand (noch) wesentlich davon abhängt, dass wir dieses Produkt von dort importieren. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass dieses Interesse des Westens (und mittlerweile auch Chinas und vieler anderer Länder) in dieser Region ein erhebliches Konfliktpotential geschaffen hat und der Westen in den vergangenen hundert und mehr Jahren seine Werte mehr als einmal von diesem Interesse hat korrumpieren lassen, sehr zum Leidwesen der örtlichen Bevölkerung. Nichtsdestotrotz ist auch zu berücksichtigen, dass wir diese Länder gerade nicht in imperialer Manier ausbeuten, sondern einen ziemlich hohen Preis für das Produkt entrichten, was wiederum zu einigem Wohlstand dort geführt hat. - Jedoch auch zu einer Zementierung mittelalterlicher Herrschaftsverhältnisse und davon ausgehend zu einem großen Potential an Unzufriedenheit in den Bevölkerungen, welches sich mit den eingangs beschriebenen, teilweise negativen Entwicklungen innerhalb der islamischen Gesellschaften überschneidet und seine Gefährlichkeit potenziert. Aber das zu Ende zu diskutieren würde definitiv den Rahmen sprengen.
Jedenfalls halte ich eine Steuerung der öffentlichen Meinung hinsichtlich der gezielten Konstruktion von Feindbildern - ob es "der Chinese" oder "der Muslim" sei - hier im Westen bestenfalls für eine in ihrer Wirkung stark begrenzte Randerscheinung, dadurch austariert, dass in der Regel ein einigermaßen sachlicher und seriöser Austausch der Argumente in der öffentlichen Diskussion möglich ist und auch praktiziert wird.
Kriminalfälle werden dann zu "terroristischen Vereinigungen", wenn man den Islam damit belasten kann. Den vielfältigen Missbrauch von Kindern durch die (katholische) Kirche wurde nicht zum "christlichen Terrorismus" hochstilisiert, das waren lediglich hunderte oder tausende von unzusammenhängenden Einzelfällen.
Ich bin grundsätzlich bei dir, wenn es darum geht, den Begriff des "War on Terror" als den Schwachsinn zu entlarven, um den es sich dabei handelt, denn wie du richtig sagst, handelt es sich bei den Tätern, die terroristische Anschläge verüben schlicht um - in der Regel geistesgestörte - Kriminelle, die dementsprechend auch als solche zu behandeln sind. Dennoch ist der Begriff des Terrorismus nicht beliebig austauschbar: Er meint im Kern eine Tat, deren wesentlicher Zweck über sich selbst hinausweist, sprich es geht gerade nicht - oder jedenfalls nur nachrangig - um die Opfer selbst, sondern es geht bei der terroristischen Tat um ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit, bedeutet doch Terror auf lateinisch "Schrecken".
Die meisten Taten mit radikalislamischem Hintergrund zielen genau darauf, - denn um hier wieder den Bogen zu meinen eingangs formulierten Erklärungen diesbezüglich zu schlagen -, sind sie gerade ein Instrument der 'Machtlosen', derer, die das Argument nicht für sich beanspruchen können und die über ihre eigene Bedeutungslosigkeit hinaus Macht und Anerkennung erstreben. Gleiches kann auch über die rechtsextrem motivierten Akte hierzulande in jüngster Vergangenheit gesagt werden: Auch die Nazis die Türken erschossen, waren derart zu charakterisieren und ihre Taten verfolgten letztlich denselben Zweck, das Erzeugen von Schrecken.
Eine solche Anmaßung von Macht ist bei den Fällen des Missbrauchs von Kindern durch Angehörige der Katholischen Kirche lediglich und allenfalls im Innenverhältnis zum Opfer selbst zu erkennen, was an der Verwerflichkeit der Tat selbst freilich nichts ändert, jedoch einer Bezeichnung der Tat als "Terrorismus" widerspricht. Außerdem möchte ich doch zu bedenken geben, gerade eingedenk der von mir vermuteten Intension deines Argumentes, dass in der öffentlichen Diskussion dieser Misbrauchstaten tatsächlich gerade nicht von Einzeltaten und -tätern gesprochen wurde (allenfalls von der katholischen Kirche selbst), sondern dass es in der öffentlichen Diskussion sogar ein Kernthema war, inwieweit diese Missbrauchspraktiken nicht mit der regiden Sexualmoral innerhalb der Katholischen Kirche zusammenhängen und dadurch eine Teilschuld, oder wenigstens eine Mitverantwortung auch bei der Institution der Kirche selbst zu suchen sei, was deiner Unterstellung, hier würde mit zweierlei Maß gemessen, nach meinem Dafürhalten widerspricht.
Ich befreie mich von der Deutungshoheit der etablierten Medien und stelle eigene Fragen. Wenn das "braun" oder "rechts" sein soll, dann bin ich halt braun oder rechts, aber ich lasse mir die Fragen nicht verbieten.
Fragen zu stellen ist dein gutes Recht, von dem du soviel Gebrauch machen solltest wie nur irgend möglich. Inwiefern eine "Befreiung von der Deutungshoheit der etablierten Medien" nötig ist, lasse ich mal dahingestellt, aber ich gebe zu Bedenken, dass wir hier in Deutschland glücklicherweise noch über Qualitativ hochwertige Berichterstattung verfügen und ich sehe auch nicht, dass dort - innerhalb des Spektrums vertretbarer Ansichten - in wesentlichen Punkten wider den gesunden Menschenverstand geschrieben würde; Und wer sich mit radikalen Theorien auseinandersetzen will, findet dazu ohnehin genügend Gelegenheit.
Ich bin in Rente, mir kann keiner mit dem Verlust des Arbeitsplatzes drohen. Und ich verweise auf andere kritische alte - unabhängige - Männer. Wer Interesse hat, wird sie finden.
Es ist sehr zu unserem Vorteil, dass wir in einem Land leben, in dem tatsächlich jeder frei ist, seine Meinung Kund zu tun und was das Kritischsein angeht, so bin ich ebenfalls sehr dafür. Aber für mich bedeutet dies - zuvorderst und zu allererst - auch stets die eigene Meinung kritisch zu betrachten und nur mit Bedacht zu urteilen.
In diesem Sinne,
beste Grüße,
Roadster.