Hej Auge,
Ja, das Argument „Wer das so gelernt hat, darf es auch weiter so benutzen“ wurde bei der Einführung der neuen Rechtschreibung von den offiziellen Stellen ausdrücklich so gebracht, um die Schriftsteller, die öffentlich (und meiner Meingung nach allzu oft recht weinerlich) um die Form ihrer Werke bangten, zu beruhigen.
Die Schriftsteller die ich kenne, haben ihre Kritik allerdings meist gut und objektiv begründet und waren in einer Linie mit Linguistikern, die vor allem die Verwischung hilfreicher entomologischer Zusammenhänge beklagt haben. So hat ein Stengel nichts mit einer Stange zu tun. Auch wird „Zähne“ meist als Zehne gesprochen. Hier werden gebildete Menschen in die Irre geführt um ungebildeten Menschen entgegen zu kommen, wodurch falsche Annahmen eingebleut werden.
Statt Bildung zu intensivieren werden Falschannahmen als korrekt ausgezeichnet.
Meiner Meinung fatal. Selbst der sinngebende Wortstamm wird mitunter bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und dabei werden unnötig false Friends erzeugt, die sprachgeschichtliche Verwandtschaften verschleiern.
Im holländischen ist das weiter fortgeschritten mit dem Erfolg, dass die Sprache effizienter aber ärmer geworden ist.
Na ja, neue Worttschöpfungen füllen die entstandenen Lücken und letztendlich scheint mir im Nachhinein die Befürchtungen sind nicht eingetreten. Im Gegenteil war die Rechtschreibreform wohl eher ein Katalysator für eine Erneuerung, die auch durch Zuwanderung beschleunigt wird.
Gut für junge kreative, schlecht für altgediente Sprachjongleure, die vor allem mit überlieferten Assoziationen subtil Emotionen und Stimmungen sowohl erzeugen als auch transportieren.
Alles hat zwei Seiten, Veränderung ist Teil des Lebens und ich kann nicht sagen, dass das liebgewonnene oder das kreativ-innovative vorzuziehen wäre.
Beides hat seine Berechtigung und seinen Charme und eigentlich ist doch Vielfalt nicht nur das, was Literatur spannend macht, sondern das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bedeutet Antrieb und Inspiration für Schaffende zugleich.
Max frisch hat das mal sehr schön für das Spannungsfeld zwischen Schwyzerdütsch und Hochdeutsch beschrieben, der ständige Quell seiner Sprachauseinandrsetzung auf dem Weg zu einer eigenen Version der deutschen Sprache (wie sie im Besitz jedes bedeutenden Autoren ist).
Marc