Julius: EU-Urheberrechtslinie: Upload-Filter und LSR – Gemeinsame Aktion?

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Hallo alle zusammen,

wer nicht gerade wochenlang medial abgetaucht war, hat sicherlich von der geplanten Urheberrechtsreform auf EU-Ebene und der heutigen zustimmenden Abstimmung des Rechtsausschusses des EU-Parlaments erfahren. Im Kern geht es dabei um sogenannte Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht (LSR). Ersteres soll Urheberrechtsverletzungen verhindern (nicht: erschweren) und letzteres soll den Presseverlegern neue Einnahmequellen erschließen, indem nur sie die Zugänglichmachung ihrer Inhalte kontrollieren können. Allerdings werden diese Vorhaben höchstwahrscheinlich signifikante Kollateralschäden mit sich bringen, falls sie Gesetzeskraft erlangen.

Aus meiner Sicht sind die Upload-Filter wesentlich problematischer als das LSR – was nicht heißt, dass ich nicht am Liebsten beides beerdigt sehen würde:

Das LSR kann man notfalls noch dadurch umgehen, dass man schlicht nicht mehr verlinkt oder nur noch ohne Anreißer, Überschriften oder URLs mit viel Text (Kurz-URLs wie example.org/-123242 scheinen noch ok zu sein) – das ist zwar Mist und macht viel kaputt, aber noch halbwegs praktikabel.

Bei den Upload-Filtern sieht das dagegen wohl anders aus. Man hat zwei Möglichkeiten, falls man (weiterhin) Nutzer-generierten Inhalt anbieten möchte:

  1. Mit allen Urhebern Verträge abschließen. (Hint: Das schaffen im Musik-Bereich beispielsweise nicht mal Spotify und Apple!)
  2. Uploads (Bilder, Videos, Audio, Texte) auf urheberrechtlich geschütztes Material hin filtern. – Und Filter kosten natürlich nichts und funktionieren immer fehlerfrei. </ironie>

Beide Möglichkeiten sind besonders für kleine Plattformen nicht praktikabel, weil beide extrem aufwändig und unverhältnismäßig teuer sind. Die Konsequenz dürfte sein, dass Projekte aufgeben werden und man dann zu den Großen – Google, Facebook und Twitter – übersiedelt oder zumindest deren Verträge mit den Urhebern oder ihre Filtertechnik nutzt. Es fehlt schlicht die Möglichkeit, das klassische Notice-and-take-down-Verfahren zu betreiben – im beschränkten Rahmen wie beispielsweise hier im Wiki und Forum funktioniert das gut und ist verhältnismäßig einfach zu handhaben, um urheberrechtlich geschütztes Material von Dritten von einer Plattform fern zu halten.

Den Befürwortern der Upload-Filter fehlt schlicht das technische Wissen, um zu erkennen, dass solche zentralen Dienste wie eine Filter-Datenbank dem dezentralen Charakter des WWW und auch des Internets zuwider laufen und um ihre Fehleranfälligkeit einschätzen zu können. Wie soll ein Filter eine gelungene Parodie von einer stumpfen Urheberrechtsverletzung unterscheiden können?

Leider ist die Diskussion ziemlich schwarz-weiß: Entweder man befürwortet das Gesetz oder man möchte Urheber wie Journalisten und Kreative weiter der Ausbeutung preisgeben. Sachliche Argumente wie das Scheitern des LSR in Deutschland und Spanien sowie die Missbrauchsmöglichkeiten (in Ungarn und Polen regieren autoritäre Regierungen!) und Fehleranfälligkeit von Filtern werden dabei ignoriert oder auf höchster Ebene ausgebremst.

Wo tangiert das alles SELFHTML?

SELFHTML möchte die Leute zum Selbermachen ermutigen, dazu zählt auch die Mitgestaltung des Web 2.0 und Nutzergenerierte Inhalte. Dieses Selbermachen droht nun zum unkalkulierbaren Risiko zu werden. Nicht zuletzt ist es durch den Betrieb des Forums auch unmittelbar betroffen (das Wiki dürfte unter die geplante Ausnahme für Enzyklopädien fallen).

Was kann man noch tun?

Etwa am 4. Juli stimmt dann das gesamte EU-Parlament über die vom Rechtsausschuss ausgearbeitete Position ab. Danach beginnen die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission. Es ist unwahrscheinlich, dass bei diesen Verhandlungen ohne öffentlichen Druck noch signifikante Änderungen im Sinne der Nutzer und kleineren Plattformbetreiber erfolgen.

Das Sinnvollste scheint zu sein, EU-Abgeordnete zu kontaktieren (E-Mail und Telefon) und sie zu überzeugen zu versuchen (vielleicht auch darüber, dass man einen technischen Hintergrund hat und das daher ablehnt) und daneben auch die Petition auf Change.org weiter zu verbreiten und zu unterschreiben.

Bei beidem kann es helfen, wenn SELFHTML als Verein die Ablehnung unterstützen würde und dies öffentlich verbreiten würde, um die Aufmerksamkeit der Nutzer auf diese gefährliche Urheberrechtslinie zu lenken und vielleicht auch direktes Lobbying in Brüssel zu betreiben. Meine E-Mail an Axel Voss wurde leider, aber nachvollziehbarerweise mit einer oberflächlichen Standard-Antwort bedacht, die nicht auf meine spezifischen, (in meinen Augen) vernichtenden Argumente einging.

Was meint ihr dazu?

Gruß
Julius


Den (vermutlich) aktuellen Entwurf der Richtlinie findet man bei Julia Reda.

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